Deutsche Geschichte (Band 1-3). Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte (Band 1-3) - Ricarda Huch


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war er der Mittelpunkt der Bewunderung. Die beiden großen Kirchenfürsten, Christian von Mainz und Wichmann von Magdeburg, hatten erreicht, daß der Kongreß nicht in Bologna stattfand, das dem Papst gehörte, sondern in der Republik, zu der der Kaiser in guten Beziehungen stand. Er unterzog sich in der Markuskirche allen Förmlichkeiten, die die Gelegenheit verlangte, um dann im Palast des Patriarchen in deutscher Sprache zu erklären, daß er geirrt habe, indem er in Angelegenheiten der Kirche mehr kraft seiner Macht als nach den Grundsätzen des Rechtes habe regieren wollen. Christian von Mainz, der sieben Sprachen fließend sprechen konnte, nämlich Griechisch, Lateinisch, Apulisch, Lombardisch, Römisch, Französisch, Brabantisch, verdolmetschte die Rede des Kaisers. Den Schluß der Festlichkeiten bildete eine Versammlung in der Markuskirche, wo der Papst den Bann über alle diejenigen aussprach, die den zwischen der Kirche und dem Kaiser, dem Kaiser und dem Königreich Sizilien und den Lombarden geschlossenen Frieden und Waffenstillstand stören sollten. Als er den Fluch ausgesprochen hatte: »Und wie diese Kerzen ausgelöscht werden, so sollen ihre Seelen der ewigen Anschauung Gottes beraubt werden«, warfen der Kaiser und alle Anwesenden die brennenden Kerzen, die ihnen überreicht worden waren, zu Boden, daß sie erloschen. Solange Alexander lebte, blieb der Friede erhalten. Er starb im Jahre 1181, ein Jahr später Christian, der große Erzbischof von Mainz, der nach wie vor den Kaiser in Italien vertrat. Die Entwicklung der Verhältnisse brachte es mit sich, daß der schneidige Bekämpfer des Papstes als sein Beschützer endete. Als die Römer im Aufstande gegen den Papst Tusculum belagerten, wo er einst seinen berühmten Sieg erfochten hatte, eilte er auf den Hilferuf desselben sofort herbei, und sein Name genügte, um die Angreifer zurückzuschrecken. Von einem Fieber ergriffen starb er bald darauf, nachdem ihn der Papst, es war Lucius III., mit den Sterbesakramenten versehen hatte. So hoch schätzte Lucius seinen Retter, daß er ein Rundschreiben an die deutschen Kirchen über seine Verdienste und seinen Tod erließ und Bestimmungen für die Feier seines Gedächtnisses traf.

      Wie er einst nach einem Siege Italien gleich einem Flüchtenden hatte verlassen müssen, so kehrte Friedrich nach einer furchtbaren Niederlage wie ein Sieger nach Deutschland zurück. Er hatte auf eine unmittelbare Beherrschung der lombardischen Kommunen verzichten müssen, aber die kaiserliche Oberhoheit und ansehnliche ihr zustehende Einkünfte gesichert. Seine nächste Sorge betraf das Verhältnis zu Heinrich dem Löwen, und zwar hatte er durchaus nicht im Sinn, Rache zu nehmen für die Untreue seines Vetters, die ihn so teuer zu stehen gekommen war, sondern womöglich die frühere Gemeinschaft wiederherzustellen. Wahrscheinlich war er nicht frei von Erbitterung; aber er war gewöhnt, seinen persönlichen Gefühlen das Interesse des Reichs voranzustellen, vielleicht war unwillkürlich in seiner Brust schon beides eins geworden. Ein gedemütigter, aber immer noch mächtiger Herzog von Sachsen blieb für ihn der erwünschteste Bundesgenosse, die Stütze des Reichs, wenn er sich als Reichsfürst erweisen wollte. Was man von den steinernen Herzen der Sachsen sagte, ließ sich auf Heinrich anwenden: sein Trotz wich der Verständigung, die der Kaiser suchte, aus und zwang ihn dadurch, den Forderungen des Fürstenbundes nachzugeben, der den Herzog vernichten wollte. Friedrich hatte es ausgezeichnet verstanden, die hochmütige Adelsfamilie, die im Kaiser den von ihr erwählten Vertreter ihrer Interessen sah, zugleich zu ehren und zu beherrschen; um so weniger konnte er die offene Widersetzlichkeit eines der Ihren unbestraft lassen. Oft hatten seine vielen Feinde sich gegen ihn lahm gewütet, so, dachte der Herzog, würde es wieder einmal gehen; aber er mußte erleben, daß den Geächteten fast alle seine Anhänger verließen. Unter den wenigen, die bei ihm ausharrten, war der tapfere Graf Bernhard zur Lippe. Als der Herzog sich nach verzweifelter Gegenwehr unterwerfen mußte und unter kaiserlichem Geleit nach Lüneburg kam, wo der Kaiser sich aufhielt, sagte er zu den Rittern, die ihm entgegenkamen: »Sonst pflegte ich hierzulande von niemandem Geleit zu erhalten, sondern andern zu geben!« Nur dieser karge Ausdruck des Schmerzes ist von dem gestürzten Löwen überliefert. Am meisten gewann durch seinen Untergang der Erzbischof von Köln, Philipp von Hainsberg, der, kaum daß er seine Beute in Sicherheit gebracht hatte, zum Papst überging und des Kaisers Feind wurde. Er erhielt die westliche Hälfte Sachsens mit allen herzoglichen Rechten, mit der kleineren östlichen wurde einer der Söhne Albrechts des Bären belehnt.

