Zenjanisches Feuer. Raik Thorstad

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Zenjanisches Feuer - Raik Thorstad


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zwinkerte ihr auf dem Weg zum Tisch zu. »Grüße, Frau Magierin. Heute hat's Gemüseeintopf und dicke Fischsuppe. Was soll's sein?«

      »Den Gemüseeintopf, bitte. Und den heißesten Würzwein, den du auftreiben kannst.«

      Thalid hatte es längst aufgegeben, dem aufmüpfigen Sohn der Wirtin zu erklären, dass sie keine Magierin war und es nach derzeitigem Stand wohl auch nie werden würde. Doch seitdem sie einmal mit einem Fingerschnippen das erloschene Feuer im Kamin wiedererweckt hatte, war sie in seinen Augen mindestens die Großmeisterin des Feuers, auch wenn es diesen Posten an der Akademie seit Jahrhunderten nicht mehr gab.

      Barim sah erst von seiner Lektüre auf, als Thalids Robe neben ihm auf der Bank raschelte. Er verengte die Augen, schob das Kinn vor und lächelte breit, als er sie erkannte. »Da bist du ja. Ich dachte schon, du versetzt mich.« Er verzog seinen vollen Mund zu einem aufgesetzten Schmollen.

      »Nicht doch. Ich bin nur nicht pünktlich aus der Bibliothek rausgekommen und in den Straßen herrscht ein einziges Gedränge«, antwortete sie, während sie den Umhang von den Schultern streifte.

      »Wer kann es den Leuten verdenken?« Barim stieß ein lang gezogenes Seufzen aus. »Die Lichter an den Häusern müssen ein atemberaubender Anblick sein.«

      Thalid griff nach seiner Hand und drückte sie. So reich ihr Freund in mancher Hinsicht beschenkt worden war, stand es mit seinem Augenlicht nicht zum Besten. Schon seit er ein kleiner Junge war, konnte er nicht gut sehen und je älter er wurde, desto mehr verschwamm die Welt um ihn herum.

      An ihren finstereren Tagen glaubte Thalid sogar, dass Barim sich nur mit ihr abgab, weil er ihr plumpes, rundes Gesicht und ihre langweiligen braunen Haare nicht richtig erkennen konnte. Oder weil er sich selbst nie deutlich genug im Spiegel gesehen hatte, um zu begreifen, was für ein seltsames Paar sie abgaben. Er, ein blonder Lichtblick von einem Mann, der noch genügend Jungenhaftes an sich hatte, um reihenweise Herzen zu brechen, sie ein grobknochiges Weibsbild, dessen Nase mit jedem Jahr in die Länge zu wachsen schien. Er in der purpurnen Tunika und mit dem bunten Stirnband der lebhaften Priesterschaft der Ganija, sie in den blauen Roben der gestrengen Magier.

      »Vielleicht findet sich irgendwann ein Weg, den Schleier zu lüften.« Thalid wusste, dass sich Großmeister Weihenstetten intensiv mit verschiedenen Augenerkrankungen auseinandersetzte und in einigen Bereichen bereits Erfolge erzielt hatte. Sie tippte mit der freien Hand gegen das Buch auf dem Tisch. »Und zum Glück betrifft es ja nur die Ferne. Was direkt vor dir ist, siehst du doch immer noch klar, nicht wahr?«

      Barim nickte, aber es lag Sorge in seinem Blick. »Allerdings rückt die Ferne immer näher an mich heran. Ich kann das Bild meiner Göttin selbst dann nicht mehr klar erkennen, wenn ich direkt vor dem Opferstein stehe. Ich weiß nicht, ob ich es ertragen könnte, wenn die Buchstaben ebenfalls vor mir verschwimmen würden.«

      »Das werden sie nicht«, versicherte Thalid, obwohl sie wusste, dass sie auf Sand baute. Sie wusste nichts über die Ursachen von Barims Gebrechen und konnte daher unmöglich Versprechen abgeben. Aber sie hatte Venika und die anderen Magier bereits Unglaubliches vollbringen sehen. Da sollte es doch möglich sein, ihrem Freund zu helfen.

      »Für den Fall, dass es doch dazu kommt…« Barim griff nach dem Humpen, der in sicherer Entfernung zum Buch stand, »… sollten wir uns besser beeilen. Es gibt noch so viele Geschichten, die ich aufschreiben muss, und deine sind immer die schönsten.«

      Bei diesen Worten flatterte ihr Herz wild in ihrer Brust. Sie hegte jenseits inniger Freundschaft keinerlei Gefühle für Barim. Anflüge dieser Art hatte sie sich ganz am Anfang ihrer Bekanntschaft rigoros verboten. Doch sie reagierte auf die Bewunderung in seiner Stimme. Sie erinnerte Thalid daran, dass sie mehr als eine Novizin war, deren Kräfte mehr Gefahr als Segen waren.

      Sie war auch eine Oramba, die in jungen Jahren mit ihrer Sippe durch die Steppensee gezogen war und dabei stundenlang den Geschichten der Alten gelauscht hatte. Und sie hatte sich sie alle gemerkt, wie sie auch andere Worte – ob niedergeschrieben oder ihr böse ins Ohr geflüstert – niemals vergaß.

