Verfluchtes Drachenherz. Inka Loreen Minden

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Verfluchtes Drachenherz - Inka Loreen Minden


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Nebengebäude zu, bei dem sich automatisch ein doppelflügeliges Tor öffnete. Anschließend fuhr er hinein, und sie folgte ihm mit ihrem Mini in eine gigantische Garage, in der fünf weitere Luxusfahrzeuge parkten. Die gehörten garantiert nicht seinem Butler! Fay kannte gar nicht alle Marken, nur der dunkelgrüne Jaguar und der anthrazitfarbene Aston Martin stachen ihr sofort ins Auge. Aber es gab nicht nur Autos, sondern auch jede Menge Fahrräder, und auf die Schnelle entdeckte sie noch vier Motorräder.

      Hier standen sicher mehrere Millionen Pfund herum!

      Nachdem sie eine freie Lücke gefunden hatte und ausgestiegen war, kam Loan zu ihr ans Auto, und sie fragte verblüfft: »Sind Sie ein Adliger oder so was?«

      »Kein Adliger. Eher oder so was«, antwortete er grinsend, während er den Kofferraum öffnete und gentlemanlike ihren Trolley herausholte. »Willkommen auf Balour Castle.«

      Als sie die Garage verließen und über einen Kiesweg auf das Burgschloss zuschritten, staunte Fay unentwegt, als wäre sie in einer Parallelwelt gelandet. Die Steinchen knirschten unter ihren Sohlen und sie wusste gar nicht, wohin sie zuerst blicken sollte. Hier sah einfach alles wunderschön aus! Vögel flatterten über das Gebäude und ließen sich auf den spitzen Türmchen nieder, die sich in den tiefblauen Himmel streckten und beinahe eine weiße Wattebauschwolke aufspießten. Es roch nach gemähtem Gras und frischer Waldluft, und die ganze Anlage lud zu einem Spaziergang ein. Herrlich!

      Fay drehte sich ein Mal im Kreis. »Wow, ich hätte auch Immobilienmakler werden sollen.«

      »Ich gestehe«, sagte er frech grinsend, »dass ich den größten Teil des Vermögens geerbt habe.«

      »Ihre Eltern leben nicht mehr?«, fragte Fay, und als er den Kopf schüttelte und sie glaubte, kurz einen Schatten über sein Gesicht huschen zu sehen, setzte sie schnell hinzu: »Es tut mir leid.«

      »Das ist der Lauf des Lebens«, murmelte er und lächelte sie an. »Ist Reporterin nicht Ihr Wunschberuf?«

      »Auf keinen Fall!« Sie meinte natürlich ihre Ausbildung zur Wissenschaftlerin. Fay war nur in die Fußstapfen ihrer Eltern getreten, um sie stolz zu machen. Zwar war der Job alles andere als langweilig, aber könnte sie noch einmal ganz von vorne anfangen …

      »Was würden Sie gerne tun?«, unterbrach Loan ihre Gedanken.

      »Lachen Sie jetzt nicht, aber mein Traum war es schon immer, eine eigene Pension zu leiten und Gäste zu bewirten.«

      Er schenkte ihr einen intensiven, aber auch überraschten Blick. Sein Mund öffnete sich kurz, als wollte er ihr etwas sagen, doch dann schloss er ihn wieder. Erst ein paar Sekunden später fragte er: »Und warum haben Sie Ihren Traum nie verwirklicht?«

      Sie seufzte leise. »Es kommt eben meist alles anders, als geplant.« Während ihre Eltern ständig die Welt bereisten – natürlich zu beruflichen Zwecken –, hielt es Fay eher an einem Ort. Loan hatte recht behalten, als er gesagt hatte: »Niemand wohnt schöner als ich. Sie wollen sicher nicht mehr gehen.«

      Fay wollte am liebsten jetzt schon nie wieder zurück nach London fahren. »Wie sind Sie zu diesem traumhaften Anwesen gekommen? Und ist das jetzt eine Burg oder ein Schloss?«

      Natürlich kannte Fay als Historikerin den Unterschied. Doch sie durfte sich nicht verraten, schließlich hielt Loan sie für eine Reporterin und könnte hellhörig werden, wenn sie mit ihrem Fachwissen um sich warf. Eine Burg war ein Wehrbau und besaß dickere Mauern, denn sie wurde einst errichtet, um Angriffen standzuhalten, während ein Schloss überwiegend einem Herrscher oder Adligen als Wohnsitz diente und dessen Reichtum zur Schau stellen sollte.

      Loan zwinkerte. »Eigentlich ist es beides. Im 14. Jahrhundert wurde es als Burg konstruiert, die im 17. Jahrhundert umgebaut wurde und im 20. Jahrhundert ein Hotel war. Ich habe das Anwesen einem Hotelunternehmen abgekauft, für den der Unterhalt in dieser Gegend nicht rentabel war, und es renovieren lassen. Es hat achtundzwanzig Gästezimmer, vier Suiten, zwei Speisesäle, einen Spa-Bereich mit Schwimmbecken, einen Weinkeller, die Bibliothek, mein Büro und meine Wohnung.«

      »Sehr beeindruckend«, wisperte sie ehrfurchtsvoll. Sie liebte alte und geheimnisvolle Gebäude! Sicher gab es auf Balour Castle einige versteckte oder zugemauerte Passagen.

