Geschichte des peloponnesischen Kriegs (Alle 8 Bände). Thukydides

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Geschichte des peloponnesischen Kriegs (Alle 8 Bände) - Thukydides


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folgenden Vortrag:

      120. "Wir dürfen wohl jetzt, ihr Verbündeten, den Lacedämoniern nicht mehr den Vorwurf machen, sie hätten nicht selbst den Krieg beschlossen, da sie uns ja zu diesem Zwecke hierher berufen haben. Allerdings gebührt es dem Volke, das die Oberleitung hat, seine besonderen Angelegenheiten auf gleichem Fuß zu behandeln, und doch dabei für die gemeinsamen vorzugsweise zu sorgen, da es ja in andern Dingen vor Allen den Vorrang hat. Was nun alle diejenigen unter uns betrifft, die schon mit den Athenern in Verhältnisse gekommen sind, so bedürfen sie keine Belehrung mehr, sich vor ihnen zu hüten. Diejenigen aber, welche weiter landeinwärts und nicht an Stapelplätzen wohnen, mögen bedenken, daß, wofern die Küstenbewohner nicht von ihnen unterstützt werden, die Ausfuhr der Landeserzeugnisse, und ebenso die Einfuhr dessen, was das Meer dem Festlande liefert, für sie erschwert werden wird. Sie dürfen daher das, was jetzt verhandelt wird, nicht unrichtig beurtheilen, als ob es sie nicht anginge, sondern erwarten, daß einst, wofern sie das Uferland preisgeben, die Gefahr wohl auch zu ihnen dringen werde. Sie haben daher jetzt ebensowohl ihre eigene Sache mit zu berathen. Daher dürfen sie sich auch nicht bedenken, den Frieden mit dem Kriege zu vertauschen. Denn wiewohl kluge Mäßigung gebietet, wenn man nicht beleidigt wird, sich ruhig zu verhalten; so ziemt es doch rechtschaffenen Männern, wenn ihnen Unrecht geschieht, statt des Friedens den Krieg zu wählen, bei günstiger Gelegenheit aber vom Kriege zur Sühne zu schreiten, und weder durch das Glück im Kriege zum Uebermuthe, noch durch das Angenehme der Friedensruhe zur Duldung einer Beleidigung sich verleiten zu lassen. Denn wer, reines Wohlbehagens wegen, unthätig ist, der wird wohl, wenn er so ruhig bleibt, sehr bald aus jener behaglich-bequemen Lage, die ihn zur Thatenschen veranlaßte, gerissen werden. Wer aber durch das Glück im Kriege übermüthig wird, der bedenkt nicht, wie trügerisch das Vertrauen ist, das seinen Muth erhebt. Denn schon manche schlecht entworfene Plane sind doch gelungen, weil man zufällig noch unbesonnenere Gegner vor sich hatte: und noch weit mehr Entwürfe, die gut angelegt schienen, haben schimpflicher Weise eine entgegengesetzte Wendung genommen: denn niemand führt den Gedanken, den er mit Zuversicht gefaßt, ebenso auch wirklich aus; vielmehr machen wir in sicherer Stimmung Plane, hinter denen wir bei der Ausführung furchtsam zurück bleiben."

