David Copperfield. Charles Dickens

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David Copperfield - Charles Dickens


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auch nie unfreundlich gegen mich. Ich glaube, wir leisteten uns gute Gesellschaft, ohne viel miteinander zu sprechen. Ich vergaß übrigens, noch zu erwähnen, daß er manchmal mit sich selbst sprach und vor sich hin lachte, Gesichter schnitt, die Faust ballte, mit den Zähnen knirschte und sich aus mir unbekannten Gründen die Haare raufte. Das waren Eigentümlichkeiten, die mir zuerst Furcht einflößten, obwohl ich mich bald daran gewöhnte.

      So hatte ich ungefähr einen Monat gelebt, als der Mann mit dem hölzernen Beine, mit dem Besen und dem Wassereimer herumzuspazieren begann, woraus ich schloß, daß man sich auf den Empfang Mr. Creakles und der Schüler vorbereitete. Ich irrte mich nicht; denn es dauerte nicht lange, so kam der Besen in die Schulstube und verdrängte Mr. Mell und mich. Ein paar Tage lang mußten wir uns im Hause herumdrücken, wo wir gerade Ruhe vor ihm fanden, und waren dabei doch beständig zwei oder drei Mädchen, die ich vorher nie gesehen hatte, im Wege, und fortwährend so in Staub eingehüllt, daß ich fast soviel nieste, als ob Salemhaus eine große Schnupftabaksdose gewesen wäre.

      Eines Tages benachrichtigte mich Mr. Mell, daß Mr. Creakle diesen Abend kommen werde, und abends nach dem Tee hörte ich, daß er nun wirklich da war. Noch vor dem Schlafengehen holte mich der Mann mit dem hölzernen Beine zu ihm, damit ich ihm vorgestellt werde.

      Der Teil des Hauses, wo Mr. Creakle wohnte, war bedeutend angenehmer als der unsere; er hatte einen kleinen Garten vor sich, der sich sehr hübsch ausnahm im Vergleich zu dem staubigen Spielplatze, der so sehr eine Wüste in Miniatur war, daß ich glaube, nur ein Kamel oder ein Dromedar konnte sich darin zu Hause fühlen. Es schien mir sehr dreist, daß ich überhaupt diese Wahrnehmung machte, während ich dem Führer zitternd nach Mr. Creakles Zimmer folgte und so verlegen eintrat, daß ich kaum Mrs. Creakle oder Miß Creakle, die beide anwesend waren, oder überhaupt etwas anderes sah, als Mr. Creakle, einen dicken Herrn mit einer großen Uhrkette mit Berlocken, der in einem Lehnstuhle saß und Glas und Flasche neben sich hatte.

      »So!« sagte Creakle, »das ist also der junge Mann, dem die Zähne gestutzt werden müssen! Drehe Er ihn um!«

      Der Mann mit dem hölzernen Beine drehte mich um, daß die Tafel sichtbar wurde, und nachdem der Schullehrer ihren vollen Anblick genossen hatte, drehte er wieder mein Gesicht Mr. Creakle zu und stellte sich neben diesen. Mr. Creakles Gesicht war rot und seine Augen waren klein und lagen tief im Kopfe; er hatte dicke Adern auf der Stirn, eine kleine Nase und ein großes Kinn. Auf dem Kopfe hatte er eine Platte, und das noch übrige dünne, feuchte Haar, das oben grau wurde, war von den Schlafen nach vorn gebürstet, so daß sich die Spitzen auf der Stirne begegneten. Was aber den meisten Eindruck auf mich machte, war, daß er mit einer halb flüsternden, tonlosen Stimme sprach. Die Anstrengung, die ihm dies kostete, oder das Bewußtsein, so unmännlich heiser zu sprechen, machten sein zorniges Gesicht noch zorniger und die dicken Adern noch dicker, wenn er sprach, so daß ich mich nicht wundere, wenn mir dieser Zug seines Äußern am lebhaftesten in der Erinnerung blieb.

      »Nun, was ist von dem Knaben zu melden?« fragte Mr. Creakle.

      »Es ist nichts gegen ihn vorzubringen«, erwiderte der Mann mit dem hölzernen Beine. »Es ist noch keine Gelegenheit gewesen.« Ich glaube, Mr. Creakle fühlte sich durch diesen Bericht enttäuscht. Mit Mrs. und Miß Creakle (die ich jetzt zum erstenmal ansah und in denen ich zwei stille und dünne Personen erkannte) schien mir das Gegenteil der Fall zu sein.

      »Tritt näher!« sagte Mr. Creakle und winkte mir.

      »Tritt näher!« sagte der Mann mit dem hölzernen Beine, und wiederholte die Gebärde.

      »Ich habe die Ehre, deinen Stiefvater zu kennen,« krähte Mr. Creakle heiser und nahm mich beim Ohre; »er ist ein würdiger Mann und ein Mann von starkem Charakter. Er kennt mich und ich kenne ihn. Kennst du mich? Heh!« sagte Mr. Creakle und zwickte dabei mein Ohr mit grausamer Scherzhaftigkeit. .

