David Copperfield. Charles Dickens

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David Copperfield - Charles Dickens


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Va­ter lie­ben und ihm ge­hor­sam sein.

      Sie tat das so has­tig und ge­heim­nis­voll, als ob es ein Un­recht wäre, aber mit großer Zärt­lich­keit. Dann zog sie mich hin­ter sich her in den Gar­ten, wo er stand. Dort ließ sie mich wie­der los und leg­te ih­ren Arm in den sei­nen.

      Miss Murd­sto­ne war an­ge­kom­men, eine fins­ter aus­se­hen­de Dame, schwarz wie ihr Bru­der, dem sie in Ge­sicht und Stim­me sehr glich. Sie hat­te star­ke, bu­schi­ge Au­gen­brau­en, die über ih­rer großen Nase fast zu­sam­mens­tie­ßen, als woll­ten sie den Ba­cken­bart er­set­zen, den ihr Ge­schlecht ihr ver­sagt hat­te.

      Sie brach­te ein paar un­nach­gie­bi­ge, schwar­ze Kof­fer mit, auf de­ren De­ckeln mit har­ten Mes­singnä­geln ihr Mo­no­gramm stand. Um den Kut­scher zu be­zah­len, hol­te sie ihr Geld aus ei­ner har­ten, stäh­ler­nen Bör­se. Sie trug die Bör­se in ei­nem wah­ren Ker­ker von Strick­beu­tel, der ihr an ei­ner schwe­ren Ket­te am Arm hing und wie ein Ge­biss schloss. Ich hat­te bis da­hin noch nie eine so durch und durch me­tal­li­sche Dame ge­se­hen wie Miss Murd­sto­ne.

      Sie wur­de mit vie­len Zei­chen des Will­kom­mens in die Stu­be ge­führt, und dort er­kann­te mei­ne Mut­ter sie in al­ler Form als neue nahe Ver­wand­te an.

      Dann blick­te mich Miss Murd­sto­ne an und sag­te:

      »Ist das dein Jun­ge, Schwä­ge­rin?«

      Mei­ne Mut­ter be­jah­te.

      »Im All­ge­mei­nen«, sag­te Miss Murd­sto­ne, »kann ich Jun­gen nicht lei­den. Wie gehts dir, Jun­ge?«

      Un­ter die­sen er­mu­ti­gen­den Um­stän­den ant­wor­te­te ich, dass es mir gut gin­ge und ich das­sel­be von ihr hoff­te, aber mit so we­nig Wär­me, dass Miss Murd­sto­ne mich mit den zwei Wor­ten ab­fer­tig­te:

      »Kei­ne Ma­nie­ren.«

      Nach­dem sie dies mit großer Be­stimmt­heit aus­ge­spro­chen, wünsch­te sie auf ihr Zim­mer ge­führt zu wer­den, das von der Zeit an für mich zu ei­nem Ort des Grau­ens und der Furcht wur­de, weil die bei­den schwar­zen Kof­fer stets ver­schlos­sen dort stan­den und eine Men­ge klei­ner Stahl­fes­seln und Kett­chen, mit de­nen sich Miss Murd­sto­ne zu ver­schö­nern pfleg­te, in furcht­ge­bie­ten­den Rei­hen über dem Spie­gel hin­gen.

      So viel ich her­aus­be­kom­men konn­te, war sie in der Ab­sicht ge­kom­men, Gu­tes zu stif­ten, und sie trug sich nicht mit dem Ge­dan­ken, je­mals wie­der weg­zu­ge­hen. Schon am nächs­ten Mor­gen fing sie an, mei­ner Mut­ter zu »hel­fen«, und ging den gan­zen Tag in der Vor­rats­kam­mer aus und ein, um al­les zu­recht­zu­set­zen und die alte Ord­nung um­zu­stür­zen.

      Ihre her­vor­ste­chends­te Ei­gen­schaft schi­en mir die zu sein, dass sie be­stän­dig arg­wöhn­te, die Dienst­mäd­chen hiel­ten ir­gend­wo im Hau­se einen Mann ver­bor­gen. Von die­sem Wahn be­ses­sen, tauch­te sie zu den un­ge­wöhn­lichs­ten Zei­ten in den Koh­len­kel­ler und öff­ne­te fast nie die Tür dunk­ler Schrän­ke, ohne sie zu­gleich wie­der zu­zu­schla­gen, im Glau­ben, dass sie »ihn« er­wi­scht hät­te.

      Ob­gleich durch­aus nichts Lus­ti­ges sonst an Miss Murd­sto­ne war, glich sie doch in punc­to Früh­auf­ste­hen ei­ner Ler­che. Sie war auf den Bei­nen, wie ich heu­te noch glau­be, um nach dem Mann zu su­chen, ehe sich noch ir­gen­det­was im Hau­se reg­te. Peg­got­ty hul­dig­te der An­sicht, dass sie stets nur mit ei­nem Auge schlie­fe. Ich konn­te mich die­sem Glau­ben nicht an­schlie­ßen, seit ich selbst ver­sucht und her­aus­ge­fun­den hat­te, dass so et­was nicht mög­lich ist.

