Deutsche Geschichte (Band 1-3). Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte (Band 1-3) - Ricarda Huch


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Zuflucht in Benevent gefunden.

      Friedrichs Oheim, Bischof Otto von Freising, macht in seinem Buch von den Taten des Kaisers einmal die Bemerkung, die Ärzte sagen, es sei besser zur Höhe als auf der Höhe; denn die aus vielerlei zusammengesetzte Natur bleibe nie im gleichen Zustande, strebe zur Auflösung. Was auf der Höhe angelangt sei, müsse sich abwärts bewegen. Dies Gesetz vollzog sich nach dem Siege von Tusculum mit grauenvoller Pünktlichkeit. Es war Sommer, eine Seuche brach aus und verbreitete sich, an der das Heer und seine Führer zugrunde gingen. Es starben Herzog Friedrich von Schwaben, der Sohn König Konrads III., der jüngere Welf, der an Stelle seines Vaters dessen italienische Besitzungen verwaltete, der Pfalzgraf von Tübingen, die Grafen von Sulzbach und Lippe, die Bischöfe von Prag, Verden, Lüttich, Regensburg, Augsburg, Zeitz und Speyer und, als Unersetzlichster von allen, Rainald von Dassel, der Erzbischof von Köln. Wie ein geschlagenes Heer flüchteten die Überlebenden, wie und wo ein jeder konnte, über die Berge nach Deutschland zurück.

       Inhaltsverzeichnis

      In jedem Unglück, das ihn traf, offenbarte Friedrich seinen elastischen Geist. Nicht einmal seine Mienen verrieten Niedergeschlagenheit, viel weniger Verwirrung oder Unsicherheit seine Handlungen. Vielleicht war es zu seinem Heile, daß das verwegene Herz des Grafen von Dassel nicht mehr schlug und ihn nicht mehr über die Schranken, die er sich selbst gesetzt hatte, fortreißen konnte. Infolge seiner Niederlage konnten allerdings die Widerstrebenden unter den lombardischen Städten allmählich neue Kraft sammeln; aber im deutschen Reiche blieb sein Ansehen unerschüttert, und es gelang ihm, dank dem Zusammenwirken mit Heinrich dem Löwen, einen leidlichen Friedensstand zu erhalten.

      Heinrichs Lebenszweck war, sein sächsisches Herzogtum zu einem geschlossenen, womöglich das nördliche Deutschland umfassenden Staat zu bilden, in dem alle Rechte in seiner Hand lägen. Fast alle Fürsten suchten zu erobern und zu erraffen, was die Gelegenheit bot; wenige hatten die Bildung eines abgerundeten Staates im Auge, und noch wenigere gingen dabei mit so durchgreifender Rücksichtslosigkeit vor wie Heinrich der Löwe. Nicht Freundschaft, nicht Gerechtigkeit noch Dankbarkeit hemmten ihn. Wahrhaft wie ein Löwe, ein blindes Geschöpf der Natur, das mit schwerer Tatze zermalmt, was vor ihm sich bewegt, ging er großmütig und unheilvoll seinen geraden Weg. Den Grafen Adolf von Holstein, seinen Gefährten in vielen Kämpfen, zwang er, ihm seine Stadt Lübeck abzutreten; dem jungen Pfalzgrafen Adalbert nahm er seine Bergfeste Lauenburg bei Quedlinburg, auf die er keinerlei Recht hatte. An den Heidenbekehrer Wizelin stellte er die Forderung, er solle von ihm die Investitur annehmen, ein unerhörter Eingriff in die kaiserlichen Rechte. Als Wizelin nach Beratung mit dem Erzbischof von Bremen sich weigerte, wie das auch seine Pflicht war, sperrte er ihm die Einkünfte, so daß der gute Mann, wenn er nicht verhungern wollte, sich fügen mußte. Heinrich begründete sein Ansinnen damit, daß er die von ihm eroberten, ehemals slawischen Gebiete zu eigenem Besitz habe. Es gab kaum einen unter den norddeutschen Fürsten, dem er nicht irgendein Recht oder Gebietsstück entrissen; den er nicht durch sein herrisches Auftreten gekränkt hatte. Der Führer seiner Gegner war Albrecht der Bär aus dem Geschlecht der Grafen von Askanien, der ähnliche Bestrebungen wie der Herzog fast ebenso umsichtig und nachhaltig verfolgte. Er war zu der Zeit, wo Heinrich der Stolze durch Konrad III. geächtet wurde, an dessen Stelle Herzog von Sachsen geworden, und, nachdem er wegen der Wiedereinsetzung Heinrichs des Löwen hatte zurücktreten müssen, sein heimlicher Nebenbuhler geblieben. Bei der gegenseitigen Abneigung und den gleichartigen Zielen ergaben sich beständig Reibungen. Die Erzbischöfe von Bremen und Magdeburg und der Bischof von Halberstadt gehörten zu den Fürsten, die knirschend, sprungbereit im Kreise den Gewaltigen umgaben, der sie verachtete. Er tat das, weil es seine Natur war, und weil er sich durch die Gunst des Kaisers gesichert fühlte. Wie er seit der im Beginn von Friedrichs Regierung geschlossenen Versöhnung dem Kaiser bei allen seinen Unternehmungen ein treuer Gefolgsmann gewesen war, so schützte der Kaiser ihn, ohne dem Rechte peinlich Rechnung zu tragen. Selbst in der wichtigen Frage der Investitur der Bischöfe gab er nach, so daß Heinrich das Recht erhielt, die Bischöfe von Ratzeburg, Aldenburg und Mecklenburg, später Lübeck und Schwerin, zu belehnen. Als Heinrich den Markt- und Brückenzoll von Föhring, einem Ort, der dem Bischof Otto von Freising gehörte, nach München verlegte, um dadurch diese seine Stadt zu heben, auch da, wo es sich um seinen eigenen Oheim, einen hochangesehenen Geistlichen, handelte und Heinrich offenbar im Unrecht war, entschied der Kaiser zu seinen Gunsten. Im Bewußtsein der Unnahbarkeit seiner Stellung errichtete Heinrich seiner Stadt Braunschweig den ehernen Löwen, der uns bezeugt, was für bedeutende Werke aus den deutschen Erzgießereien hervorgingen. War er rücksichtslos gegen die Geistlichen, die ihn in seinen Plänen störten, so war er doch nicht unkirchlich. Wie einer ein Siegel unter gesicherten Besitz setzt, so unternahm er im Jahre 1172, als sein Gegner Albrecht der Bär gestorben und das Fundament seines Reiches festgelegt war, eine Pilgerfahrt nach dem Heiligen Lande. Alle Welt konnte sehen, daß er sein Herzogtum ruhig in den Händen seiner englischen Frau und seiner treuen Vasallen ließ. Unter den Geistlichen, die ihn begleiteten, war der gelehrte und verehrungswürdige Abt Heinrich von Braunschweig, der in Konstantinopel durch seine Gespräche über einige Punkte, in denen die griechische von der römischen Kirche abweicht, Bewunderung erregte. In Jerusalem hielt sich Heinrich drei Tage lang auf und teilte königliche Vergabungen aus. Den Ertrag dreier Häuser, die er kaufte, bestimmte er zur Unterhaltung dreier ewig brennender Lampen in der Auferstehungskirche. Er besuchte die heiligen Orte, den Ölberg, Bethlehem, Nazareth und das wüste Gebirge, in dem Jesus nach der Überlieferung vom Teufel versucht wurde. Überall wurde er von Christen und Heiden mit Ehrerbietung empfangen und reich beschenkt. Um den wertvollen Reliquien, die er mitbrachte, eine würdige Stätte zu schaffen, baute er in Braunschweig nach Niederreißung des alten Stiftes den Dom, in dem wir jetzt sein und seiner Frau Mathilde Grabmal bewundern. Auch die Dome von Ratzeburg und Lübeck hat er gegründet; sie haben den ernsten, stolzen und dabei gemütlichen Charakter, der dem alten Sachsenlande so sehr gemäß ist. An der Umrahmung eines Portals des Domes von Braunschweig befindet sich die Vertiefung, die der Sage nach die Klaue des Löwen, den der Herzog aus dem Heiligen Lande mitbrachte, zurückließ, als er den Weg zum Grabe seines Herrn suchte.