      An diesen Abenden, wenn sie mit Barim in der Schenke saß und der hastig die Feder über das Pergament fliegen ließ, um keines ihrer Worte zu versäumen, war sie eine Geschichtenerzählerin und das war nach ihrem Verständnis eine ehrenwerte Berufung.

      Kapitel 4

      Die Ruhe vor dem Sturm

      Die Höhle war ein Glücksfall. Obwohl sie so dicht am sprudelnden Flusslauf lag, dass das Wasser bis in den Eingangsbereich spritzte, war der hintere Bereich trocken, halbwegs sauber und unbewohnt. Zudem war es ihnen gelungen, ihre in Wachstuch eingeschlagenen Bündel trocken zu halten, sodass sie nicht auf nasse Decken und Kleidung zurückgreifen mussten. Geryim mochte sich nicht vorstellen, wie es ihnen sonst ergangen wäre.

      Sich die ausgekühlten Unterarme reibend, spähte er zur Decke hinauf. Dort oben zeigten sich Risse im Gestein, sodass sie es gewagt hatten, ein Feuer zu entzünden. Draußen war es längst dunkel und die nächste Ansiedlung zu weit entfernt, als dass man den Rauch hätte riechen können. Nur an Feuerholz mangelte es ihnen, sodass sie auf das dürftige Treibgut angewiesen waren, das sich am Ufer gesammelt hatte.

      Sothorn holte gerade Nachschub. Er hatte nur einen Blick auf Geryim geworfen und gemeint, dass er eindeutig mehr zitterte und deshalb in der Höhle bleiben und sich aufwärmen sollte. Die Hände über der kleinen Feuerstelle zu reiben, half jedoch nicht viel, die Kälte zu vertreiben. Sie waren stundenlang über schlüpfrige Felsen geklettert. Zwischendurch war ihnen nichts anderes übrig geblieben, als durch den Wasserfall hindurchzusteigen.

      Ohne Syv hätten sie ihr Ziel nicht erreicht. Er war es gewesen, der ihr Tau nach oben getragen und die Schlinge unter Geryims geistiger Führung über Baumstümpfe und Felsnasen geworfen hatte. Sie hatten nicht immer auf Anhieb Erfolg gehabt. Manchmal hatte sich das Tau gelöst, sobald Geryim und Sothorn es probeweise mit ihrem Gewicht belastet hatten. Dann hatte Syv von Neuem losfliegen müssen.

      Niemand hatte behauptet, dass ihre Aufgabe leicht werden würde. Zenja war in den vielen Hundert Jahren seit seiner Besiedlung nicht ein einziges Mal erobert worden. Das lag zum Teil daran, dass die Insel weitestgehend von einem natürlichen Schutzwall aus Gebirgsketten zu Land und scharfen Klippen zu Wasser umgeben war. Die wenigen Bereiche, in denen ein Zugriff vom Meer aus möglich gewesen wäre, hatten die Zenjaner mit Wachtürmen oder im Fall der Küstensiedlung mit hohen Mauern gesichert. Ein heimlicher Vormarsch auf die Insel mit anschließendem Überfall war daher unmöglich.

      Es sei denn, es fand sich ein verrückter Wargssolja, der zufällig mit einem großen Greifvogel verbunden und dadurch in der Lage war, den tosenden Wasserfall an der Südseite der Insel hinaufzuklettern. Er hatte jedoch dafür bezahlt, denn besagter Wasserfall hatte ihm so sehr die Kälte in die Knochen geprügelt, dass selbst sein inneres Tier halb erfroren war und davon abließ, ihm Scherereien zu machen.

      Der andere Grund, warum Zenja nie gefallen war, war gleichzeitig der, aus dem sie hier waren. Der Zenjanische Lotus hatte den Inselbewohnern lange Zeit als Kraftquelle gedient. Es hieß, sie würden ihn nur vor großen Schlachten trinken und hätten deshalb auch nicht mit dessen Sogwirkung zu kämpfen. Ob das der Wahrheit entsprach, wusste Geryim nicht. Nur, dass es ihm recht ironisch vorkam, eine Insel überfallen zu müssen, um ein Gift zu erobern, das die Bevölkerung eben dieser Insel unbesiegbar machte.

      Ein Schatten füllte den Eingang zur Höhle aus und verdichtete sich zu Sothorns Gestalt. Er hatte den Arm voller geborstener Zweige und ließ sie achtlos neben der Feuerstelle zu Boden fallen. Anschließend strich er sich die nassen Haare aus dem Gesicht und machte sich daran, die feuchtesten Teile der Rinde abzupellen.

      »Sonst raucht es so sehr, dass wir kaum noch atmen können«, murmelte er wohl in erster Linie an sich selbst gewandt.

      Wie so oft nutzte Geryim Sothorns Geschäftigkeit, um ihn unbemerkt zu betrachten. Im Feuerschein wirkte seine Haut fleckiger denn je, aber das machte ihn nicht weniger anziehend. Ganz im Gegenteil: Die unebenen Stellen verliehen ihm eine sichtbare Geschichte, von der Geryim inzwischen ein Teil geworden war.

      Er


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