Die Romantik. Ricarda Huch

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Die Romantik - Ricarda Huch


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schildern, nur daß ihr Liebe oder Pietät immer zur Seite standen und wenn nicht ihr Urtheil, so doch den Ausdruck ihres Urtheils beeinflußten. In ihren Freundschaften mit Frauen war nichts Schwärmerisches und Verstiegenes, vielmehr lag eine gewisse Unerbittlichkeit in der Art, wie sie die Freundin ganz nahm, wie sie war, ohne je zu idealisiren; aber wenn sie auch nicht durch Schmeichelei verwöhnte, so beglückte sie umsomehr durch Verständniß, richtige Schätzung und unwandelbare Anhänglichkeit. Jene echte, geniale Kunst des Idealisirens verstand sie aber doch, daß sie nämlich die Menschen als Ganzes sehen konnte, ihr Wesen der zerstückelnden Zeit entreißend und schöpferisch zusammenfassend. Daher haben ihre Schilderungen von Personen, die wenigen Fälle ausgenommen, wo persönliche Leidenschaft ihren Blick erhitzte, die Milde parteiloser Wahrheit, der man unbedingt Glauben schenkt.

      Wie deutlich tritt die Gestalt Therese Forster's aus den kurzen Bemerkungen hervor, die sie in Briefen über sie gemacht hat: der glückzerstörende Geist, der in ihrer ganzen Familie wohnt, ihre Unglückssucht, die sich diejenigen, die sie liebt, durchaus unglücklich vorstellen muß, wie sie überall Bitteres findet, wie unerquicklich sie für die Menschen im Allgemeinen ist, wie unendlich viel sie Wenigen sein kann, ihr Zug zur Größe, ihre Energie und Kühnheit. Wie fein und gut ist es, daß sie in Allem, was an Theresen abstößt, die »convulsivischen Bewegungen einer großen Seele« erkennt. Wie Karoline war Therese die Tochter eines Göttinger Professors, des angesehenen Philologen Heyne, und wurde, nachdem ihre Beziehungen zu dem jungen Wilhelm von Humboldt gelöst waren, die Frau des Naturforschers Georg Forster. Für keine Frau hatte Karoline jemals ein stärkeres Interesse. Grade daß diese ringende und unklare Seele von ihrer Harmonie und Güte, die, nach ihrem eigenen Ausdruck, mit solcher Sicherheit am Busen der Natur ruhte und ihr in's Auge sah, so verschieden war, machte sie ihr merkwürdig und anziehend. In ihre thatenlose Einsamkeit kam eine Einladung dieser Freundin, zu ihr nach Mainz überzusiedeln, das sich eben der neuen französischen Republik angeschlossen.hatte. Da war das Element, in dem sie athmen konnte: Leben und Handlung!

      Wie eine Erlösung, wie ein Ruf des Schicksals mußte ihr diese Aufforderung erscheinen, ihr, die sich fähig fühlte, »Wunder zu thun und ein widerstrebendes Schicksal durch ein glühendes, überfülltes, in Schmerz und in Freuden schwelgendes Herz zu bezwingen«, und die keine andre Aufgabe vor sich sah, als die Erziehung eines kleinen gutartigen Mädchens, überflüssige gesellige Pflichten und Aufheiterung einer mißvergnügten Familie. Allen Warnungen auch der geliebtesten Menschen zum Trotz zog sie mit ihrem Kinde in die aufgeregte Stadt, in das krampfhafte Treiben eines großen Volkes hinein, wo die wohlmeinenden Freunde ein so leidenschaftliches, liebebedürftiges Geschöpf allerdings für gefährdet halten konnten. Sie indessen pflegte sich auf den Zug ihres Herzens zu verlassen. Mit vollem Bewußtsein that sie es, es war ihr Stolz und ihre Sicherheit. Sie wußte, daß sie sich irren konnte, nie aber sich selbst verlieren. Sie besaß den glücklichen Instinkt der Nachtwandler, die nicht stürzen, wenn man sie nur ruhig gehen läßt Auch die Fehltritte, die sie that, und die Irrwege, die sie wählte, mußten ihr dienen. Um nichts hätte man sie mehr beneiden dürfen, als um dies Talent zur Bildung des Lebens, wenn man diesen Ausdruck gebrauchen kann, das in jedem Schicksal Zuversicht verleiht, weil man im Grunde um den letzten Ausgang nicht besorgt ist. »Vielleicht bin ich wirklich schwer zu einer Entscheidung zu bringen«, sagte sie einmal, »allein ich habe sie noch stets gefaßt, ehe es zu spät war, und mich unverrückt an ihr gehalten. Ich sage nicht heute, ich will dies thun und morgen, ich will ein Andres, und jedesmal so zuversichtlich, als wenn es ewig gelten würde – nein, es malt sich wohl sehr deutlich in meinen Aeußerungen, daß ich nicht weiß, was ich thun soll – bis der Moment kommt.« Scharf prägt sich in diesen Worten eine Natur von denen aus, die stets mehr halten, als sie versprechen, die zu klar bewußt sind, um sich selbst belügen zu können, und deren reiner, starker, nicht zu mißdeutender Instinkt sie schließlich, wenn es nöthig ist, zu handeln, das für sie Angemessene thun läßt.