      Einige Jahre nach Heinrichs Rückkehr brach der Reichskrieg gegen das wieder erstarkte Mailand aus, und der Kaiser verlangte von seinem Vetter den üblichen Zuzug. Da geschah das Unerwartete, Unbegreifliche, daß der Herzog ihm seinen Beistand versagte. Jahrelang hatte das feste Zusammenhalten von Kaiser und Herzog so bedeutende Erfolge für beide erwirkt, daß man meint, es müsse ein schwerwiegender Anlaß zur Entfremdung vorgefallen sein; aber kein solcher ist bekannt. Daß Friedrich die Erbschaft des alten Welf, eines gemeinsamen Verwandten, angenommen hatte, die Heinrich für sich beanspruchte, scheint als Grund für solchen Abfall nicht zu genügen. War in Heinrich, der nun Schwiegersohn des Königs von England und Vater mehrerer Söhne war, das Bewußtsein der Macht so angewachsen, daß er nicht mehr ertragen konnte, einen Herrn über sich zu haben? Vielleicht war es wirklich nur das, daß er als Preis für seine Hilfe die Stadt Goslar verlangte, die dem Kaiser gehörte, und daß dieser sie ihm versagte. Auf diese Stadt mit ihrem Reichtum an Silber und Erzen glaubte er ein Anrecht zu haben, weil sie am Rande des Harzes, auf sächsischem Gebiet lag. Sie war ein Gegenstand, der die Raublust entflammen und einen Mann von so starrem Charakter so verblenden konnte, daß er selbst den Abgrund aufriß, der ihn verschlang.

      Es steht nicht fest, wo die verhängnisvolle Begegnung zwischen den Vettern stattfand, ob in Chiavenna oder in Partenkirchen; der Kaiser kam aus Italien über die Berge, um die Hilfe vom Herzog zu erlangen, die den Ausschlag zum Siege geben sollte. Man erzählt sich, daß Friedrich dem Herzog zu Füßen gefallen sei, um ihn zum Nachgeben zu bewegen; es erschien den damaligen Menschen fast grauenvoll, daß der Herr der Welt vor seinem Vasallen das Knie beugte.

      Der Sieg der Lombarden bei Legnano bedeutete für Friedrich das Hindernis des Schicksals, das den ins Leben Stürmenden zum Anhalten zwingt und zur Besinnung bringt. Er war groß genug, um zu lernen, daß er, wie hoch er auch stand, andere Mächte müsse gelten lassen, daß er sich vertragen müsse, wo er nicht herrschen konnte, und er handelte nach der gewonnenen Einsicht, ohne seiner Würde zu vergeben. Nach einer furchtbaren Niederlage erlitt er keine erhebliche Minderung seiner Macht, wenn er


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