Deutsche Geschichte (Band 1-3). Ricarda Huch

Читать онлайн книгу.

Deutsche Geschichte (Band 1-3) - Ricarda Huch


Скачать книгу
allerdings durch Handelssperre ausgeübt werden, übrigens aber fehlten Einrichtungen, die ein schnelles und energisches Handeln ermöglicht hätten, es gab weder eine Bundeskasse noch eine Bundesarmee. Der zeitgenössische Chronist Albert von Stade sagte, der Bund habe den Fürsten, Rittern und Räubern nicht gefallen, sie hätten gesagt, es sei schändlich, daß Kaufleute über adlige Männer herrschten. Über den Zweck des Bundes gingen die Interessen der adligen und der städtischen Mitglieder ganz auseinander, wenn auch die beitretenden Fürsten versprachen, alle ungerechten Zölle abzuschaffen. Daß einem Herrn von Bolanden und einem Herrn von Strahlenburg bei Schriesheim ihre Burgen wegen unrechtmäßiger Zölle gebrochen wurden, rechtfertigte den Aufwand des Bundes nicht. Über der Doppelwahl nach dem frühen Tode König Wilhelms löste er sich auf, nachdem er kaum zwei Jahre bestanden hatte.

      Trotz seiner kurzen Dauer und seiner geringen Leistungen war der Rheinische Bund ein bedeutungsvolles Ereignis. Mit einem großen Wurf, richtunggebend, traten die Städte in das kämpfende Gewoge der Geschichte ein, scheinbar nur ihre wirtschaftlichen Interessen vertretend, tatsächlich als eine politische Macht, die den Fürsten eine Schranke setzte. Während die Fürsten sich auf Kosten des Reiches vergrößerten, verfochten die Städte den Reichsgedanken; um diese Zeit konnten sie mit Recht sagen, sie seien das Reich. Das mag auch am Königshofe empfunden worden sein: miraculose et potenter, wunderbar und mächtig, so heißt es in einer Urkunde Wilhelms in bezug auf den Rheinischen Bund, sei durch die Niedrigen für Frieden und Recht gesorgt worden. Denkt man daran, daß im Kreise dieser Niedrigen um diese Zeit die Dome von Freiburg, Straßburg und Köln begonnen wurden, Riesenspuren eines Geschlechtes, das seine Kräfte Unternehmungen zum Dienste des Überirdischen widmete, wird einem klar, wie reich, wie vielseitig das Leben des deutschen Volkes in den Städten strömte. Wie weit der Blick der Gründer des Bundes reichte, beweist die Tatsache, daß die städtischen Mitglieder eine Armensteuer zu entrichten hatten, und die fast noch merkwürdigere, daß sie auch das Interesse der Allerniedrigsten, der Bauern, in ihre Pläne einbezogen. Sie forderten, daß die Herren von ihren Hörigen nicht mehr als das seit dreißig Jahren Herkömmliche verlangten, ja es scheint, daß sie an die Möglichkeit des Anschlusses von Bauernschaften an den Bund dachten. Wäre dieser Gedanke ernstlich ins Auge gefaßt und weiter verfolgt worden, wie anders und wieviel harmonischer, wenn auch nicht kampfloser, hätte sich die Geschichte Deutschlands entwickeln können.

       Inhaltsverzeichnis

      Da wo das Meer und die hohen Berge sind, hatten sich freie Bauern erhalten. Es ist, als ob im Kampfe mit den Elementen, mit Flut und Sturm, mit Felszacken und Eiswüsten etwas von der Unbändigkeit und Urgewalt der Elemente auf die kämpfenden Menschen überginge. Auch bilden Gebirge sowie Meer und Sümpfe eine natürliche Schutzwehr, während die offene Ebene der Verknechtung günstig ist. Die stolze Art der meeranwohnenden Sachsen und Friesen fiel früh auf; besonders die Friesen wurden in der Zeit, wo die Hörigkeit des Bauern als das Selbstverständliche galt, vom Adel als geborene Rebellen betrachtet. Daß sie die Kunst der Entwässerung und der Bedeichung verstanden, wodurch das fette, vom Meer angeschwemmte Land erst bewohnbar wurde, gab ihnen andererseits einen hohen Wert, der von den Besitzern von Sumpfland wohl begriffen wurde. Als Graf Adolf von Schauenburg Wagrien kolonisierte, weigerten sich seine Holsten, den Zehnten zu zahlen und sagten, lieber wollten sie mit eigener Hand ihre Häuser anzünden und ihr Land verlassen, als einer solchen Sklaverei sich unterwerfen; und dabei blieb es. Um die Mitte des zwölften Jahrhunderts begannen auch die Erzbischöfe von Bremen das noch unbebaute Sumpfland an der Unterweser mit Bewohnern des westlichen Küstenlandes zu besiedeln, die damals in einer allgemeinen Bewegung nach dem Osten zu waren. Sie teilten das Land nach holländischem Recht, sogenanntem Hollerrecht aus, wonach die Siedler so gut wie frei waren, außer daß sie einen Grundzins, den Hollerzehnten, zahlten. Andere Ansiedler, wie z. B. die des Klosters Rastede und anderer Klöster, genossen geringere Vorteile; aber im allgemeinen betrachteten die von Natur streitbaren Leute das Land, das sie selbst in mühseliger Arbeit aus Sumpf und Moor geschaffen hatten, als ihr eigen, achteten Rechte von Grund- und Landesherren nicht und suchten sich ihrer zu erwehren, wenn sie unbequeme Ansprüche erhoben. Im Jahre 1190 erscheint der Name Stedinga zum ersten Male urkundlich; er umfaßte ein Gebiet an der Unterweser zwischen der Mündung von Oehre und Hunte; es gehört jetzt zum Teil zu Hannover, zum Teil zu Oldenburg. Je blühender und wohlhabender sich das Gebiet entwickelte, desto mehr reizte es die Nachbarn, berechtigte und unberechtigte Ansprüche zu erheben. Gefährlich wurden sie für die Stedinger, als in der Person Gerhards II. ein Erzbischof auf den Bremer Stuhl kam, der sich vorgesetzt hatte, sein verwahrlostes Stift neu zu befestigen. Gerhard war ein Sohn des berühmten Grafen Bernhard zur Lippe und glich seinem Vater, wenn nicht im Umfassenden der Persönlichkeit, doch in der Tatkraft. Da es ihm zunächst darauf ankam, seinen Staat finanziell zu heben, suchte er sich leistungsfähige Untertanen und fand sie in der Stadt Bremen und in den Stedingern.