      Es mochte nicht leicht für Karoline sein, zwischen Forster und Therese zu leben, die in entgegengesetzter Weise ihr Interesse in Anspruch nahmen; ihr Verstand erkannte Therese's große Anlagen an, aber ihr Gemüth wurde immer weniger durch sie befriedigt; dagegen mißbilligte ihr Kopf Forster, »den schwächsten aller Menschen«, während ihre weiblich mütterliche Zärtlichkeit ihm vielleicht grade wegen seiner Unkraft nicht anders als liebevoll begegnen konnte, dessen Intelligenz, Bescheidenheit und großmüthige Gesinnung außerdem ihr Herz bewunderte. Das Verhältniß wurde dadurch noch verwickelter, daß gerade um diese Zeit die Ehe sich vollends auflöste, indem Therese, die jetzt behauptete, ihren Mann eigentlich niemals geliebt zu haben, sich gänzlich Huber zuwandte, dem ehemaligen Freunde Schiller's und Bräutigam der Schwägerin Körner's, Johanna Stock. Forster hörte bis zum Tode nicht auf, seine Frau zu lieben oder wie Karoline nicht ohne Geringschätzung es beschrieb, »man würde seine Liebe tödten können, aber seine Anhänglichkeit nicht«. Er habe nicht die Kraft, sich loszureißen, erzählte sie, lebe von Attentionen und schmachte nach Liebe. Nachdem Therese ihr Haus verlassen hatte, wurde Karoline die Trösterin des Unglücklichen. Kurze Zeit hernach traten furchtbare Ereignisse ein; Mainz wurde von den Deutschen belagert und erobert, Forster entfloh nach Paris und Karoline fiel den Siegern in die Hände.

      Die Gefangenen wurden als Geiseln auf eine Festung gebracht und mit ausgesuchter Rohheit und Nichtachtung ihrer rechtmäßigen Forderungen behandelt. Karoline's zarte Gesundheit und die Angst um ihr Kind, das sie bei sich hatte, machten ihr alle Leiden und Entbehrungen doppelt empfindlich. Was war aber das gegen die Martern, die ihrem zarten und stolzen Herzen zugefügt wurden! Niemand hatte ihr Verweilen in Mainz, ihren Enthusiasmus für die französische Freiheit und ihre Theilnahme für Forster, den Vertreter derselben, gebilligt, man hatte ihr im Geiste die rothe Mütze der Jakobiner aufgesetzt – und welcher Schlechtigkeit hielt man Jakobiner nicht für fähig? Ueber die Unglückliche und Wehrlose ergoß sich die Verleumdung: sie sollte die Geliebte des französischen Generals Custine gewesen sein, ihre Freundschaft mit Forster wurde nichtsdestoweniger als Liebesverhältniß aufgefaßt, ihr Schwager Böhmer, der auf Seiten Frankreichs war und eine zweideutige Rolle gespielt hatte, wurde für ihren Mann gehalten. Sie konnte nichts thun, als stolz und entrüstet ihre Unschuld betheuern, aber sie that es mit dem Gefühl, daß der Schein gegen sie war. Denn, wie falsch auch die Anklagen waren, die gegen sie vorgebracht wurden, etwas Verhängnißvolles war geschehen: sie erwartete Mutter eines Kindes zu werden, ohne mit dem Vater desselben rechtlich verbunden zu sein, ja, was erst das eigentliche Unglück ausmachte, ohne sich ihm innerlich verbunden zu fühlen.

      Man hätte nichts gewonnen, wenn man mit Sicherheit ermitteln könnte, wer der Mann war, dem sich die Einsame so unbesonnen und freudlos hingegeben hatte. Daß sie, die Anschmiegsame, von einem Manne, der sie zu fesseln wußte, hingerissen werden konnte und um seinetwillen Vernunft und Vorsicht hintangesetzt, ist weniger überraschend, als daß Leidenschaftlichkeit ihre hellen Augen so umflorte, daß sie die Unwürdigkeit des Liebhabers nicht erkannte oder übersah; und vielleicht hätte es doch nicht geschehen können, wenn nicht vorher die Pein, einen Mann zu lieben, der sie niemals ganz an sich zog und doch auch niemals entschieden von sich stieß, sie überreizt und im Herzen krank gemacht hätte.

      Da sie nun aber allein in die entsetzlichsten Verhältnisse hinausgestoßen war, fand sie ihre ganze Ueberlegenheit, Seelengröße und Hoheit wieder. Das war es gerade, was ihrer Schwachheit das Verächtliche nahm, daß sie bei aller Weichheit die edle männliche Eigenschaft besaß, nach einem Sturze unverletzt aufstehen und ebenso stark und sicher wie vorher ihres Weges weitergehen zu können. Daß sie Liebe gegeben hatte, für etwas, das sie für Liebe genommen hatte und das es auch wohl gewesen war, wenn auch von Seiten eines Schwächlings, war ihr vor sich selbst nichts, dessen sie sich geschämt hätte. Was in ihr vorging, war ihrem klaren Bewußtsein immer ganz übersichtlich und durchsichtig, das verlieh ihr das Unschuldsgefühl derer, die durch keine Lüge in sich befleckt sind, und Festigkeit in schwankender Lebenslage, während Andre oft selbst dann schwanken, wenn der Boden unter ihnen fest ist. Wie sie immer zu thun pflegte, erkannte sie Alles, was geschehen war und was sie gethan hatte, in seiner Folgerichtigkeit und ertrug das Nothwendige, ohne ein außer ihr befindliches Schicksal anzuklagen. Ihr Muth und ihre Kraft wuchsen mit der Gefahr. Man weiß nicht, wie sie es aufnahm, daß der Mann, der so lange der Stern gewesen war, auf den sie gehofft hatte und dem seine Stellung es am ersten ermöglicht hätte, ihr zu nützen, sich zurückzog, wie es den Anschein hat aus feiger Vorsicht,


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