Psychotherapie - wozu und wie?. Mary Michael

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Psychotherapie - wozu und wie? - Mary Michael


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landläufiger Ansicht und trotz oberflächlicher Ablehnung sind Probleme keine lästigen Nebenprodukte eines falsch gelebten Lebens, die man schnellstmöglich los werden sollte. In Problemen steckt vielmehr der Schlüssel zum Weiterkommen. Sie stellen oft existentiell schwierige Situationen her, durch deren Bewältigung das individuelle und auch das gesellschaftliche Leben erst seine passende Fortführung findet. Probleme sind geradezu Voraussetzung für das Überleben.

      Wenn die Lösung im Problem liegt, dann könnte man meinen, es bräuchte keinen Therapeuten, um auf sie zu stoßen. Das trifft allerdings nicht zu. Der Therapeut wird als Beobachter gebraucht, der das in seine Betrachtung mit einbezieht, was der Betroffene an sich nicht oder nicht sinnhaft beobachtet.

      Die Lösung ist zwar im Problem enthalten, aber sie liegt nicht offen herum, sie ist unbeobachtet und unbeachtet, sonst wäre das Problem auch ohne Hilfe eines Begleiters zu lösen. In Zusammenarbeit von Therapeut und Klient kann der 'Quellpunkt' des Leidens erkannt, das Problem erforscht und verstanden werden; wozu auch gehört, die in ihm enthaltene Lösung aufzugreifen.

      Ich hoffe, mit diesen Andeutungen Lust auf ein tieferes Verständnis von Problemen geweckt zu haben, denn in den folgenden Abschnitten möchte ich eine am Problem orientierte Vorgehensweise verdeutlichen. Dabei wird deutlich werden, dass im Grunde die meisten Psychotherapien problem- beziehungsweise konfliktorientiert vorgehen, selbst wenn sie dies in komplizierter Fachsprache verbergen.

      Bei eine problemorientierten Vorgehensweise geht es speziell um:

       Das Wesen von Problemen,

       die Aufgabe individueller Identität,

       das Bild, das man sich von der komplexen Psyche machen kann,

       die Frage, wie Probleme ihre Lösungen enthalten,

       die Frage, wieso sich Probleme nicht durch Was-Fragen, sondern durch Wer-Fragen lösen lassen, und

       die Frage, welche Lösungen nicht-therapeutischer Art sich ergeben, wenn man problem- und lösungsorientiert vorgeht.

      Anstatt das Thema der am Problem orientierten Psychotherapie theoretisch aufzugreifen, möchte ich das Wesen von Problemen anhand eines Beispiel aus der Beratung erläutern.

      Das Beispiel handelt von einer 48jährigen Frau, die - wie sie selbst sagt - ein großes Problem hat. Ihr Lebenspartner sei vor einem Jahr gestorben. Unter Tränen erzählt sie, der Mann sei die große Liebe ihres Lebens gewesen, sie habe sechs Jahren mit ihm zusammen gelebt und während dieser Zeit hätten sich zum ersten mal alle ihre Beziehungswünsche erfüllt. Dann habe der Krebs ihn ihr weggenommen. Seither leide sie furchtbar und verliere die Lust am Leben.

      Betrachten wir die schwierige Situation der Frau aus einigem Abstand. Bis zu diesem Punkt beschreibt sie lediglich Ereignisse und Tatsachen. Der Mann ist gestorben, sie hat ihn geliebt und trauert um ihn. Wo aber ist das Problem? Um es zu erkennen müsste man die Frau fragen „Ich verstehe was passiert ist, aber ich verstehe nicht, was ihr Problem damit ist.“ Eine solch unverblümte Frage verbietet sich natürlich aus Takt und Mitgefühl, dennoch muss die Frage irgendwie beantwortet werden, wenn man das Problem richtig verstehen will.

      Der Begleiter drückt also sein Mitgefühl aus und fragt, was er für die Frau tun könne. Sie antwortet: „Es ist schon ein Jahr her, und ich trauere immer noch.“ Diese Aussage beschreibt ihren emotionalen Zustand, und sie kommt dem Problem bereits näher als die ersten Aussagen es taten, sie trifft das Problem aber noch nicht.

      „Ja“ sagt der Begleiter jetzt, „es muss sich um eine sehr tiefe Trauer handeln. Ich kann mir vorstellen, dass Sie bis ins Mark erschüttert sind.“

      Die Frau kämpft nun erneut mit den Tränen, reißt sich dann aber zusammen und sagt in einem etwas schroffen Ton „Es muss doch irgendwann mal vorbei sein!“

      „Was muss vorbei sein?“ fragt der Begleiter.

      „Die Trauer, der Schmerz“ betont die Frau, richtet sich etwas auf und gewinnt ihre Fassung langsam zurück.

      „Warum muss es jetzt vorbei sein?“ will der Begleiter nun wissen.

      „Das Leben geht doch weiter, und die ewige Trauer bringt ihn mir auch nicht zurück.“

      Diese letzten Sätze offenbaren das Problem: Vor dem Berater sitzt eine Frau, die erschüttert ist und die nicht erschüttert sein will. Das Problem besteht in einem Zwiespalt ihres Erlebens. Über längere Zeiträume hinweg traurig und verzweifelt zu sein und es gleichzeitig nur begristet sein zu wollen - das ist in der Tat ein schwieriges Problem.

      Betrachten wir die Aussagen und das Verhalten der Frau detaillierter, um ihr Problem noch klarer zu erkennen. Einerseits sagt sie „Ich bin traurig über den Verlust“, andererseits sagt sie „Das Leben geht doch weiter“. Einerseits beschreibt sie wie groß der Schmerz sei, andererseits sagt sie „Das bringt ihn auch nicht zurück“. Man bekommt beinah den Eindruck, es mit zwei verschiedenen Personen zu tun zu haben, einerseits mit einer emotionalen Frau und andererseits mit einer rationalen Frau. Und tatsächlich stimmt dieser Eindruck – nur dass es sich nicht um zwei unterschiedlichen Personen, sondern um zwei unterschiedliche Identitäten des selben Menschen handelt. Die eine Identität könnte man die „Emotionale“ nennen, die andere die „Rationale“. Man könnte ebenso gut von einer „Weichen“ und einer „Harten“ sprechen oder von einer „Schwachen“ und einer „Starken“. Diese beiden Identitäten sind in Konflikt miteinander geraten, und dieser Konflikt stellt den Kern des


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