Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare
Читать онлайн книгу.Gut gesagt: spinne mir nun diesen Scherz weiter, bis du deinen Tanzschuh abgenutzt hast; so daß, wenn seine einzige Sohle abgenutzt ist, der Scherz solo und einzigartig hernach übrig bleibe.
ROMEO
Oh einfachbesohlter Scherz, einfach einzigartig in seiner Einfalt!
MERCUTIO
Tritt zwischen uns, guter Benvolio; mein Witz schwindet mir.
ROMEO
Dann gib ihm Peitsche und Sporen, Peitsche und Sporen; oder ich rufe mich zum Sieger aus.
MERCUTIO
Nein, wenn dein Witz ebenso ziellos herumgaloppiert wie bei einer Wildgansjagd[Wildgansjagd (wild-goose chase): Ein Wettrennen zu Pferde, bei dem der führende Reiter die Strecke bestimmt. Im übertragenen Sinn: ein sehr wenig erfolgversprechendes Unternehmen.] , bin ich fertig; denn du hast mehr von einer schnatternden Wildgans in einem deiner Sinne, da bin ich mir sicher, als ich in meinen ganzen fünfen: bin ich Euch mit der Schnatterei zu nahe getreten?
ROMEO
Du bist nie nahe zu mir getreten, außer mit Schnatterei.
MERCUTIO
Für diesen Scherz werde ich dir am Ohr knabbern.
ROMEO
Nein, guter Gänserich, beiß mich nicht.
MERCUTIO
Dein Witz ist wie ein sehr bitterer Süßapfel; er ist eine äußerst scharfe Soße.
ROMEO
Und ist er dann nicht genau die richtige Beilage zu einer süßen Gans?
MERCUTIO
Oh, das ist ein Witz aus Glacéleder, der sich von einem kleinen Zoll auf eine große Elle dehnen läßt!
ROMEO
Ich werde ihn durch das Wort »groß« ausdehnen, welches, wenn es der Gans hinzugefügt wird, dich weit und breit als eine große Schnattergans dastehen läßt.
MERCUTIO
Wie nun? [Du sprichst ja ganz menschlich. Wie kommt es, daß du auf einmal deine aufgeweckte Zunge und deine muntern Augen wiedergefunden hast? So hab ich dich gern.] Ist das nicht besser als das ewige Liebesgekrächze? Jetzt bist du umgänglich, jetzt bist du Romeo; jetzt bist du was du bist, in deiner Kunst ebenso wie in deiner Natur, denn dieser faselnde Amor ist wie ein großer Einfaltspinsel, der lächsend auf und ab rennt, um sein Stöckchen in einem Loch zu verstecken.
BENVOLIO
Halt ein, halt ein.
MERCUTIO
Du wünschst, daß ich meine Ergüße unzeitig beende.
BENVOLIO
Ansonsten wäre es dir zu lang geworden.
MERCUTIO
O, du irrst dich; es wäre sogleich wieder kurz geworden, denn ich bin bereits in die volle Tiefe vorgedrungen und beabsichtigte in der Tat, auf dem Fall nicht länger herumzureiten.
ROMEO
Seht den prächtigen Aufzug!
Die Wärterin und Peter hinter ihr.
MERCUTIO
Was kommt da angesegelt?
BENVOLIO
Zwei, zwei: ein Männerhemd und ein Unterrock.
WÄRTERIN
Peter!
PETER
Was beliebt?
WÄRTERIN
Meinen Fächer, Peter!
MERCUTIO
Gib ihn ihr, guter Peter, um ihr Gesicht zu verstecken. Ihr Fächer ist viel hübscher wie ihr Gesicht.
WÄRTERIN
Schönen guten Morgen, Ihr Herren!
MERCUTIO
Schönen guten Abend, schöne Dame!
WÄRTERIN
Warum guten Abend?
MERCUTIO
Euer Brusttuch deutet auf Sonnenuntergang.
WÄRTERIN
Pfui, was ist das für ein Mensch?
ROMEO
Einer, Verehrte, den Gott geschaffen hat, daß er sich selbst verderbe.
WÄRTERIN
Schön gesagt, bei meiner Seele! Daß er sich selbst verderbe! Ganz recht! Aber, Ihr Herren, kann mir keiner von Euch sagen, wo ich den jungen Romeo finde?
ROMEO
Ich kanns Euch sagen; aber der junge Romeo wird älter sein, wenn Ihr ihn gefunden habt, als er war, da Ihr ihn suchtet. Ich bin der Jüngste, der den Namen führt, weil kein schlechterer da war.
WÄRTERIN
Gut gegeben.
MERCUTIO
So? Ist das Schlechteste gut gegeben? Nun wahrhaftig: gut begriffen! Sehr vernünftig!
WÄRTERIN
Wenn Ihr Romeo seid, mein Herr, so wünsche ich Euch insgeheim zu sprechen.
BENVOLIO
Sie wird ihn irgendwohin auf den Abend bitten.
MERCUTIO
Eine Kupplerin, eine Kupplerin! Ho, ho!
BENVOLIO
Was witterst du?
MERCUTIO
[Neue Jagd, neue Jagd! -] Kein Häschen, mein Herr; außer vielleicht einer Häsin, mein Herr, in einer Fastenspeise, die schon etwas schal und schimmelig-grau geworden ist, bevor sie vernascht wurde.
Singt.
Ein Has', ergraut[Es ist sicher kein Zufall, daß das Wort »hoar« (ergraut) genauso klingt wie »whore« (Hure) und daß die sprichwörtliche Vermehrungsfreudigkeit der Hasen auch eine Interpretation von »hare« (Hase) als Hure nahelegt. So lautet die erste Zeile wörtlich »Ein alter Hase, (der) ergraut (ist)«, doch der Zuhörer versteht »Eine alte Hure«.] ,
Und ein Has', ergraut,
Welch sehr gute Fastenspeis';
Doch ein Has', der ergraut,
Ist zu viel zugetraut,
Wenns ergraut eh' ichs verspeis.
Romeo, kommt nach Eures Vaters Hause, wir wollen zu Mittag da essen.
ROMEO
Ich komme euch nach.
MERCUTIO
Lebt wohl, alte Schöne! Lebt wohl,
Singt. o Schöne - Schöne - Schöne! Benvolio und Mercutio gehen ab.
WÄRTERIN
Sagt mir doch, was war das für ein unverschämter Gesell, der nichts als Schelmstücke im Kopfe hatte?
ROMEO
Jemand, der sich selbst gern reden hört, meine gute Frau, und der in einer Minute mehr spricht, als er in einem Monate verantworten kann.
WÄRTERIN
Ja, und wenn er auf mich was zu sagen hat, so will ich ihn bei den Ohren kriegen, und wäre er auch noch vierschrötiger, als er ist, und zwanzig solcher Hasenfüße obendrein; und kann ichs nicht, so könnens andre. So 'n Lausekerl! Ich bin keine von seinen Kreaturen, ich bin keine von seinen Karnuten.
[Zu Peter.] Und du mußt auch dabeistehen und leiden, daß jeder Schuft sich nach Belieben über mich hermacht!
PETER