Dombey und Sohn. Charles Dickens

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Dombey und Sohn - Charles Dickens


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von etlichen hundert Schritten hielten Gog und Magog ihren Hofstaat; die königliche Börse befand sich dicht in der Nähe, und auch die Bank von England mit ihren Gewölben voll Gold und Silber »drunten bei den Toten unter der Erde« war eine großartige Nachbarin. Gleich um die Ecke stand das reiche East India House, angefüllt mit Mustern von kostbaren Stoffen und Steinen, Tigern, Elefanten, Howdahs, Huhkahs, Sonnenschirmen, Palmbäumen, Palankins und prachtvollen Prinzen von brauner Farbe, die mit an den Zehen sehr aufwärts gedrehten Pantoffeln auf Teppichen saßen. Überall in der unmittelbaren Nachbarschaft konnte man Bilder von Schiffen sehen, die in voller Eile nach allen Teilen der Welt segelten – Ausstattungs-Magazine, die bereit waren, jedermann zu bedienen und in einer halben Stunde vollständig auszurüsten; auch fehlte es nicht an kleinen hölzernen Midshipmen in abgetragenen Flottenuniformen, die vor den Ladentüren der Verfertiger nautischer Instrumente Beobachtungen über die Mietkutschen machten.

      Der alleinige Herr und Eigentümer eines dieser Abbilder, das man im Vertrauen wohl als das hölzernste hätte bezeichnen können, – es trat nämlich, den rechten Fuß voran, mit ganz unerträglicher Anmut auf das Pflaster heraus, hatte Schuhschnallen und eine Pattenweste, die sich am allerwenigsten mit der menschlichen Vernunft in Einklang bringen ließen, und trug an seinem rechten Auge das anstößigste, unverhältnismäßigste Stück Maschinerie –, alleiniger Herr und Eigentümer dieses Midshipmans, der noch obendrein stolz auf ihn war, war ein ältlicher Gentleman in einer welschen Perücke, der seine Hausmiete, seine Taxen, Steuern und Gebühren schon mehr Jahre bezahlt hatte, als mancher ausgewachsene Midshipman von Fleisch und Blut in seinem Leben zählte, obschon es in der englischen Flotte nicht an Midshipmen fehlt, die ein hübsch grünes Alter auf dem Rücken tragen.

      Der Handelsvorrat dieses Gentlemans bestand aus Chronometern, Barometern, Kompassen, Land-, See- und Himmelskarten, Sextanten, Quadranten und Exemplaren von Instrumenten aller Art, die zur Ausarbeitung eines Schiffskurses, zur Führung der Gissung oder zur Verfolgung der Entdeckung eines Schiffes erforderlich sind. Gegenstände von Messing und Glas befanden sich in Schubladen oder auf Gesimsen, deren obere Seite wohl kein Uneingeweihter gefunden, oder deren Nutzen wohl niemand erraten haben würde; ja wer auch einmal Einsicht davon genommen hatte, konnte sicherlich nie wieder ohne Beistand in ihre Mahagoninester zurückkommen. Alles war in die knappsten Gehäuse eingezwängt in den engsten Ecken angebracht, hinten durch die ungebührlichsten Kissen verschanzt und in den schärfsten Winkeln eingeschraubt, um zu verhindern, daß die philosophische Ruhe nicht durch das Rollen der See gestört werde. Diese außerordentlichen Vorsichtsmaßregeln hatten allenthalben den Zweck der Raumersparnis und der gedrängten Aufbewahrung; auch war in jedem Behälter – mochte dieser nun aus einem einfachen Schalbrett bestehen, wie es bei einigen, oder aus einem Mittelding zwischen einem Eckenhut und einem Sternfisch, wie es bei andern der Fall war (und diese gehörten in Vergleichung mit den übrigen zu den ganz milden und bescheidenen Schachteln) – so viel von der praktischen Schiffsmannskunst eingezwängt, daß sich der Laden, der die allgemeine Ansteckung teilte, fast wie ein knappes, seefertiges Schiff ausnahm, dem es für den Fall eines unerwarteten Vom-Stapel-Gehens nur an gutem Seeraum fehlte, um seinen Weg sicher und nach jeder wüsten Insel in der Welt zu finden.

      Aus dieser Liebhaberei fanden viele kleinere Vorfälle in dem häuslichen Leben des Schiffsinstrumentenmachers, der auf seinen kleinen Midshipman so stolz war, Vorschub und Unterstützung. Da er seine Bekanntschaft hauptsächlich unter den Schiffslieferanten usw. hatte, so war sein Tisch stets reichlich mit echtem Schiffszwieback besetzt; auch verrieten die Zungen, Schinken, Speckschwarten und dergleichen einen ganz außerordentlichen Geruch nach Schiffstauen. Ferner zeigten sich auf seiner Tafel große Krüge mit Eingepökeltem, die die Firmen von Schiffsproviantierern aller Art zur Schau trugen; auch wurden die geistigen Getränke in massigen Flaschen ohne Hals aufgetragen. An den Wänden hingen eingerahmte alte Kupferstiche von Schiffen mit alphabetischem Verzeichnis für ihre verschiedenen Geheimnisse; auf dem Zinngeschirr sah man die Tatar-Fregatte unter Segel; ausländische Muscheln, Seegräser und Seemoose zierten den Kaminsims, und das kleine vertäfelte Hinterstübchen war gleich einer Kajüte durch ein Oberlicht erhellt.

