Deutsche Geschichte (Band 1-3). Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte (Band 1-3) - Ricarda Huch


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des Gesichtskreises, die Schärfung des Urteils und die Selbsterkenntnis, die jede Bekanntschaft mit fremden Ländern und Völkern zur Folge hat, erstreckte sich belebend, lösend und lockernd auch auf Deutschland.

       Inhaltsverzeichnis

      Einzelne, die der Glaubenseifer in die slawischen Länder trieb, wurden meist erschlagen und ihr Märtyrertum blieb wirkungslos, nur mit militärischer Unterstützung ließ sich etwas ausrichten. Drei Nationen waren es, die durch Eroberung der slawischen Küstenländer die Ostsee erreichen, womöglich beherrschen wollten: außer den Dänen und den Deutschen die Polen. Durch ihre Anregung wurde einer der edelsten Kirchenmänner seiner Zeit, Bischof Otto von Bamberg, zum Apostel der Slawen. Er war von Adel, aber arm, von seinen Eltern für den geistlichen Stand bestimmt; um seinem Bruder nicht zur Last zu fallen, ging er nach Polen, wo er wegen Mangels an Gelehrten bald eine Stellung als Lehrer fand und sehr geschätzt wurde. Doch war er, wenn er auch gern die Werke der antiken Dichter und Philosophen las, nicht eigentlich ein Mann der Wissenschaft, aber gewandt in der Rede und ein guter Prediger, der die seltene Kunst verstand, dem einfachen Volke die Heilswahrheiten zu vermitteln. Das Anziehende, Vornehme und Würdige seiner Erscheinung wirkte mit dazu, daß er Gesandtschaften beigeordnet und dadurch mit dem König von Polen, Wladislaw Hermann, bekannt wurde. Sein Anteil am Zustandekommen der Heirat desselben mit Heinrichs IV. Schwester Judith, der Witwe des Königs von Ungarn, machte seine Beziehungen zur königlichen Familie zu freundschaftlichen, und sie dauerten fort, nachdem er auf den Wunsch Heinrichs IV. nach Deutschland zurückgekehrt war. Heinrich machte ihn erst zu seinem Kanzler, dann zum Bischof von Bamberg. Gemäß seiner Gabe, viel zu verstehen und jedem gerecht werden zu können, hielt er es in dem großen Kampfe zwischen Papst und Kaiser mit beiden, und wenn er dadurch auch zuweilen bei beiden Anstoß erregte, begriffen sie doch, daß es nicht aus feiger Berechnung geschah, und hielten ihn trotzdem wert. Er wirkte mit beim Wormser Konkordat, das die Rechte von Papst und Kaiser in bezug auf die Bischofswahlen regelte. Ein Jahr nach dem Tode Heinrichs V., 1124, richtete der König von Polen, Boleslaw III., der seinem inzwischen verstorbenen Vater gefolgt war, die Frage an ihn, ob er geneigt sei, die Bekehrung der heidnischen Pommern zu übernehmen.

      Die Sachsen waren durch ihre Kämpfe gegen Heinrich IV. und Heinrich V. von den Bemühungen, die Ostseeküste zu erobern, abgelenkt; um so eher war es Boleslaw gelungen, die Pommern zu unterwerfen. Pommern, das sich zu beiden Seiten der Oder erstreckte, galt als ein wegen seiner Naturprodukte begehrenswertes Land; es war reich an Milch, Butter und Honig, Gemüse und Getreide, Wild und Fischen, und von dem Getränk, das man dort aus Honig bereitete, wurde gerühmt, es sei besser als Falerner Wein. Diese Schätze reizten jedoch den König nicht so wie das Meer; schon sein Vater hatte eingesehen, daß es eine Lebensfrage für sein Reich sei, das Meer zu erreichen, daß nur dadurch Polen in Wettbewerb mit den anderen Völkern treten könne. Es galt nun, nachdem das Land gewaltsam der polnischen Oberhoheit unterworfen war, die Bevölkerung zu christianisieren und dadurch ein wirksameres Band zu knüpfen als es das eiserne der Waffen war. Otto sagte ja zu der Aufforderung des Königs, wenn es ihm auch schwer wurde, das schöne Land, das ihm Heimat geworden war, zu verlassen; ein rüstiger Mensch weicht dem Wink des Schicksals nicht aus, am wenigsten einer Aufgabe, bei der er seine Kräfte wie nie zuvor entfalten kann. Bemerkenswert klug und vorsichtig wie ein erfahrener Mann von Welt ging er bei den Vorbereitungen der Reise zu Werke. Es war ihm bekannt, daß die Pommern halbverhungerte Asketen, die in ihr Land kamen, verachteten und voraussetzten, sie hätten es weniger auf ihr Seelenheil als auf den Überfluß ihres Landes abgesehen; um das zu vermeiden, sorgte er für ein ansehnliches Auftreten seiner Expedition und versah sich mit Stoffen und anderen Gegenständen, die er als Geschenke austeilen konnte. So erschien er in jeder Hinsicht als der Gebende, Beglückende. Die Reise ging durch den Böhmerwald nach Prag, von da über Breslau nach Gnesen, wo ihn Boleslaw empfing. Der König gab ihm einige seiner Großen als Begleiter mit, damit die Slawen gewarnt würden, sich nicht an dem unter polnischem Schutz stehenden Missionar zu vergreifen.