      Bayern bekam Otto von Wittelsbach, nachdem die Steiermark davon abgetrennt worden war, Heinrich behielt seine Eigengüter, Braunschweig und Lüneburg, die später Friedrich II. mit der ehemaligen Grafschaft Stade vereinigt und zum Herzogtum erhoben einem Enkel Heinrichs übergab. Als der Kaiser den Kreuzzug antrat und die sächsischen Fürsten mit Recht fürchteten, Heinrich werde dessen Abwesenheit nützen, um sie zu überfallen, schlug Friedrich seinem Vetter vor, sich entweder mit einer sofortigen, aber nur teilweisen Wiedereinsetzung zu begnügen oder ihn ins Heilige Land zu begleiten, um nachher alle seine Lehen wiederzubekommen. Da er trotzig beides ablehnte, wurde ihm auferlegt, das Festland zu verlassen, und er ging nach England an den Hof des Königs, seines Schwiegervaters. Wie verderblich die Auflösung des sächsischen Herzogtums auch für das Reich war, im Augenblick genoß der Kaiser die Frucht seiner Zugeständnisse an die Fürsten. Sein Ansehen war größer als je und stellte sich auf dem Reichstage zu Mainz im Jahre 1184 eindrucksvoll dar. Die Schwertleite seiner beiden ältesten Söhne, Heinrichs, der schon den Königstitel trug, und Friedrichs, Herzog von Schwaben, gab Gelegenheit zu großartigen ritterlichen Spielen, an denen der Sechzigjährige sich rüstig beteiligte. Indessen war zwischen Papst und Kaiser bereits wieder eine Verstimmung eingetreten. Man hatte beim Frieden von Venedig, um nur zum Schlusse zu kommen, die Frage der Mathildischen Güter unerledigt gelassen; es war natürlich, daß sie wieder auftauchte und ebenso unlösbar blieb wie früher. Im Hinblick auf die Investitur sagte der Kaiser, er habe nachgeforscht und erfahren, daß seine Vorfahren, die alten Kaiser, Bischöfe nach Belieben gewählt und eingesetzt hätten. Soweit seine Vorfahren auf dies Recht verzichtet hätten, wolle er das auf sich beruhen lassen; was ihm aber an Rechten geblieben sei, wolle er sich nicht beschränken lassen. Da die Päpste nicht nur eine vom Kaiser ganz unabhängige Wahl der Bischöfe, sondern eine von ihnen abhängige wollten, bestand auch hierin ein unvereinbarer Gegensatz. Vollends erbitterte den Papst, was Friedrich als seinen größten Erfolg ansah, daß es ihm gelungen war, seinen Sohn Heinrich mit Constanze, der Erbin des Königreichs Sizilien, zu verloben. Wäre nicht Urban III. als Angehöriger einer Familie, die seinerzeit durch die Zerstörung Mailands schwer betroffen gewesen war, ohnehin ein unversöhnlicher Gegner des Kaisers gewesen, er hätte es werden müssen bei der Aussicht, den Kaiser als Besitzer desjenigen Landes zu sehen, auf das der Papst sich gegen den Kaiser zu stützen pflegte. Sowohl Lucius wie Urban weigerten sich, den jungen Heinrich zum König von Italien zu krönen. Großartig unbekümmert ließ Friedrich die Zeremonie durch den Patriarchen von Aquileja vollziehen und verlieh seinem Sohne selbst den Cäsarentitel. Um seinen Triumph zu vollenden, erbat sich die völlig versöhnte Stadt Mailand die Ehre, daß Heinrichs Hochzeit mit Constanze in ihren Mauern gefeiert werde.

      Stellt man sich vor, wie Christian von Mainz unter dem Segen des Papstes starb und wie die Mailänder Barbarossa umjubelten, als er seinen Sohn mit der Erbin Siziliens verheiratete, will es einem vorkommen, als wären die Taten der Menschen nicht anders als Naturerscheinungen, Wolken oder Winde, die kommen und gehen, sich bilden und verschwinden, zerstören und befruchten. Und doch ist in dem verschlungenen Wechsel und der scheinbaren Wahllosigkeit eine stetige Folge und ein fester, tragischer Gang, im Schicksal des Reiches wie in dem des Kaisers und jedes einzelnen, ja zuweilen ist es, als fügten weit entlegene Ereignisse sich zusammen, um vorbestimmte Ergebnisse zu erzeugen. Von solcher Wirkung war die Eroberung Jerusalems durch Saladin im Jahre 1187, die im Abendlande allgemeine Erregung hervorrief und den Kaiser veranlaßte, sich selbst an die Spitze eines Zuges zur Wiedergewinnung der Heiligen Stadt zu stellen. Auf dem Reichstage zu Gelnhausen, der ein Jahr vorher stattfand, verfaßten zahlreich versammelte Bischöfe ein Schreiben an den Papst, in dem sie sich für verpflichtet erklärten, dem Kaiser, von dem sie ihre weltlichen Güter hätten, zur Seite zu stehen, und in dem sie den Papst baten, seinen berechtigten Forderungen zu entsprechen. Wieder scharten sich weltliche und geistliche Fürsten um die Krone. Diese Einigkeit des Reiches, die Befestigung der Dynastie, die sichere Stellung dem Papst gegenüber, die Wahrung der Reichsrechte in Italien, alle drei großen Erfolge waren hauptsächlich dem Charakter des Kaisers zu danken. Wieviel der Geist und Wille eines einzelnen tragen und bewegen kann, erlebten die Menschen an ihm. Daß er immer das Große und Rechte wollte und seine Person mit allen Kräften einsetzte, um es durchzuführen, das trug ihm die dankbare Liebe seines


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