Verfluchtes Drachenherz. Inka Loreen Minden
Читать онлайн книгу.besaß er in seinen riesigen Safes im Keller auch noch Gold, Edelsteine und Artefakte seiner Vorfahren. Es wurde immer schwerer, diese Wertsachen zu Geld zu machen. Zwar gab es in der magischen Welt einige Zwischenhändler, aber mit denen wollte er nichts mehr zu tun haben …
»Sie haben schon lange keine Frau mehr hergebracht«, unterbrach Baxter seine Gedanken. »Miss Ravenwood scheint sehr nett zu sein.« Ein seliges Lächeln breitete sich auf seinem jungen Gesicht aus. Bestimmt dachte er daran, wie Fay ihn gestreichelt hatte.
»Was macht sie gerade?«
»Sie sitzt immer noch in der Bibliothek und durchforstet den Computer. Sie sucht überwiegend nach Büchern über Drachen und Gargoyles. Finden Sie das nicht seltsam?«
Baxter besaß in seiner Eichhörnchengestalt außergewöhnlich scharfe Augen und konnte selbst durch die Scheibe hindurch noch entfernte Details erkennen.
»Sie ist Reporterin und aus London hergekommen, weil sie einen Artikel über die Drachenlegende schreiben soll. Sie hat mich schon darüber ausgefragt, aber natürlich habe ich ihr bloß die halbe Wahrheit erzählt.« Jetzt war er ganz froh, dass sie nur Zugriff auf alle Bücher »ihrer Welt« hatte. Die gesamte magische Literatur war in einem versteckten Verzeichnis aufgelistet, für das man zusätzlich ein Passwort benötigte und das selbst ein Suchzauber nicht offenbarte. Die dazugehörigen Bücher fanden sich in den oberen Regalen. Ohne Leiter würde sie nicht an diese herankommen. Wenn Fay diese Sammlung entdeckte, würde sie sicher weitere, neugierige Fragen stellen.
»Behalte sie im Auge, Baxter«, befahl Loan seinem Butler und Mann für alles.
»Mit Vergnügen, Herr!« Schon stieß er sich vom Sims ab, landete draußen auf dem Boden und lief nackt und in seiner Menschengestalt davon.
Loan grinste. Hoffentlich vergaß er nicht, sich zu wandeln, bevor Fay ihn sah. Außerdem wollte Loan ihm noch hinterherrufen: Sei nicht so zutraulich! Aber er brachte es nicht übers Herz. Baxter war wahrscheinlich einer der letzten Eichhörnchen-Wandler der Welt, genau wie er der Letzte seiner Art war. Zumindest hatten sie bisher keine weiteren Eichhörnchen-Wandler oder Donnertrommler getroffen. Loan hatte Baxter verletzt auf dem ehemaligen Grundstück seines Vaters gefunden, als Dämonen die ganze Familie des Jungen ausgelöscht hatten – wegen einer Hexe! Das war noch in seiner früheren Heimat Amerika gewesen, und er hatte heute noch riesige Schuldgefühle deswegen, obwohl er nicht direkt selbst für all das Leid verantwortlich gewesen war.
Auch als er Baxter gesund gepflegt und mit nach England genommen hatte, war die Last auf seinen Schultern nicht geringer geworden. Loan hatte Baxter ein sorgenfreies, sicheres Leben versprochen, in dem es ihm an nichts mangeln sollte. Doch der Junge wollte keine Almosen und war dankbar für den Job.
Verdammte Dämonen, verdammte Hexen, verdammter Fluch! Diesen schwarzmagischen Zauber, der auf ihm lastete, durfte er besonders heute nicht vergessen! Loan sorgte sonst penibel dafür, die Frauen niemals über Nacht dazubehalten. Denn dann mutierte er zu einer Bestie, ob er wollte, oder nicht. Um in seinem verwandelten Zustand niemanden zu verletzen, traf er stets Vorsorge und fesselte sich in einem alten Verlies an die Wand. Von allein konnte er sich dort nicht befreien, egal was passierte.
Loan würde alles tun, um Fay vor seinem Untier zu schützen und sie in absoluter Sicherheit zu wissen. Baxter musste unbedingt ein Auge auf sie haben, solange er selbst als fauchende Bestie tief unterhalb seines Anwesens in Ketten lag.
Loan hatte allen Angestellten außer seinem Butler – der natürlich Bescheid wusste – für den Rest des Tages und morgen freigegeben. Sie waren erfreut nach Hause gefahren, und seine Köchin Mrs Crumb, die mit ihrem Mann in einer kleinen Dienstwohnung unter der Garage lebte, nutzte die unerwartete Freizeit, um mit ihrem Gatten Freunde zu besuchen. Ansonsten hätte er ihnen befehlen müssen, sich nicht blicken zu lassen. Ihr Aussehen würde bei Fay vielleicht Fragen aufwerfen. Aber Loan musste langsam vorgehen, sie Stück für Stück in seine Welt holen, damit sie nicht den Schock ihres Lebens bekam und schreiend davonlief, sobald sie erfuhr, wer oder was er wirklich war und … dass es auf dieser Welt tatsächlich noch Drachen, Zwerge und andere Wesen gab.
