Gesammelte Werke. Ricarda Huch
Читать онлайн книгу.nicht allzu mächtig werden zu lassen. Karl hatte 1514 die Regierung seines burgundischen Erbes angetreten, 1516, nach dem Tode seines Großvaters Ferdinand, die Regierung Spaniens, womit das neuentdeckte Goldland jenseits des Ozeans zusammenhing, durch den Tod Maximilians war er in den Besitz Österreichs gekommen mit der Aussicht auf Böhmen und Ungarn. Der Inhaber einer so ungeheuren Macht sollte nicht noch dazu durch die Kaiserkrone über das Reich verfügen und, schlimmer als das, die alten Rechtstitel des Reiches auf Italien geltend machen können. Franz hatte den festen Willen, diese Krone zu erringen, sei es durch Geld, List oder Gewalt. Karl, als der eigentliche berechtigte Erbe und weil es seinem Stolz entsprach, war gelassener: ihm gehörte die Krone selbstverständlich. Als mögliche Anwärter kamen noch in Betracht Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen, und Ferdinand, Karls jüngerer Bruder.
Stand der gerade Weg der Erbfolge Franz I. nicht offen, so bahnte er sich doch früh schon Schleichwege ins Reich. Als im Jahre 1517 die etwaige Nachfolge des Kaisers verhandelt zu werden begann, waren ihm bereits die meisten Stimmen sicher. Trier und Brandenburg waren durch und durch französisch, Pfalz war, seit Maximilian im pfälzischen Kriege ein Stück der Pfalz für sich behalten hatte, Habsburg feindlich. Von den nicht kurfürstlichen Ländern war Bayern aus demselben Grunde wie Pfalz und aus alter Eifersucht gegen Habsburg, und auch im Norden hatte Frankreich treue Anhänger. Gelang es Franz noch Mainz zu gewinnen, was leicht möglich schien, da der Erzbischof Albrecht Bruder Joachims I. von Brandenburg und durch diesen zu beeinflussen war, so konnte er auf Erfolg rechnen. Ein bedeutendes Übergewicht verschaffte ihm, daß er über große Geldmittel verfügte. Er war der reiche Mann, der die armen und geldgierigen deutschen Fürsten kaufen konnte, und war entschlossen, es zu tun. Allmählich indessen begann auch Maximilian sich zugunsten seines Enkels zu rühren. Ihm fehlten die Mittel, das Unternehmen zu finanzieren; aber Karl, der Herr der reichen niederländischen Städte, konnte schon etwas aufbringen. Als Wirtschafter aber glich Karl nicht seinem väterlichen Großvater Maximilian, dem das Geld durch die offenen Hände rann, sondern seinem mütterlichen Großvater, dem sparsamen Ferdinand von Spanien. Mit 100 000 Goldgulden dachte er das Wahlgeschäft erledigen zu können. Maximilian kannte die deutschen Fürsten besser. Hunderttausend Goldgulden! Allein 80 000 müsse man Pfalz bieten, um ihn wegen des verlorenen Hagenau zu begütigen.
Auf dem Reichstage zu Augsburg, demselben, der in betreff des Türkenzehnten so unglücklich für Maximilian verlief, errang er durch reichliche Geldversprechungen, Entgegenkommen aller Art und auch durch seine Liebenswürdigkeit große Erfolge in der Wahlsache. Dank des jungen Pfalzgrafen Friedrich, der persönlich dem Habsburgzauber erlegen war, gewann er dessen Bruder, den Kurfürsten von der Pfalz. Albrecht von Mainz gab nach, als Maximilian ihm den Kardinalshut verschaffte und ihn dazu noch mit vielen Tausenden von Goldgulden und hübschen Geschenken überhäufte. Die schriftlichen Wahlversprechen, die vorher Franz I. gegeben waren, bildeten kein Hindernis. Trier allerdings blieb fest bei Frankreich; dafür glaubte Maximilian in bezug auf Sachsen gute Aussichten zu haben. Sein Verhältnis zu Friedrich dem Weisen, seinem Gegner in der Sache des Reichsregiments, war dadurch noch verschlechtert, daß er Sachsen den Anspruch auf Jülich-Berg und damit einen ansehnlichen Machtzuwachs aberkannt hatte; das konnte jedoch bei einem Herrn seines Charakters nicht den Ausschlag geben. Zwar hielt der Kurfürst an seinem Grundsatz, der Goldenen Bulle gemäß ungebunden zu bleiben, mit dem er die französischen Bestechungsversuche abgelehnt hatte, auch Maximilian gegenüber fest; aber dieser hatte doch den Eindruck, daß seine Herzlichkeit nicht wirkungslos geblieben sei. Jedenfalls, glaubte Maximilian, werde er nicht für Frankreich stimmen. Bei Brandenburg handelte es sich darum, Frankreich zu überbieten. Der Markgraf kostet viel, schrieb der Kaiser nach Brüssel; aber da man die Kosten nicht scheute, kam der Abschluß zustande.
