Die Romantik. Ricarda Huch

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Die Romantik - Ricarda Huch


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hatte die Romantiker gesammelt; unermüdlich betonte er die Nothwendigkeit, daß die Gebildeten sich zusammenthun und eine unsichtbare Kirche bilden müßten, da der Einzelne nichts Großes ausrichten könne. Die Künstler, sagt er in den Fragmenten, sollen zusammentreten als Eidgenossen zum ewigen Bündniß; eine Hanse bilden wie die Kaufleute im Mittelalter. Ihm selber entwickelten sich die Gedanken vorzüglich im Gespräch und im Briefwechsel. Dessen war er sich bewußt; ohne die Freunde glaubte er nichts, mit ihnen Alles leisten zu können. Tieck, Novalis und Schleiermacher führte er seinem Bruder zu und warb sie zum Mitwirken am Athenäum an. Novalis sollte philosophische und chemische Beiträge geben, Karoline persönliche, Schleiermacher ethische, Wilhelm ästhetische. Und so ist denn das Athenäum wirklich ein Zusammenklang der verschiedensten Individuen geworden, die nur darin Eins waren, daß sie die Wahrheit suchten und an den Geist glaubten. Bald sehen uns die reinen, scharfen Augen Schleiermacher's daraus an, bald die zum Himmel schwärmenden des frommen Novalis. Von ihm sagte Friedrich, er dichte in Atomen. Seine Aussprüche schweben wie Leuchtkugeln auf in schönem Schwunge, eine sanfte Helligkeit über den dunkeln Himmel verbreitend und still ausathmend, ehe man sich ihrer deutlich bewußt geworden ist.

      »Wir sind dem Aufwachen nahe, wenn wir träumen, daß wir träumen.«

      »Der Tod ist eine Selbstbesiegung, die wie alle Selbstüberwindung, eine leichtere Existenz verschafft.«

      Man ahnt einen unergründlichen Gehalt in den Worten und möchte ihn fassen; aber zugleich hauchen sie eine Musik aus, der man sich mit geschlossenen Augen hingeben möchte, ohne zu untersuchen.

      Schärfer und bestimmter ist, was Schleiermacher giebt; fast Alles berührt das Psychologische, wie sein durchdringender Blick es zu Tage förderte. Man erfreut sich an der feinen Beobachtung, an der unbeugsamen Wahrheitsliebe, mit der er Folgerungen zieht und keinem Schlusse ausweicht; aber da ist keine zitternde Oberfläche, unter der unermeßliche Tiefe lockt, keine blaue Ferne, kein süßes Dunkel, das geheimnißvollen Urwald ankündigt. »Was oft Liebe genannt wird, ist nur eine eigene Art von Magnetismus. Es fängt an mit einem beschwerlich kitzelnden en rapport Setzen, besteht in einer Desorganisation und endigt mit einem ekelhaften Hellsehen und viel Ermattung. Gewöhnlich ist auch Einer dabei nüchtern.«

      An ihrer zierlichen Geschliffenheit und der Weltlichkeit ihres Inhalts erkennt man Wilhelm's Zuthaten. Er bezieht sich niemals, wie die eigentlichen Romantiker zu thun pflegten, auf das Unendliche; sondern beschränkt sich auf ein bestimmtes Werk, irgend eine bestimmte Erscheinung, die er richtig und hübsch beleuchtet. Seine weltmännische Correktheit und Urbanität verhindert ihn, in Gesellschaft sich anders als allgemein verständlich und vermittelnd auszudrücken.

      Friedrich's Geist ist im Athenäum der verbindende Goldgrund des farbigen Gemäldes. Jeden angedeuteten Gedanken verfolgt er bis in seine äußersten Folgen und sammelt alle zu Systemen oder wenigstens System-Projekten. Man erfährt hier die anregende Kraft, mit der er lebend so Viele an sich fesselte, und die vielleicht hauptsächlich darin besteht, daß sein gewaltiger Hang, sich über die Welt klar zu werden, uns wie ein langsam fließender, aber starker Strom ergreift und mitreißt; wie Schwärmereien sich epidemisch mitheilen, so entzündet seine philosophische Wuth seine Zuhörer zum Kreuzzuge nach dem heiligen Grabe des Welträthsels.

      Ein majestätischer Idealismus ist die Weltanschauung, die das Athenäum proklamirt. An allem Aeußerlichen, das der Mehrzahl der Menschen wichtig dünkt und sie beschäftigt, wird mit großartiger Nachlässigkeit vorübergegangen, oder das innerliche Wesen wird daraus hervorgesucht und dadurch die Alltäglichkeit ihren Verehrern entfremdet und auf eine hohe Stufe gerückt. »Nicht in die politische Welt verschleudre du Glauben und Liebe, aber in die göttliche Welt der Wissenschaft und der Kunst opfere dein Innerstes in dem heiligen Feuerstrom einiger Bildung.«