      Hier wohnte er nun nach Seemannsart allein mit seinem Neffen Walter, einem Knaben von vierzehn Jahren, der eben genug wie ein Midshipman aussah, um der vorherrschenden Idee des Alten zur Unterstützung zu dienen. Hiermit war es übrigens zu Ende, denn Solomon Gills selbst, den man allgemein den alten Sol nannte, hatte durchaus kein seemännisches Aussehen. Abgesehen von der welschen Perücke, die eine so einfache und rauhborstige Perücke war, wie nur je eine getragen wurde, und in der er nicht die geringste Ähnlichkeit mit einem Seeräuber hatte, war er ein langsamer, bedächtiger alter Knabe, mit so roten Augen, als wären sie ein Paar kleine Sonnen, die durch einen Nebel blickten. Eine seltsame Art das, und man konnte dabei auf den Gedanken kommen, er habe sie sich dadurch angeeignet, daß er drei oder vier Tage lang der Reihe nach durch jedes optische Instrument seines Ladens guckte und dann plötzlich wieder auf die Welt zurück, um nun zu finden, daß sie grün sei. Die einzige Veränderung, die man je an seinem äußeren Menschen wahrnahm, war ein vollständiger kaffeebrauner Anzug von sehr eckigem Schnitt, mit grell blinkenden Knöpfen, und dasselbe Kaffeebraun mit Ausnahme der Unaussprechlichen, die in letzterem Falle aus blassem Nanking bestanden. Er trug einen sehr sorgfältig gefalteten Busenstreifen, eine Brille bester Qualität auf seiner Stirne und einen ungeheuren Chronometer in seiner Uhrtasche – ein Instrument, auf welches er so große Stücke hielt, daß er eher geglaubt hätte, alle Turm- und Taschenuhren der Stadt, ja sogar die Sonne selbst stünden gegen sein Kleinod in Verschwörung, ehe er demselben einen Irrtum zugetraut hätte. So war nun dieser Mann, und war Jahr um Jahr so in der Werkstätte und dem Wohnstübchen hinter dem kleinen Midshipman gewesen; auch pflegte er sich regelmäßig jede Nacht nach einem luftigen Dachstübchen zurückzuziehen, welches so weit entfernt war von den übrigen Hausbewohnern, daß es daselbst oft in grobem Geschütz blies, wenn die Gentlemen von England, die gemächlich weiter unten lebten, nur eine geringe oder gar keine Ahnung von dem Zustande des Wetters hatten.

      Es ist ein Herbstabend, ungefähr halb sechs Uhr, da der Leser mit Solomon Gills bekannt wird. Solomon ist eben im Begriffe, seinen unanfechtbaren Chronometer zu Rate zu ziehen. Schon vor einer Stunde oder mehr hat die gewöhnliche tägliche Räumung der City stattgefunden, und die menschliche Flut rollt noch immer gen Westen. Die Straßen haben sich sehr gelichtet, wie Mr. Gills zu sagen pflegt. Die Nacht droht mit Regenwetter. Alle Barometer in dem Laden sind kleinmütig, und auf dem Eckenhut des hölzernen Midshipmans lassen sich bereits Tropfen erkennen.

      »Möchte nur wissen, wo Walter ist«, sagte Solomon Gills, nachdem er seine Uhr sorgfältig wieder verwahrt hatte. »Das Essen ist schon eine halbe Stunde bereit und immer noch kein Walter.«

      Er drehte sich auf seinem Stuhle hinter dem Werktisch und schaute durch die Instrumente hinter dem Fenster hinaus, um zu sehen, ob sein Neffe nicht über die Straße komme. Nein. Er war nicht unter den auftauchenden Schirmen, und sicherlich durfte er ihn nicht in dem Zeitungsjungen mit der Wachstuchkappe suchen, der sich langsam an dem Messingschild außen weiter arbeitete und die Gelegenheit benutzte, um mit dem Zeigefinger seinen Namen über Mister Gills' Namen zu schreiben.

      »Wenn ich nicht wüßte, daß er mich zu sehr liebt, um auszureißen und gegen meine Wünsche an Bord eines Schiffs zu gehen, so müßte ich wohl unruhig werden«, sagte Mr. Gills, indem er mit seinen Fingerknöcheln an zwei oder drei Wettergläser klopfte. »Ja, das müßte ich wahrhaftig.«

      »Alle drunten, he? Es gibt viel Feuchtigkeit! Nun ja, man hat's brauchen können.«

      »Ich glaube«, fuhr Mr. Gills fort, und blies den Staub von dem Deckelglase eines Kompasses, »du zeigst nicht richtiger und unmittelbarer nach dem hintern Wohnstübchen, als sich der Knabe dahin gezogen fühlt. Und das Wohnstübchen könnte gleichfalls nicht besser liegen. Genau nach Norden. Nicht den zwanzigsten Teil eines Striches Abweichung.«

      »Holla, Onkel Sol!«

      »Holla! mein Junge!« rief der Instrumentenmacher, indem er sich rasch umwandte. »Wie, du bist wirklich da?«

      Ein fröhlich aussehender heiterer Junge, frisch vom Nachhauserennen im Regen – ein hübsches Gesicht, glänzende Augen und krause Haare.

      »Nun, Onkel, wie seid Ihr heute den ganzen Tag zurechtgekommen ohne mich? Ist das Essen


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