      Bis dahin hatten sich die Stedinger in ihrem durch Sümpfe geschützten Gebiet und durch ihre unwiderstehliche Tapferkeit unabhängig zu halten gewußt. Ihre nachbarlichen Fehden, die sich zunächst gegen die Oldenburger Grafen richteten, deren Vögte sich allerlei Übergriffe erlaubten, verliefen zu ihren Gunsten. In den Kämpfen zwischen den Staufern und Welfen nahmen sie bald auf dieser, bald auf jener Seite teil, ohne je eine andere Politik zu verfolgen als die Bewahrung ihrer Selbständigkeit. Vielleicht hätte das Geschick der Landschaft sich anders gestaltet, wenn die bereits mächtig aufblühende Stadt Bremen sich mit den Stedinger Bauern verbündet hätte; aber daran wurde auf beiden Seiten nicht gedacht. Nur auf sich selbst gestellt waren die Stedinger, als Gerhard II. es unternahm, die Freien zu unterwerfen, einzig einige Ministeriale, deren Burgen an der Grenze der Marsch lagen, wie die von Hörspe und die von Bardenfleth, auch einige, die auf der hohen Geest wohnten, schlossen sich ihnen an. Am Weihnachtsabend 1229 fand die große Schlacht statt, in der der Führer des erzbischöflichen Heeres, Gerhards eigener Bruder, erschlagen wurde. Kurz vorher war sein anderer Bruder, Bischof Otto von Münster, auf dem Moore von Coevorden von Friesen besiegt und getötet, ein Bruder Dietrich, Propst von Deventer, gefangengenommen; so war der Erzbischof auch durch die Blutrache zum Führer im Kampfe des Adels gegen die Bauern berufen. Nachdem die Kraft der freiheitsstolzen Stedinger sich so verhängnisvoll offenbart hatte, griff der Erzbischof zu einem unedlen Mittel, dessen Wirksamkeit sich aus dem Taumel erklärt, in den die Menschen durch geschickt verwendete Schlagwörter versetzt werden können. Wer einen Feind hatte, bemühte sich, seit die Ausrottung der Häresie als eine dringende Aufgabe von Staat und Kirche erklärt worden war, den Feind zu verketzern; dann gelang es, ihn zu vereinsamen, nicht nur nachbarliche, sondern auch staatliche und kirchliche Hilfe zu seiner Vernichtung aufzubieten. Bereits wurde im Bistum Münster das Kreuz gegen friesische Bauern gepredigt; nun ließ Gerhard II. auf einer Diözesan-Synode in Bremen die Stedinger für Ketzer erklären, was er damit begründete, daß sie die Sakramente verachteten, die Lehre der Kirche für Tand erklärten, daß sie Kirchen und Klöster durch Raub und Brand verwüsteten, daß sie mit des Herren Leib abscheulicher verführen, als der Mund aussprechen dürfe, daß sie von bösen Geistern Auskunft begehrten, wächserne Bilder bereiteten und sich von wahrsagenden Frauen Rat holten. Es waren zum Teil die gleichen Anschuldigungen, die schon zu Bonifazius' Zeit erhoben waren und noch erhoben werden könnten. Daß allerlei Aberglaube bei den Stedingern wie überall auf dem Lande im Schwange war, ließ sich so wenig leugnen, wie daß sie im Kampfe um die Unabhängigkeit Klöster zerstört hatten. Kirchen gab es in diesen, vor der Ansiedlung der Sachsen und Friesen kaum bebauten Gegenden allerdings wenige, und es ist möglich, daß die Stedinger an diesen wenigen genug hatten. Entweihung der Hostie war ein Vorwurf, der gegen alle Ketzer wie auch gegen Juden gern erhoben wurde und den man zu beweisen sich nicht verpflichtet fühlte, wie denn überhaupt die Beschuldigungen ohne Untersuchung als erwiesen galten. Worauf es eigentlich ankam, sieht man aus dem Satz, den der Erzbischof mit Beziehung auf eine Stelle aus dem Buch Samuel aufstellte: Nolle obedire scelus est idolatriae – Ungehorsam ist gleich Götzendienst. Ein abgefeimter Satz, der jeden Versuch des Freien, seine Freiheit zu erhalten, des Unterdrückten, sich zu wehren, für das ruchloseste Verbrechen erklärte, das die Zeit kannte. Papst Gregor sah wohl, wie mangelhaft begründet die Anklagen des Erzbischofs gegen die Stedinger waren und beeilte sich nicht, das Urteil


Скачать книгу