Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane. Pete Hackett

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Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane - Pete Hackett


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weil er Jerome Bibbs zum Krüppel geschossen hatte. Sie rechnete sich wohl aus, dass der Verletzte nun noch mehr dem Whisky zusprechen und dass er vor allem häufiger mal Trost brauchen würde, den er sich ein paar Dollars kosten ließ. Wo er diese Dollars in Zukunft herbekommen sollte, darüber machte sich das Mädchen hinter der Theke anscheinend keine Gedanken.

      Momentan war der Hagere jedenfalls nicht im Saloon. Wahrscheinlich verspürte er noch keine Lust, sich als Geschlagener in der Öffentlichkeit zu zeigen. Doc Bishop hatte Chaco berichtet, dass der Mann ein energiegeladenes Wutpaket war, als er bei ihm aufgetaucht war, um sich verarzten zu lassen. Er hatte Tod und Teufel auf das Halbblut herabgeflucht und kein Geheimnis daraus gemacht, dass das letzte Wort zwischen beiden noch nicht gesprochen war.

      Deswegen machte sich Chaco keine Sorgen. Viel wichtiger war ihm, dass er bald die anderen Namen der Bande erfuhr, und vor allem den Namen des Anführers. Solange er die nicht kannte, schwebte Chalk Kimball in großer Gefahr. Er konnte ihm nur helfen, indem er die gnadenlosen Killer unschädlich machte. Aber dazu musste er sie erst mal kennen.

      Die Gespräche im Saloon kamen langsam wieder in Gang, als man merkte, dass der Halbindianer keine Lust verspürte, die Heldenrolle zu spielen. Trotzdem fand sich einer, der sich näher für ihn interessierte. Chaco kannte ihn bereits vom Sehen. Es war York Raines, der Bürgermeister. Der massige Mann stand von einem der Tische auf, an dem er mit ein paar Leuten gesessen hatte, die Chaco nicht kannte, nahm sein Bierglas und stellte sich neben den Halbindianer an den Tresen.

      „Mit Ihnen ist nicht gut Kirschen essen, Mr. Gates“, begann er beiläufig

      Chaco sah ihn kurz an. Er überlegte, was der Bürgermeister wohl von ihm wollte, und gelangte zu dem einzigen Schluss, dass er ihn vermutlich nicht gern in seiner Stadt sah. Daran war er gewöhnt.

      „Mit mir kann man jedes Obst essen“, entgegnete er. „Voraussetzung ist, dass man nicht den bleiernen Löffel benutzt.“

      York Raines grinste.

      „Sie haben es dem Kerl anständig gegeben.“

      „Er hat zuerst gezogen. Ich hätte ihn erschießen können.“

      „Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen, Mr. Gates. Ich weiß, dass Sie ihn nicht ermorden wollten. Der alte Henry hat mir einiges über Sie erzählt. Sie waren schon mal in dieser Stadt. Das war vor meiner Zeit. Trotzdem möchte ich Ihnen als Bürgermeister noch nachträglich dafür danken. Gibsonville war damals in ziemlichen Schwierigkeiten.“ Er nahm einen großen Schluck Bier, stellte das Glas zurück und wischte sich die Mundwinkel trocken. Dann fuhr er leise fort: „Und das ist es jetzt wieder.“

      „Euer Marshal wird das ändern“, meinte Chaco ungerührt.

      „Allein kann er das nicht.“

      „Er hat einen Deputy und Vollmacht, sich so viele Hilfskräfte zu ernennen, wie er nur braucht.“

      „Und wenn einer der Hilfskräfte ein Shadow ist?“

      Diesmal sah Chaco den Bürgermeister länger an. Auf dem breiten Gesicht standen winzige Schweißperlen. Der Halbindianer begriff. Das hier war kein gemütliches Saloongespräch. York Raines hatte Angst. Angst, dass sich ein Bandit in seine Polizeitruppe einschlich, dass der Terror noch größer wurde, dass die Shadows schließlich die ganze Stadt in der Hand hatten.

      „Warum erzählen Sie mir das?“, fragte er unumwunden.

      Der Bürgermeister wischte sich den Schweiß aus dem Nacken.

