Deutsche Geschichte (Band 1-3). Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte (Band 1-3) - Ricarda Huch


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als Recht betrachtet wurde. Friedrichs Auftreten war unwiderstehlich, der Anblick schon seiner kriegstüchtigen deutschen Ritter, ihrer gleichmäßig kraftvollen, elastischen, blitzenden Gestalten verbreitete Schrecken. Den befestigten Städten gegenüber mit ihren gewaltigen Türmen und Bastionen genügten allerdings die Katzen und Igel und Widder nicht, wie denn im ganzen Mittelalter sehr selten eine Belagerung den Zweck erreichte; aber in offener Schlacht blieben die Deutschen Sieger.

      Obwohl Friedrich das aufrührerische Rom unterwarf, Arnold von Brescia auslieferte und dem Papst die Rückkehr in seine Stadt ermöglichte, blieb Hadrian I., der einzige Engländer auf dem römischen Stuhle, mißtrauisch ablehnend. Da bei der Begegnung Friedrich sich weigerte, dem Papst den Stallmeisterdienst zu leisten, nämlich ihm beim Besteigen des Pferdes den Steigbügel zu halten, weigerte sich der Papst, obwohl Friedrich ihm den Fuß küßte, ihm den Friedenskuß zu geben. Getreu seinem Gerechtigkeitssinn rief Friedrich die Fürsten, die ihn begleiteten, zusammen und überließ ihnen zu entscheiden, was Rechtens sei. Das Reich sollte darüber entscheiden, was sich mit kaiserlicher Ehre vereinen lasse. Das Urteil der Herren fiel zugunsten des Papstes aus: es war Überlieferung, daß Pipin der Kurze dem Papst, als er ins Frankenreich kam, den Marschallsdienst geleistet habe, und die älteren unter den Anwesenden erinnerten sich, von Lothar dasselbe gesehen zu haben. Friedrich fügte sich der Entscheidung und hielt im Angesicht des Heeres dem Papst die Steigbügel, worauf er den Friedenskuß empfing. Zwei in der Wurzel feindliche Gewalten wurden durch künstliche Veranstaltung auf der schmalen Schneide des Einverständnisses erhalten. Nun wurde Friedrich nach altem Ritual zum Kaiser geweiht. Vor der silbernen Pforte der Peterskirche hielt der Bischof von Albano das erste Gebet, mitten in der Kirche der Bischof von Porto das zweite: »Gott, du geheimnisvoller Schöpfer der Welt – schütte auf die Fürbitte aller Heiligen über diesen König das Füllhorn deines Segens aus und festige den Thron seines Reiches. Suche ihn heim wie den Moses im Dornbusch … und übergieße ihn mit deinem Sternensegen und dem Tau deiner Weisheit wie David und seinen Sohn Salomon.« Es folgte die Salbung durch den Erzbischof von Ostia und ein Gebet, daß durch das heilige Öl der Segen des Tröstergeistes in das Herz des Königs eindringen und ihm die Gabe verleihen möge, Unsichtbares zu empfangen, und, nachdem er in Gerechtigkeit und Erbarmung seines zeitlichen Reiches gewaltet, ewiglich mit Christus zu herrschen. Dann war der Augenblick gekommen, wo der Papst dem Knieenden das Diadem aufsetzte mit den Worten: »Empfange das Ruhmeszeichen im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, damit du unter Verachtung des alten Feindes und aller Sündenberührung Recht und Gerechtigkeit liebest und dich in diesem Leben so erbarmungsvoll zeigest, daß dir unser Herr Jesus Christus in der Gemeinschaft der Heiligen die Krone des ewigen Reiches verleihe.« Als der erschöpfte Kaiser sich zurückziehen und speisen wollte, überfielen die Römer den Papst, und er mußte den ganzen Tag durch kämpfen. Am anderen Morgen verließ er, den Papst und die Kardinäle mit sich nehmend, Rom, und der Papst erteilte denen, die im Kampfe Blut vergossen hatten, Ablaß. Dabei berief er sich auf gewisse kirchliche Zeugnisse, wonach der Krieger, der, im Gehorsam gegen seinen Fürsten, kämpfend Blut vergießt, nach irdischem und himmlischem Gesetz kein Mörder, sondern ein Strafvollstrecker sei.

      Eine merkwürdige Schickung wollte, daß dieser selbstbewußte und dennoch, obwohl zuweilen hart und zuweilen durch Zorn und das Gefühl gekränkter Majestät zu grausamen Handlungen bewogen, maßvolle König, sich dem Einfluß eines Mannes ergab, der ihn auf eine gefährliche Bahn und in dramatische Verwicklungen riß, wie sein eigener Charakter sie womöglich vermieden hätte. Dieser Mann war der Kanzler des Reichs, Rainald, aus dem Geschlecht der an der Weser begüterten Grafen von Dassel. Beherrschte er den Kaiser, weil er so sehr von ihm verschieden war? In ganz anderer Art wie Friedrich war auch er zum Herrscher geboren, so wie ein heidnischer Wikingerführer, dem die Welt gehört, soweit er sie erobern kann. Friedrich war ganz und gar Imperator, sich immer der furchtbaren Verantwortung bewußt, mit der die Krone des großen Karl ihn belastete, und die nur ein streng zusammengefaßter Geist ertragen konnte. Rainald von Dassel fühlte sich nur seinem Genie verantwortlich. Sein Genie schuf ihm ein Reich, in dem er auch das Abenteuerliche wagen konnte, wenn es heroisch war. Er erkannte die Mächte seiner Zeit wohl an, die Kirche, den Kaiser und seine Genossen, die Fürsten; aber sie banden seinen Geist nicht und kaum seine Hände. In seinem Gefolge befand sich häufig ein Dichter, der der Nachwelt unter dem Namen des Erzpoeten bekannt ist. Diesem Namenlosen, der nichts besaß als seine klangvollen Verse, mag der Kanzler sich mehr verwandt gefühlt haben als dem Kaiser oder irgendeinem anderen Menschen. Der Dichter spielte ihm eine Musik jenseits aller Dinge, jenseits auch alles dessen, was die Kirche lehrte. In seinem persönlichen Leben war Rainald tadellos, enthaltsam, unangreifbar; man weiß nichts von Frauenliebe in seinem Leben. Er war gebildet, las gern die alten Schriftsteller, aber sein Element war das tätige Leben als Staatsmann und Kriegsmann. Wie von den Königen haben die Zeitgenossen von ihm überliefert, daß weiches Blondhaar sein schönes gebräuntes Gesicht umgab; das Jahr seiner Geburt hingegen haben sie nicht aufgezeichnet. Man kann annehmen, daß er etwa 35 Jahre alt war, als er zum ersten Male maßgebend in der Öffentlichkeit hervortrat.