Nach dem Tode Maximilians änderte sich alles. Der Kaiser war noch nicht 60 Jahre alt und hatte rüstig geschienen: man hatte die Wahlverhandlungen mehr wie ein vorläufiges diplomatisches Geplänkel betrieben. Nun war es Ernst geworden, folgenschwere Entschlüsse mußten gefaßt werden. Franz I. erneuerte seine Bestechungskünste und hatte wiederum Erfolg, obwohl durch die inzwischen gelungene Überbietung Maximilians die Ansprüche hinaufgetrieben waren. Albrecht von Mainz verlangte außer hohen Geldsummen, nachdem er durch Maximilians Vermittlung Kardinal geworden war, nun durch Franzens Verwendung immerwährender Legat des Papstes zu werden. Was Joachim I. an Geld forderte, war so übertrieben, daß der französische Gesandte sich entrüstete; aber Franz sagte unerschrocken, der Markgraf solle in jeder Hinsicht gesättigt werden. Vergebens bemühte sich der König um Friedrich den Weisen, vergebens um Sickingen. Dieser hatte, als Maximilian noch lebte, in französischem Dienst gestanden; aber als Franz I. ihm die Pension entzog, ihn überhaupt nicht mit der Rücksicht und Hochschätzung behandelte, die der angesehene Ritter und Truppenführer beanspruchte, löste er das Verhältnis und ließ sich nun nicht wieder gewinnen. Noch verhängnisvoller war es für den König, daß es ihm nicht gelang, den mächtigen Fugger auf seine Seite zu ziehen. Wie hätte er auch diesen Fürsten des Geldes bestechen können? Jakob Fugger hatte schon mit Maximilian Geschäfte gemacht, war durch die Ausbeutung der Tiroler Bergwerke mit den Habsburgern verbunden und stellte jetzt seine unerschöpflichen Mittel zu ihrer Verfügung.
Je näher der Termin der Wahl heranrückte, desto emsiger wurden die diplomatischen Fäden gesponnen. An den kurfürstlichen Höfen, am päpstlichen Hofe, in der Schweiz handelten und feilschten die französischen und die niederländisch-österreichischen Geschäftsträger und priesen ihre Gebieter an. Bald wurde Franzens schrankenlose Königsmacht in Frankreich hervorgehoben, bald daß er sich wenig in Deutschland werde aufhalten können, also den Fürsten nicht dreinreden werde. Da von mancher Seite betont wurde, der Kaiser müsse ein Deutscher sein, auch angenommen wurde, das stehe in der Goldenen Bulle, wurde es auf einmal ein Ruhmestitel, ein Deutscher zu sein. Sowohl Franz I. wie Heinrich VIII. wiesen auf ihr deutsches Blut hin, ohne freilich es hierin Karl gleichtun zu können, dessen Großvater Maximilian trotz seiner portugiesischen Mutter allgemein als Deutscher galt. Ebenso schwer zu ergründen wie der Kurfürst von Sachsen war, wenn auch aus anderen Gründen, der Papst. Die an vielverschlungene Politik gewöhnten Diplomaten rätselten doch vergeblich an den Gaukelkünsten der Kurie. Karl war dem Papst mehr als ohnehin zuwider, seit er durch Beerbung seines spanischen Großvaters König von Neapel geworden war. Seit Jahrhunderten war es päpstlicher Grundsatz, nicht zu leiden, daß Neapel in die Hände des Kaisers komme. Da Karl den ihm zugemuteten Verzicht auf Neapel entschieden ablehnte, konnte man annehmen, daß Leo X. seine Wahl bekämpfen werde. Indessen, wenn er auch weitgehend mit Frankreich sich einließ, so machte er doch auch Karl Hoffnungen, die sogar ehrlich gemeint schienen. Nicht unwichtig für die österreichische Sache war es, daß die schweizerische Tagsatzung sich einmütig, wenn auch nicht für Karl, so doch gegen Franz erklärte. Es ist begreiflich, daß die Eidgenossen, die sich daran gewöhnt hatten, Frankreich gegen Österreich auszuspielen, den französischen König nicht auf dem Kaiserthron sehen wollten. So nützlich ihnen der mächtige und reiche französische König war, so gefährlich wäre er ihnen geworden, wenn er mit diesen Mitteln kaiserliche Ansprüche hätte geltend machen können. Einige Kantone waren sogar bereit, sich für Karl einzusetzen; wurden sie auch überstimmt, so vereinigten sich doch alle gegen Franz. Indem sie betonten, Glieder des Römischen Reiches zu sein, von dem sie sich nie getrennt hätten, wie sie ja auch den Reichsadler in ihren Wappenschildern führten, schrieben sie den Kurfürsten, sie wollten nicht, daß Franz gewählt werde. Das Kaisertum sei seit 600 Jahren bei den Deutschen und müsse bei ihnen bleiben. Diese Stellungnahme der kriegstüchtigen Schweizer war nicht zu unterschätzen; sah es doch so aus, als sollten die Waffen den Streit entscheiden. Franz I. zog Truppen zusammen und ließ sich vernehmen, er werde sich, wenn nötig, die Krone mit Gewalt holen; da rüstete auch Österreich.
Als die Kurfürsten im Frühling in Oberwesel zusammenkamen, um Vorberatungen abzuhalten, waren sie immer noch umschwärmt und bedrängt von den Gesandten der Bewerber. Trier und Brandenburg standen unentwegt bei Frankreich; trotzdem waren die Aussichten günstiger für Karl geworden. Zum Teil kam das daher, daß das deutsche Volk, das zwar keine Stimme bei der Wahl hatte, aber doch ein Wille und eine Macht war, Frankreich ablehnte, einen deutschen Kaiser forderte. Solange ein Volk furchtlos und waffengeübt ist, kann es seinen Willen oft besser unmittelbar als durch gewählte Vertreter kundtun. Die Grafen und Herren am Rhein, die Städte, die unter den Gebildeten einflußreiche Schar der Humanisten wollten von Frankreich nichts wissen, übertrugen