      „Weil ich möchte, dass Sie uns helfen, Mr. Gates.“

      „Helfen? Ich? Steckt da vielleicht ein gewisser Doc Bishop dahinter?“

      „Natürlich steckt der alte Henry dahinter“, gab der andere zu. „Ich kenne Sie ja schließlich überhaupt nicht. Aber Henry sagt, dass Sie genau der richtige Mann sind.“

      „Was erwarten Sie von mir? Soll ich Ihrem Marshal in den Rücken fallen? Soll ich einen Privatkrieg inszenieren?“

      „Ich will Ihnen das erklären. Sie sind fremd hier, wenn auch gewisse Bindungen vorhanden sind. Sie brauchen keine Rücksichten zu nehmen. Wenn Sie einen Mann verdächtigen, dessen Unschuld sich später herausstellt, ist das kein großes Unglück. Mr. Brat hat es in dieser Beziehung schwerer. Er muss unter Umständen Jagd auf seine früheren Freunde machen.“

      „Dafür trägt er den Stern. Es ist sein Job.“

      „Sie wollen mich nicht verstehen.“

      „Ich will schon, Mr. Raines. Und Sie wissen genau, dass ich ja schon mittendrin stecke. Das tue ich aber nicht Gibsonville zuliebe.“

      „Sondern?“

      „Sondern weil ich prinzipiell Mörder verabscheue, auch wenn ich ausnahmsweise mal nicht selbst ihre Zielscheibe bin.“ Das war nur die halbe Wahrheit. In Wirklichkeit hieß der Grund Chalk Kimball, aber diesen Grund durfte er nicht nennen. „Ich werde also hierbleiben, bis von der Schattenbande nichts mehr übrig ist. Das tue ich aber nicht, weil Sie mich darum gebeten haben, Mister, sondern weil ich vorher nicht ruhig schlafen kann. Sie könnten aber trotzdem etwas für mich tun.“

      York Raines‘ Augen leuchteten auf. Ihm waren die Motive des Halbindianers gleichgültig. Die Hauptsache war, dass er sich der Sache annahm und sie zu einem guten Ende brachte. Er hatte erst kürzlich seinen Marshal verloren. Jetzt war er froh, dass er wieder einen hatte. Den wollte er sich nicht gleich wieder zusammenschießen lassen. Da war es besser, wenn das Halbblut seinen Kopf ein wenig hinhielt.

      „Wenn ich etwas für Sie tun kann, dann mache ich das gerne“, beteuerte er.

      „Nennen Sie mir die Namen.“

      „Die Namen? Welche Namen, Mr. Gates?“

      „Die Namen derer, die Sie selbst verdächtigen. Ich kann schließlich nicht jeden Mann in Gibsonville fragen, wie er seinen Lebensunterhalt verdient.“

      Das Gesicht des Bürgermeisters wurde plötzlich sehr faltig. Und er selbst wurde erstaunlich klein. Beinahe winzig. Er trank hastig sein Bier aus und wandte sich ab. Dann drehte er sich nochmal kurz zu Chaco um und murmelte: „Da kann ich Ihnen leider nicht helfen. Ich weiß wirklich nichts. Wirklich.“

      So schnell hatte Chaco selten einen Mann einen Saloon verlassen sehen. Nachdenklich sah er dem Bürgermeister nach. Ihm wurde Verschiedenes klar. Die Angst hatte in dieser Stadt schon viel weiter um sich gegriffen, als er bisher geglaubt hatte. Die Schattenbande hatte ein leichtes Spiel, denn niemand trat ihr ernsthaft entgegen. Sogar die, die etwas zu sagen gehabt hätten, verschlossen krampfhaft die Augen, um nichts sehen zu müssen und um nicht handeln zu müssen. Sie hatten Angst, ihren Job zu verlieren oder ihr Leben oder sogar beides. Hier konnte er keine Hilfe erwarten.

      Chaco bezahlte sein Bier und verließ den Saloon. Wenn der Junge nicht gewesen wäre, hätte er die Stadt noch in dieser Nacht verlassen. Sie kotzte ihn an. Sie hatte sich in den letzten Jahren verändert. Zu ihrem Nachteil. Aber der Junge war noch da. Und auch Andie Morton. Sie standen auf verschiedenen Seiten, doch beide brauchten Hilfe. Er wollte sie ihnen bringen.

      Chaco spürte die Gefahr, kaum dass er auf der Straße stand. Es war dieses undeutbare Gefühl, das ihn schon oft gewarnt hatte und dem er mehr als einmal sein Leben zu verdanken hatte.

      Während er über den Dreck der Straße rutschte, peitschte der Schuss über ihn hinweg. Aus dem Dunkel der Häuserschatten drang ein unterdrückter Fluch. Der feige Mordschütze hatte sich seinen Anschlag problemloser vorgestellt. Doch Chaco vertrat die Ansicht, dass der Kerl Probleme verdient hatte. Probleme, an denen er sich nicht nur die Zähne ausbeißen sollte. Dass sein Peacemaker in seiner Hand lag, bevor er noch den Boden erreicht hatte, war selbstverständlich. Diese Reflexbewegung war tausendfach geübt. Sie ging so automatisch wie das Atmen. Ebenso automatisch rollte er durch den lehmigen Dreck, um auch den mit Sicherheit folgenden Schüssen kein bequemes Ziel zu bieten.

      Die Schüsse peitschten aus dem Häuserschatten. Sie waren platziert. Chaco spritzte Lehm in die


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