      Fay war neugierig, wann genau Loan das Schloss gekauft hatte und ob er vielleicht früher in Amerika gelebt hatte. Sein Akzent drang immer deutlicher durch. Aber sie wollte einerseits nicht indiskret sein und andererseits befürchtete sie, er könnte ihr ebenfalls Fragen stellen. Noch konnte sie meistens ausweichen, doch je länger sie ihn kannte, desto weniger wollte sie ihn anlügen. Ob sie ihm einfach die Wahrheit sagen sollte?

      Hallo Loan, ich heiße zwar Fay Ravenwood, bin aber in echt keine Reporterin, sondern eine Hexe, die auf der Suche nach einem Buch ist, das mir wahrscheinlich Dämonen gestohlen haben …

      Himmel, bloß nicht! Er würde sie für völlig verrückt halten, und somit hätte sich ihr heißes Stelldichein erledigt. Auch wenn bisher jede ihrer Zukunftserinnerungen eingetroffen war, wollte sie mit Loan nichts riskieren. Allein dass er neben ihr herlief, machte sie ganz wuschig! Er wirkte groß, stark und unglaublich sexy auf sie. Zudem fühlte es sich für Fay an, als würde er eine alte, mächtige und sehr dominante Präsenz ausstrahlen, obwohl er sich ihr gegenüber zuvorkommend und kein bisschen machohaft zeigte. Auch schien ihm sein Reichtum nicht zu Kopf gestiegen zu sein. Ständig musste sie sich zwingen, ihn nicht die ganze Zeit anzustarren. Zum Glück machte es ihr die wunderschöne Umgebung leicht.

      Er trug immer noch lässig ihren kleinen Koffer, als würde er nichts wiegen, während sie die wenigen Stufen zu einem erkerähnlichen Vorbau hinaufschritten. Die Treppe wurde von Säulen flankiert und endete vor einer Doppelholztür mit vergitterten Fenstern. Links und rechts standen gußeiserne Lampen, die aus dem letzten Jahrhundert stammen könnten und jetzt natürlich nicht beleuchtet waren. Dieselben Lampen säumten auch die Wege rund ums Anwesen.

      Als sich die große Doppeltür mit einem leisen Summen wie von Geisterhand öffnete, erwartete sie, auf einen alten, halb verschrumpelten Butler zu treffen. Stattdessen trat ein junger Mann heraus, der sein kurzes rotbraunes Haar unter einer Kappe versteckte. Er trug eine weinrote Livree, war höchstens achtzehn, dünn wie ein Stock und sogar noch ein wenig kleiner als Fay – und das mochte bei ihren ein Metern und achtundfünfzig Zentimetern schon was heißen. Ein paar Sommersprossen verteilten sich um seine Stupsnase, doch am auffälligsten waren seine dunklen, fast schon schwarzen Augen.

      »Das ist mein Butler«, erklärte ihr Loan.

      »Francis Baxter«, sagte der junge Mann und deutete eine leichte Verbeugung an. »Zu Ihren Diensten, Miss Ravenwood.«

      Loan hatte tatsächlich einen Angestellten, der ihm die Tür öffnete? Na klar, was hatte sie von jemandem erwartet, der ein Schloss besaß? Und Mr Baxter kannte sogar ihren Namen! Den musste Loan ihm verraten haben, während er telefoniert hatte.

      Als Fay lächelnd erwiderte: »Sehr erfreut, Mr Baxter«, strahlte der junge Mann regelrecht und offenbarte ihr zwei leicht hervorstehende, verlängerte obere Schneidezähne, die sie an einen Biber erinnerten. Irgendwie sah der Junge süß aus.

      »Darf ich Ihnen das Gepäck abnehmen, Sir?«, fragte er Loan, aber der ließ ihren Koffer nicht los, sondern sagte stattdessen: »Ich werde Miss Ravenwood selbst auf ihr Zimmer bringen.«

      Mr Baxter – Fay beschloss, ihn wegen seines jungen Alters in Gedanken lieber Francis zu nennen – ließ sich nicht anmerken, ob er deswegen beleidigt war. In einem neutralen Tonfall sagte er: »Wie Sie wünschen, Sir.«

      Nachdem sie an ihm vorbeigegangen waren, drückte er auf einen Schalter an der Wand, und die großen Türen schlossen sich hinter ihnen.

      Fay betrat eine kleine, hellgrau geflieste Eingangshalle, die sie wirklich ein wenig an ein Hotel erinnerte. Mittendrin stand eine runde, rot gepolsterte Sitzbank und dahinter führte eine dunkle Holztreppe nach oben. Seitlich ging je ein Gang ab, in denen sich mehrere Türen aus demselben dunklen Holz wie die Treppe befanden. Die Wände waren eierschalenfarben gestrichen, die Böden ebenfalls gefliest. Innen wirkte das Anwesen genauso freundlich und einladend wie von außen.


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