Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare
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Durch ihren Haß zu sterben wär mir besser
Als ohne deine Liebe Lebensfrist.
JULIA
Wer zeigte dir den Weg zu diesem Ort?
ROMEO
Die Liebe, die zuerst mich forschen hieß;
Sie lieh mir Rat, ich lieh ihr meine Augen.
Ich bin kein Steuermann, doch wärst du fern
Wie Ufer, von dem fernsten Meer bespült,
Ich wagte mich nach solchem Kleinod hin.
JULIA
Du weißt, die Nacht verschleiert mein Gesicht,
Sonst färbte Mädchenröte meine Wangen
Um das, was du vorhin mich sagen hörtest.
Gern hielt ich streng auf Sitte, möchte gern
Verleugnen, was ich sprach; doch weg mit Form!
Sag, liebst du mich? Ich weiß, du wirsts bejahn,
Und will dem Worte traun; doch wenn du schwörst,
So kannst du treulos werden; wie sie sagen,
Lacht Jupiter des Meineids der Verliebten.
O holder Romeo, wenn du mich liebst:
Sags ohne Falsch! Doch dächtest du, ich sei
Zu schnell besiegt, so will ich finster blicken,
Will widerspenstig sein und Nein dir sagen,
So du dann werben willst; sonst nicht um alles.
Gewiß, mein Montague, ich bin zu herzlich,
Du könntest denken, ich sei leichten Sinns.
Ich glaube, Mann, ich werde treuer sein
Als sie, die fremd zu tun geschickter sind.
Auch ich, bekenn ich, hätte fremd getan,
Wär ich von dir, eh ichs gewahrte, nicht
Belauscht in Liebesklagen. Drum vergib!
Schilt diese Hingebung nicht Flatterliebe,
Die so die stille Nacht verraten hat.
ROMEO
Ich schwöre, Fräulein, bei dem heilgen Mond,
Der silbern dieser Bäume Wipfel säumt -
JULIA
O schwöre nicht beim Mond, dem wandelbaren,
Der immerfort in seiner Scheibe wechselt,
Damit nicht wandelbar dein Lieben sei!
ROMEO
Wobei denn soll ich schwören?
JULIA
Laß es ganz!
Doch willst du, schwör bei deinem edlen Selbst,
Dem Götterbilde meiner Anbetung;
So will ich glauben.
ROMEO
Wenn die Herzensliebe -
JULIA
Gut, schwöre nicht! Obwohl ich dein mich freue,
Freu ich mich nicht des Bundes dieser Nacht.
Er ist zu rasch, zu unbedacht, zu plötzlich,
Gleicht allzusehr dem Blitz, der nicht mehr ist,
Noch eh man sagen kann: es blitzt. - Schlaf süß!
Des Sommers warmer Hauch kann diese Knospe
Der Liebe wohl zur schönen Blum entfalten,
Bis wir das nächste Mal uns wiedersehn.
Nun gute Nacht! So süße Ruh und Frieden,
Als mir im Busen wohnt, sei dir beschieden.
ROMEO
Ach, willst du lassen mich so ungetröstet?
JULIA
Welch Tröstung kannst du diese Nacht begehren?
ROMEO
Gib deinen treuen Liebesschwur für meinen!
JULIA
Ich gab ihn dir, eh du darum gefleht;
Und doch, ich wollt, er stünde noch zu geben.
ROMEO
Wolltst du mir ihn entziehn? Wozu das, Liebe?
JULIA
Um unverstellt ihn dir zurückzugeben.
Allein ich wünsche, was ich habe, nur.
So grenzenlos ist meine Huld, die Liebe
So tief ja wie das Meer. Je mehr ich gebe,
Je mehr auch hab ich: beides ist unendlich.
Ich hör im Haus Geräusch; leb wohl. Geliebter!
Die Wärterin ruft hinter der Szene. Gleich, Amme! Holder Montague, sei treu! Wart einen Augenblick; ich komme wieder! Sie geht zurück.
ROMEO
O selge, selge Nacht! Nur fürcht ich, weil
Mich Nacht umgibt, dies alles sei nur Traum,
Zu schmeichelnd süß, um wirklich zu bestehn.
Julia erscheint wieder am Fenster.
JULIA
Drei Worte, Romeo, dann gute Nacht!
Wenn deine Liebe tugendsam gesinnt
Vermählung wünscht, so laß mich morgen wissen
Durch jemand, den ich zu dir senden will,
Wo du und wann die Trauung willst vollziehn.
Dann leg ich dir mein ganzes Glück zu Füßen
Und folge durch die Welt dir, meinem Herrn.
Die Wärterin hinter der Szene: Fräulein! Ich komme, gleich! - Doch meinst du es nicht gut, So bitt ich dich - Die Wärterin hinter der Szene: Fräulein! Im Augenblick, ich komme! - Hör auf zu werben, laß mich meinem Gram! Ich sende morgen früh.
ROMEO
Beim ewgen Heil!
JULIA
Nun tausend gute Nacht!
Geht zurück.
ROMEO
Raubst du dein Licht ihr, wird sie bang durchwacht.
Wie Knaben aus der Schul eilt Liebe hin zum Lieben,
Wie Knaben an ihr Buch wird sie hinweggetrieben.
Er entfernt sich langsam. Julia erscheint wieder am Fenster.
JULIA
St! Romeo, st! O eines Jägers Stimme,
Den edlen Falken wieder herzulocken!
Abhängigkeit ist heiser, wagt nicht laut
Zu reden, sonst zersprengt ich Echos Kluft
Und machte heisrer ihre luftge Kehle
Als meine mit dem Namen Romeo.
ROMEO
[umkehrend.] Mein Leben ists, das meinen Namen ruft. Wie silbersüß tönt bei der Nacht die Stimme Der Liebenden, gleich lieblicher Musik Dem Ohr des Lauschers!
JULIA
Romeo!
ROMEO
Mein Fräulein!
JULIA
Um welche Stunde soll ich morgen schicken?
ROMEO
Um neun.
JULIA