      »Noch nicht, Sir«, sagte ich, und zuckte vor Schmerz zusammen.

      »Noch nicht? Heh!« wiederholte Mr. Creakle. »Aber du wirst mich bald kennen lernen. Heh?«

      »Du wirst mich bald kennen lernen. Heh?« wiederholte der Mann mit dem hölzernen Beine. Ich merkte später, daß er mit seiner starken Stimme als Dolmetscher zwischen dem heisern Mr. Creakle und den Knaben auftrat.

      Ich war sehr eingeschüchtert und sagte, ich hoffte das, wenn es ihm so beliebte. Während dieser ganzen Zeit fühlte ich mein Ohr wie Feuer brennen; so derb kniff er es.

      »Ich will dir sagen, was ich bin«, krächzte Mr. Creakle wieder und kniff mich noch einmal zum Abschied, daß mir das Wasser in die Augen kam. »Ich bin ein Barbar.«

      »Ein Barbar«, echote der Mann mit dem hölzernen Beine.

      »Wenn ich sage, ich will etwas tun, so tue ich es,« sagte Mr. Creakle, »und wenn ich sage, es soll etwas geschehen, so muß es geschehen.«

      »Soll etwas geschehen, so muß es geschehen«, dolmetschte der Mann mit dem hölzernen Beine.

      »Ich bin ein entschlossener Charakter,« fuhr der heisere Mr. Creakle fort; »ja, das bin ich. Ich tue meine Pflicht. Die tue ich immer. Wenn sich mein Fleisch und Blut« – er sah dabei Mrs. Creakle an – »mir widersetzt, so ist es nicht mehr mein Fleisch und Blut. Ich verstoße es. – Ist der Kerl wieder dagewesen?« sagte er zu dem Mann mit dem hölzernen Beine.

      »Nein«, war die Antwort.

      »Nein«, krächzte Mr. Creakle. »Er weiß, was er tut. Er kennt mich. Er mag sich vor mir hüten. Ich sage, er mag sich vor mir hüten,« sagte Mr. Creakle, schlug mit der Hand auf den Tisch und sah Mrs. Creakle an, »denn er kennt mich. Jetzt hast du angefangen, mich kennen zu lernen, junger Freund, und du kannst nun gehen. Führe Er ihn fort.«

      Ich war sehr froh, daß ich fortgehen konnte, denn Mrs. und Miß Creakle wischten sich beide die Augen: sie taten mir leid und ich fühlte mich ihretwegen noch unbehaglicher als meinetwegen, aber ich hatte eine Bitte auf dem Herzen, die mir so nahe lag, daß ich nicht umhin konnte sie auszusprechen, obgleich ich mich selbst über meinen Mut wunderte:

      »Verzeihen Sie, Sir –«

      Mr. Creakle krähte: »He? was ist das?« und sah mich mit seinen Augen so scharf an, als ob er mich damit durchbohren wollte.

      »Verzeihen Sie, Sir,« stammelte ich, »wenn Sie mir erlauben wollten (denn ich bereue recht sehr, was ich getan habe, Sir) die Tafel abzulegen, ehe die andern Schüler zurückkehren –«

      Ob es Mr. Creakle Ernst war, oder ob er es nur tat, um mich zu erschrecken, weiß ich nicht, aber er sprang mit solcher Heftigkeit von seinem Stuhle auf, daß ich eilig den Rückzug antrat, ohne die Begleitung des Mannes mit dem hölzernen Beine abzuwarten, fortlief und erst wieder in meinem Schlafzimmer stillstand. Als ich sah, daß ich nicht verfolgt wurde und da es Schlafenszeit war, ging ich zu Bett und lag zitternd und schlaflos ein paar Stunden da.

      Nächsten Morgen kehrte Mr. Sharp zurück. Mr. Sharp war der erste Lehrer und Vorgesetzte von Mr. Mell. Mr. Mell aß mit den Schülern, aber Mr. Sharp speiste mittags und abends an Mr. Creakles Tisch. Es war ein schmächtiger, zart aussehender Herr mit einer übergroßen Nase und einer Art, den Kopf auf die eine Seite geneigt zu tragen, als ob er ein wenig zu schwer für ihn wäre. Sein Haar war sehr weich und etwas gelockt; aber der erste Schüler, der zurückkam, sagte, es sei eine Perücke (aber eine abgelegte, d. h. getragen gekauft), und Mr. Sharp gehe jeden Sonnabend Nachmittag aus, um sie brennen zu lassen.

      Diese Nachricht erhielt ich von keinem andern, als von Tommy Traddles. Er war der erste Knabe, der zurückkehrte. Er führte sich dadurch bei mir ein, daß er mir sagte, sein Name stehe in der rechten Ecke des Tores über dem obersten


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