      Das sieghafte Auftreten des Kaisers in Rom nahm den Papst mehr gegen als für ihn ein. Bald entstand gegenseitige Verstimmung: Friedrich war entrüstet, daß der Papst das Königreich Sizilien und das Herzogtum Apulien nebst Neapel, Amalfi und Salerno ohne ihn zu fragen dem Normannenherzog Roger zu Lehen gab; der Papst nahm es übel, daß Friedrich nichts zur Befreiung des dänischen Erzbischofs Eskil von Lund tat, der in Deutschland gefangengenommen war. Unversehens kam der von beiden Seiten noch zurückgehaltene Unwille zu erschreckendem Ausbruch. Der Kaiser hatte in zweiter Ehe Beatrix von Burgund geheiratet und dadurch, daß ihr Vater ohne Hinterlassung von Söhnen starb, Burgund und die Provence erworben, ein Gebiet, das zwar zum Reich gehörte, aber mit seiner überwiegend romanischen Bevölkerung sich mehr und mehr losgelöst hatte. Seine Absicht war, es dem Reiche wieder enger anzuschließen, und er hielt im Jahre 1157 in der alten Bischofsstadt Besançon einen Reichstag ab, um die dortigen Verhältnisse zu ordnen. Die angesehensten Herren von Burgund, der Erzbischof von Vienne, der zugleich Erzkanzler von Burgund war, der Primas von Lyon und andere leisteten bereitwillig die Huldigung, wie sich überhaupt zeigte, daß der junge König sich bereits im ganzen Abendlande Ansehen erworben hatte. Auf dieser Tagung erschienen zwei Abgeordnete des Papstes, Roland, Kardinalpriester von San Marco, und der Kardinalpriester von San Clemente, und überbrachten ein Schreiben des Papstes an den Kaiser mit Vorwürfen wegen der Gefangennahme des Erzbischofs von Lund, die als eine schändliche Untat von viehischer Wildheit bezeichnet wurde, an der der Kaiser dadurch, daß er sie nicht bestrafe, mitschuldig sei. Rainald las als Kanzler den Brief vor und verdeutschte ihn. Nachdem der Papst die Liebesbeweise aufgezählt hatte, durch die er den Kaiser seiner väterlichen Gesinnung versichert habe, kam die folgende Stelle: »Und es reut uns auch nicht im mindesten, in allem deinen Wunsch und Willen erfüllt zu haben, ja, bei dem Gedanken, was die Kirche Gottes und wir selbst durch dich an Vorteilen gewinnen könnten, würden wir uns mit Recht freuen, wenn es möglich gewesen wäre, daß deine Herrlichkeit aus unserer Hand noch größere Beneficia empfangen hätte.« Das Wort Beneficia hätte Rainald mit Wohltaten übersetzen können; aber er wählte das Wort Lehen. Als Friedrich das erstemal in Rom war, sah er im Lateran ein Bild des Kaisers Lothar, wie er dem Papst den Steigbügel hält, und darunter einen Vers, der besagte, daß der Kaiser Lehensmann des Papstes geworden sei und die Krone von ihm empfangen habe. Er hatte vom Papst die Zusage verlangt und erhalten, daß das Bild mit der Inschrift entfernt würde. Daß trotzdem in manchen Kreisen Roms, namentlich in der Umgebung des Papstes, die Auffassung bestand, der Kaiser empfange in Rom Kaisertum und Krone als ein päpstliches Geschenk, wußte der Kaiser. In diesem Sinne klang das Wort Beneficia oder Lehen wie eine Herausforderung, und in den Reihen der anwesenden Fürsten äußerte sich laut und heftig der Zorn. Anstatt den Text des Briefes geschickt auszulegen, rief einer der Legaten frech in den Lärm hinein: »Von wem hat denn der Kaiser sein Kaisertum, wenn nicht vom Herrn Papst!«, damit die Bedeutung, die Rainald von Dassel in das Wort gelegt hatte, als richtig zugestehend. Der Pfalzgraf von Bayern, Otto von Wittelsbach, ein besonders treuer und verdienter Anhänger des Kaisers, zog sein Schwert, um die Beschimpfung des Reiches zu rächen; der Kaiser trat sofort schützend vor die Bedrohten und sorgte dafür, daß sie unverletzt in ihre Herberge gebracht wurden, befahl ihnen aber, unverzüglich nach Rom zurückzureisen. Den ganzen Vorgang schilderte der König den Fürsten in einem Rundschreiben, das mit den Worten schloß,


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