      Wissenschaft und Kunst werden von Friedrich einmal geradezu den Göttern und der Unsterblichkeit gleichgesetzt. Als der höchste Vorzug der Deutschen wird ihr Idealismus hingestellt. »Nicht Hermann und Wodan sind die Nationalgötter der Deutschen, sondern die Kunst und die Wissenschaft.« Was für ein hochschwellender vaterländischer Stolz liegt in diesem Bekenntniß; wie fern aber von eitler Ueberhebung; denn: »es giebt nur wenige Deutsche.« Aber der Charakter der großen deutschen Künstler aller Zeit sei rechtlich, treuherzig, gründlich, genau und tiefsinnig, dabei unschuldig und etwas ungeschickt; nur der Deutsche treibe die Kunst als eine Tugend und als Religion. Als die größten Vertreter deutscher Kunst und Wissenschaft zählt Friedrich auf: Kepler, Dürer, Luther, Jakob Böhme, Lessing, Winkelmann, Goethe und Fichte, alles Männer, die durch Geist und Charakter zugleich hervorragen. Auch wird absichtlich kein Unterschied gemacht zwischen Künstlern oder Denkern und großen Menschen; rauscht doch das Motto: Einheit und Ganzheit beständig dem marschirenden Heere voran wie eine Musik von Trompeten und Trommeln, ein heroisches Feldgeschrei.

      »Universalität ist Wechselbethätigung aller Formen und Stoffe.« So wurde das Gemeinschaftliche in den verschiedenen Künsten gesucht, im Gegensatz zu Lessing, dessen sondernder Verstand ihre Grenzen feststellte. In der Dresdener Galerie hatten Wilhelm und Karoline Betrachtungen über die bildenden Künste angestellt, die sie zu einer Gabe für das Athenäum unter dem Titel »die Gemälde« anmuthig verarbeiteten. Da heißt es: »Und so sollte man die Künste einander wieder nähern und Uebergänge aus einer in die andere suchen. Bildsäulen beleben sich vielleicht zu Gemälden, Gemälde werden zu Gedichten, Gedichte zu Musik, und wer weiß? so eine herrliche Kirchenmusik stiege auch einmal wieder als ein Tempel in die Luft.« Und noch einmal in einem Fragment berührt Wilhelm denselben Gedanken:

      »In den Werken der größten Dichter athmet nicht selten der Geist einer andern Kunst. Sollte das nicht auch bei Malern der Fall sein? Malt nicht Michelangelo in gewissem Sinne wie ein Bildhauer, Raphael wie ein Architekt, Corregio wie ein Musiker? Und gewiß würden sie darum nicht weniger Maler sein als Tizian, weil dieser bloß Maler war.«

      Auch das kühne und schöne Bild von der Architektur als einer gefrorenen Musik, jetzt beinahe gemeinplätzig geworden, hat Wilhelm zuerst gebraucht.

      Das Ineinanderüberschwanken von Musik und Poesie und Malerei wurde ein Lieblingsthema von Ludwig Tieck. »Wie?« sagt er in der Verkehrten Welt, »es wäre nicht erlaubt, in Tönen zu denken und in Worten und Gedanken zu musiziren? O wie schlecht wäre es dann mit uns Künstlern bestellt! Wie arme Sprache, wie ärmere Musik! Denkt ihr nicht so manche Gedanken so fein und geistig, daß diese sich in Verzweiflung in Musik hineinretten, um nur Ruhe endlich zu finden? Ach, ihr liebe Leute, das Meiste in der Welt grenzt weit mehr an einander, als ihr es meint.«

      Daß er im Zerbino die Flöten sagen läßt: »Unser Geist ist himmelblau, führt dich in die blaue Ferne« hat man in nachromantischer Zeit lächerlich gemacht, während man jetzt anfängt, die Verwandtschaft zwischen den verschiedenen Sinnesempfindungen wissenschaftlich zu untersuchen.

      Wie nun in allen Künsten ein einziges Grundprinzip geahnt wird, so sollen auch alle Wissenschaften auf eine Wissenschaft zurückgeführt, ja schließlich Kunst und Wissenschaft Eins werden.

      »Alle Kunst soll Wissenschaft und alle Wissenschaft soll Kunst werden; Poesie und Philosophie sollen vereinigt sein.«

      Und eben diese Poesie, die auf ihrem höchsten Gipfel Eins mit der Wissenschaft ist, ist die romantische, die Universalpoesie, die werdende, die Poesie der Poesie. Die dunkeln Vorstellungen, die die meisten Menschen von der romantischen Poesie haben, als stehe sie in einem unversöhnlichen Gegensatze zu der sogenannten klassischen, als sei sie die überschwengliche, phantastische, verworrene, sind weit ab von der großartigen Idee, die den romantischen Aesthetikern vorschwebte: jedes unpoetische Element soll aus der Dichtung ausgeschieden werden, Alles aber, was der Sinn ausnehmen, der Geist erkennen, das Gemüth ahnen kann, soll die allumfassende in sich begreifen. Alles soll poetisirt werden. Nichts ist zu gering oder zu groß für die Poesie; denn auch die kleinste Erscheinung verhüllt ein Unendliches.

      Es scheint dem, der sich in das Athenäum vertieft, als gäbe es auf der Welt nichts als Kunst und Wissenschaft, und als ob insofern der Vorwurf gerechtfertigt wäre, alles dies habe nur für gelehrte Künstler und künstlerische Gelehrte, also für einen sehr kleinen Kreis von Menschen, Bedeutung. Und allerdings gehörten ja die Wenigen, die hier zu Worte kamen, einer Hanse an, fühlten sich stolz als Mitglieder einer unsichtbaren


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