      Schon am ers­ten Mor­gen nach ih­rer An­kunft stand sie früh auf und klin­gel­te beim ers­ten Hah­nen­schrei. Als mei­ne Mut­ter zum Früh­stück her­un­ter­kam, gab ihr Miss Murd­sto­ne eine Art Schna­bel­hieb auf die Wan­ge – das war bei ihr die kus­s­ähn­li­che Be­we­gung – und sag­te: »Nun, lie­be Kla­ra, du weißt, ich bin her­ge­kom­men, um dir al­les ab­zu­neh­men. Du bist viel zu hübsch und ge­dan­ken­los«, – mei­ne Mut­ter er­rö­te­te, lach­te aber und schi­en die­se Cha­rak­te­ri­sie­rung nicht übel zu neh­men – »als dass dir Pf­lich­ten auf­er­legt wer­den dür­fen, die ich er­fül­len kann. Wenn du so gut sein willst, mir die Schlüs­sel zu über­ge­ben, mei­ne Lie­be, so will ich al­les das in Zu­kunft sel­ber be­sor­gen.«

      Von die­ser Zeit an be­hielt Miss Murd­sto­ne die Schlüs­sel den Tag über in ih­rem Beu­tel und die Nacht über un­ter ih­rem Kopf­kis­sen; mei­ne Mut­ter hat­te nicht mehr da­mit zu tun als ich selbst.

      Mei­ne Mut­ter ließ sich ihre Herr­schaft nicht rau­ben, ohne vor­her einen lei­sen Ver­such von Wi­der­stand zu ma­chen. Ei­nes Abends, als Miss Murd­sto­ne ih­rem Bru­der ge­wis­se Haus­hal­tungs­plä­ne ent­wi­ckelt hat­te und er sei­ne Zu­stim­mung gab, fing mei­ne Mut­ter plötz­lich an zu wei­nen und sag­te, man hät­te sie doch wohl auch zu Rate zie­hen kön­nen.

      »Kla­ra«, sag­te Mr. Murd­sto­ne streng, »Kla­ra, ich bin er­staunt über dich!«

      »Du hast gut von er­staunt sein spre­chen, Ed­ward«, rief mei­ne Mut­ter, »und von Fes­tig­keit, aber das wür­dest du dir auch nicht ge­fal­len las­sen.«

      Fes­tig­keit, muss ich be­mer­ken, war die große Ei­gen­schaft, auf der bei­de, Mr. und Miss Murd­sto­ne, fuß­ten. Ich weiß nicht, wel­chen Na­men ich da­mals da­für ge­wählt hät­te, aber ich be­griff ge­nau, dass es nur eine an­de­re Be­zeich­nung für Ty­ran­nei war und für eine ge­wis­se fins­te­re, an­ma­ßen­de, teuf­li­sche Lau­ne, die in den bei­den steck­te. Das Glau­bens­be­kennt­nis, wür­de ich jetzt mich aus­drücken, Mr. Murd­sto­nes lau­te­te: Ich bin fest, nie­mand soll in der Welt so fest sein wie ich, nie­mand über­haupt fest, und al­les soll sich vor mei­ner Fes­tig­keit beu­gen. Miss Murd­sto­ne war die eine Aus­nah­me. Sie durf­te fest sein, aber nur aus ver­wandt­schaft­li­chen Rück­sich­ten und in ei­nem un­ter­ge­ord­ne­ten und tri­but­pflich­ti­gen Grad. Mei­ne Mut­ter war die zwei­te Aus­nah­me. Sie konn­te und durf­te fest sein und muss­te es, aber nur im Er­tra­gen der Fes­tig­keit der bei­den an­de­ren.

      »Es ist sehr hart«, sag­te mei­ne Mut­ter, »dass ich in mei­nem eig­nen Haus –«

      »In mei­nem eig­nen Hau­se?!« wie­der­hol­te Mr. Murd­sto­ne. »Kla­ra!«

      »Un­serm eig­nen Hau­se, mei­ne ich«, stot­ter­te mei­ne Mut­ter ganz er­schro­cken, – »ich hof­fe, du weißt, was ich mei­ne, Ed­ward, es ist sehr hart, dass ich in dei­nem eig­nen Hau­se nicht ein Wort über häus­li­che An­ge­le­gen­hei­ten sa­gen darf. Ich habe si­cher sehr gut haus­ge­hal­ten, ehe wir hei­ra­te­ten. Ich habe Be­wei­se«, setz­te sie schluch­zend hin­zu. »Frag nur Peg­got­ty, ob es nicht recht gut ging, als man mir nicht drein­re­de­te.«

      »Ed­ward«, sag­te Miss Murd­sto­ne, »ma­chen wir der Sa­che ein Ende. Ich rei­se mor­gen ab!«

      »Jane Murd­sto­ne!« don­ner­te Mr. Murd­sto­ne, »wirst du schwei­gen! Was un­ter­stehst du dich!«

      Miss Murd­sto­ne zog ihr Ta­schen­tuch aus dem Ker­ker und hielt es vor die Au­gen.

      »Kla­ra«, fuhr er fort, »du set­zest mich in Er­stau­nen! Ja. Ich fand Be­frie­di­gung in dem Ge­dan­ken, eine un­er­fah­re­ne und harm­lo­se Per­son zu hei­ra­ten und ih­ren Cha­rak­ter zu bil­den und ihr et­was von der Fes­tig­keit und Ent­schie­den­heit zu ge­ben, die ihr feh­len. Aber wenn Jane Murd­sto­ne so gü­tig


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