Kapitel 6 – Viel Appetit
Fay hatte mittlerweile seit gefühlten Stunden alle möglichen Suchbegriffe in den Computer getippt, doch der warf einfach keine passenden Titel aus; hier schien es absolut kein Buch über Drachen, Gargoyles oder sonstige magische Geschöpfe zu geben.
Fay hob den Kopf und blickte auf die unzähligen Reihen an Büchern, die sich bis unter die Decke stapelten. Irgendwie schienen hier mehr Bände herumzustehen, als in der Datenbank angezeigt wurden. Ob Loan wirklich alle eingetragen hatte? Fay wüsste zu gerne, warum sie in ihrer Vision diese Bibliothek gesehen hatte.
Sie hatte das unbestimmte Gefühl, auf Loans Anwesen bei ihrer Suche nach dem verschwundenen Tagebuch Antworten zu finden oder zumindest der Lösung um das Rätsel des Steinfluches näherzukommen. Ihre Hexengene spürten regelrecht, dass es hier Informationen zu mindestens einem ihrer Probleme geben musste.
Fay stand auf und blickte sich um. Warum gab es hier keine Leiter? Wie kam denn Loan an die oberen Regale heran?
Immer wenn Fay dort hoch blickte, glaubte sie, magische Impulse wahrzunehmen, die von einigen Büchern ausgingen. Deshalb war sie ständig versucht, einen Schwebezauber anzuwenden oder ein Buch mit dem Magnetzauber – den sie leider nicht sehr gut beherrschte – zu ihr heruntersegeln zu lassen. Doch was, wenn Loan plötzlich hereinplatzte und sie oder eines der Bücher durch die Luft fliegen sah? Himmel, nein, er würde durchdrehen! Und ihre zukünftige heiße Bettnummer würde sich in Luft auflösen.
Natürlich könnte sie mit einem weiteren Zauber die Tür verriegeln und mit einem dritten Spruch dafür sorgen, dass sie niemand bei einem Blick durchs Fenster sehen könnte. Aber jegliche Ausübung von Magie kostete immer ihren Preis, meist in Form von Energie. Fay hatte seit heute Morgen nichts mehr gegessen und würde es niemals schaffen, gleich drei Zauber auf einmal aufrecht zu erhalten. Vielleicht könnte sie heute Nacht, wenn Loan schlief, erneut hierher kommen, um sich genauer umzusehen.
Kaum hatte sie das beschlossen, ging die Tür auf und Loan schritt herein. Er hatte sich umgezogen, trug ausgewaschene Jeans, die ihm tief auf den Hüften saßen, graue Sneaker sowie ein einfaches weißes T-Shirt. Eng spannte sich der Stoff um seinen muskulösen Oberkörper. Verdammt, sah der Kerl mal wieder lecker aus!
»Na, wie findest du meine Bibliothek?«, fragte er verwegen lächelnd.
»Beeindruckend«, antwortete sie rau und schaffte es nicht, den Blick von ihm abzuwenden. Der Mann konnte einfach alles tragen.
»Möchtest du etwas essen?«
»Unbedingt!« Sie hatte gar nicht bemerkt, wie spät es bereits geworden war. Die Sonne versteckte sich schon hinter den Baumwipfeln, es musste früher Abend sein.
»Gehen wir in die Küche«, sagte er und hielt ihr die Tür auf. »Dort ist es gemütlicher.«
Sie hätte erwartet, in einem Rittersaal zu essen, stattdessen führte er sie tatsächlich in die große und modern eingerichtete Küche. Der Boden war mit glänzenden, dunklen Holzdielen ausgelegt; dazu passte die weiß gestrichene Küchenzeile mit diversen Elementen aus Edelmetall hervorragend. Blickfang waren die riesige Absauge aus Kupfer und die Pfannen, die über dem Ofen an der Wand hingen. In unzähligen Regalen reihten sich allerlei Töpfchen aneinander, die wahrscheinlich Salz und andere Gewürze enthielten, alles wirkte urig und doch zeitgemäß.
Fay staunte nicht schlecht, als Loan sie zu einem ausladenden Holztisch bat. Doch der fesselte nicht ihren Blick, sondern die restlichen Möbelstücke. Wirklich jeder Schrank, jedes Regal, hing ungewöhnlich tief oder war über eine Leiter zu erreichen – aha, hier befanden sie sich also alle – und der ganze Raum sah aus, als wäre er für ein Kind gebaut worden! Die Geräte waren zwar alle normal groß, standen aber auf dem Boden oder niedrigen Podesten. Selbst die Arbeitsplatte war so tief, dass sie Fay gerade einmal bis zu den Oberschenkeln reichte!
»Warum ist hier alles so … anders?«, fragte sie verwundert, als Loan sie auf