      Der slawische Herzog von Pommern war dem Christentum geneigt und wurde durch Otto noch mehr dafür gewonnen. Offenen Widerstand fand er in Wollin, da, wo die Trümmer der Jomsburg standen, die der Sitz dänisch-wendischer Seeräuber gewesen war; aber auch die von Wollin erklärten sich nachträglich bereit, das Christentum anzunehmen, wenn die Hauptstadt, Stettin, es täte. Wohl trugen die Drohungen und Versprechungen des polnischen Königs zum Erfolge bei, mehr aber tat die Persönlichkeit und das Wort des gütigen Bischofs. Es wird berichtet, wie er zwei vornehme Knaben, deren Lieblichkeit sich in sein Herz stahl, an sich zu ziehen wußte, wie er ihnen von der Unsterblichkeit der Seele und vom Ewigen Leben sprach und sie für das Christentum gewann, wie die Mutter, die heimlich schon Christin war, von Glück überströmt, die Getauften in ihre Arme schloß, wie der Vater, zu Tode betrübt, aus Liebe zu den Söhnen, doch auch das Christentum annahm. So mochten einzelne eine innere Wandlung erfahren, sei es, daß der fremde Bischof ihnen ein höheres Menschentum darstellte, sei es, daß sein Wort ihren Horizont aufriß und einen Ausblick in tiefere Himmel öffnete; die Mehrzahl jedoch merkte sich die Tatsache, daß der Christengott mächtiger war und besser schützte als ihre Götter, ohne den entthronten nachzutrauern oder dem neuen sich zu ergeben. Otto verfuhr immer schonend. Von den Schätzen des berühmten, schöngeschnitzten Tempels zu Stettin eignete er sich nichts an, nur das Bild des dreiköpfigen Triglav nahm er für sich, um es nach Rom zu schicken. Als eine heilige Eiche gefällt werden sollte und die Bevölkerung um ihre Erhaltung bat, indem sie versprach, sie künftig nicht anzubeten, nur als schönen Baum zu verehren, gewährte er den Wunsch, vielleicht selbst gerührt von der Pracht des alten Waldhauptes. Am meisten zeigte Otto die Überlegenheit seines Geistes, als der Herzog von Pommern benachbarte heidnische Slawen unterworfen hatte und die Gefangenen als Sklaven verkauft wurden; befreien konnte er sie nicht, aber er sorgte dafür, daß wenigstens die Schwächeren entlassen und daß die Familien nicht getrennt wurden.

      Wieder empfingen die Christen vom Charakter der heidnischen Pommern einen günstigen Eindruck: Diebstahl und Betrug kannten sie nicht, die Gastlichkeit trieben sie so weit, daß der Tisch bei ihnen immer gedeckt war, man brauchte nur zuzugreifen. Manche weigerten sich Christen zu werden, mit der Begründung, daß bei den Christen den Räubern die Augen ausgestochen und die Füße abgehauen würden; man wolle die Religion eines Landes nicht, wo es solche Verbrechen und solche Strafen gebe.

      Otto ging bis Kolberg und kehrte dann, nachdem er seine neugewonnenen Gemeinden noch einmal besucht hatte, nach Bamberg zurück. Als er einige Jahre später Pommern zum zweitenmal besuchte, reiste er mit Vermeidung der Polen über Halle, dazu bewogen wahrscheinlich durch Lothar, der inzwischen Kaiser geworden war. Lothar erreichte auch, daß Boleslaw sein Königreich von ihm zu Lehen nehmen mußte, wodurch Pommern wenigstens mittelbar mit Deutschland verknüpft wurde. Die wichtige Frage aber, welchem Erzbistum die neue pommersche Kirche unterstellt werden sollte, wurde nicht zugunsten Deutschlands entschieden. Ein Jahr nach Ottos Tode, der 1139 starb, begründete der Papst ein pommersches Bistum Wollin und unterwarf es unmittelbar dem päpstlichen Stuhl, damit die Ansprüche sowohl des Erzbistums Gnesen wie des Erzbistums Magdeburg ausschaltend, das die Bestimmungen Ottos I. für sich anführen konnte, wie eines etwaigen Erzbistums Bamberg, das Ausgangspunkt der Bekehrung gewesen war.

      Nach dem Tode Boleslaws III. sank die polnische Macht, so daß nun nur Sachsen und Dänemark um die baltische Küste kämpften. Es handelte sich zunächst um die Befriedung von Nordalbingien, dem Lande nördlich der Elbe, dem heutigen Holstein, das namentlich an der Küste von slawischen Stämmen bewohnt war. Als Nachbarn betroffen waren der König von Dänemark, der Herzog von Sachsen, der Graf von Holstein und der Erzbischof von Bremen. Als Missionar bot sich dem Herzog Lothar der tüchtige und opferwillige Priester Wizelin an. Wizelin war niedriger Geburt und stammte aus Hameln. Als junger Mann lebte er verschwenderisch in den Tag hinein, bis er sein Vermögen verzehrt hatte, dann fand er Unterkommen bei einer mildtätigen Gräfin von Eberstein, die wohl seine Begabung herausfühlte. Daß ihre Hausgenossen ihn wegen seines Mangels an Bildung hänselten, reizte seinen Stolz, er verließ das Haus der guten Frau, holte in Paderborn das versäumte Studium nach und wurde ein gelehrter und strenger Schulmeister. Nachdem er noch den Einfluß des fanatischen, später heiliggesprochenen Norbert


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