      121. "Wir aber beginnen jetzt den Krieg, weil wir beleidigt sind, und gegründete Beschwerden haben: wir werden denselben aber auch, wenn wir an den Athenern Rache genommen, zur rechten Zeit wieder beendigen. Aus vielen Gründen aber ist es wahrscheinlich, daß der Sieg unser sein werde: erstens, weil wir ihnen an Zahl und Kriegserfahrung überlegen sind; sodann, weil wir alle auf gleiche Weise den Befehlen der Obern zu gehorchen wissen. Die Seemacht, die ihre Stärke ausmacht, werden wir theils aus den eigenen Mitteln der Einzelnen, theils durch die Schätze zu Delphi und Olympia uns verschaffen. Denn durch ein Anlehen werden wir in den Stand gesetzt, ihre Miethtruppen zur See durch höhern Sold ihnen abtrünnig zu machen. Denn die Athenische Macht beruht mehr auf Söldnern, als auf Einheimischen. Der unsrigen aber kann so etwas weit weniger widerfahren, da ihre Hauptstärke mehr in der Mannschaft, als im Gelde besteht. Durch Einen Seesieg sind sie wahrscheinlich zu Grunde gerichtet. Sollten sie aber sich doch länger halten, so werden auch wir durch die Länge der Zeit im Seewesen Uebung gewinnen: und haben wir einmal unsere Geschicklichkeit auf einen gleich hohen Grad gebracht, so wer: den wir durch unsere Tapferkeit ihnen gewiß überlegen sein. Denn den Vorzug, welchen wir von Natur besitzen, können sie durch keinen Unterricht sich erwerben: was sie aber an Geschicklichkeit voraus haben, müssen wir durch Uebung unwirksam zu machen suchen. Die Geldmittel aber, welche dazu nöthig sind, werden wir herbeischaffen. Denn sonst wäre es doch gar zu auffallend, wenn, während ihre Bundesgenossen zu ihrer eigenen Unterjochung Beiträge zu geben sich nicht weigern, wir zur Züchtigung unserer Feinde und zu unserer eigenen Rettung keinen Aufwand machen sollten, da es uns daran gelegen sein muß, daß sie uns jene Schätze nicht rauben, und vermittelt derselben uns wehe thun."

      122. "Wir können aber auch noch Anderes, was der Krieg darbeut, benützen, den Abfall der Bundesgenossen, der ihre Einkünfte, worin ihre Stärke besteht, bedeutend schmälern wird, und die Anlegung von Festungen in ihrem eigenen Gebiet, und manches Andere, was man jetzt noch nicht vorhersehen kann. Denn der Krieg geht keineswegs einer vorher bestimmten Gang, sondern entwickelt aus sich selbst Manches nach zufälligen Umständen. Wer mit gemäßigtem Eifer sich dabei benimmt, steht fester: wer aber mit Hitze handelt, geräth dabei in eben dem Grade in Nachtheil. Aber auch das müssen wir bedenken: hätte einer oder der andre unserer Staaten mit einem Gegner von gleicher Macht Grenzstreitigkeiten, so wäre dieß wohl auszuhalten: nun aber sind die Athener uns insgesammt gewachsen, und weit mächtiger als jeder einzelne Staat. Wofern wir daher nicht mit gesammter Macht, kein Volk und keine Stadt ausgenommen, einmüthig uns gegen sie wehren, so werden sie uns in unserer Getrenntheit ohne Mühe bezwingen: und die Niederlage - wir dürfen's uns nicht verhehlen, mag es auch ein hartes Wort sein - würde uns nichts anderes bringen, als geradezu Knechtschaft. Könnten wir darüber auch nur mit einem Worte zweifelhaft sein, und sollten so viele Staaten von einem einzigen sich mißhandeln lassen, welche Schmach wäre dieß für den Peloponnes! Entweder würde man von uns denken, daß uns Recht geschehe, oder daß wir es uns aus Feigheit gefallen lassen, und offenbar ausgeartet seien von der Weise unserer Vorfahren, welche Hellas die Freiheit gaben: da wir diese nicht einmal für uns selbst zu behaupten müßten, und eine Stadt für sich eine Gewaltherrschaft gründen ließen, während wir doch die Ehre ansprechen, die Alleinherrscher in einzelnen Städten zu stürzen. Und wir können nicht begreifen, wie ein solches Betragen von den drei größten Fehlern, dem Unverstande, der Feigheit und der Nachlässigkeit, freigesprochen werden könnte. Denn davon habt ihr euch in der That nicht gehütet, und euch daher zu einem überklugen Stolze, der schon so Vielen verderblich geworden ist, erhoben, welcher, weil er Viele zu täuschen pflegt, den entgegengesetzten Namen der Unklugheit erhalten hat."

      123. "Doch wozu sollten wir länger, als es der Zweck des Augenblicks erfordert, bei dem Tadel eurer früheren Handlungsweise verweilen ? Was aber das Künftige betrifft, so müssen wir unserer jetzigen Lage durch, weitere Aufopferungen zu Hülfe kommen: denn es ist von den Vätern er: erbte Sitte bei uns, nur durch Anstrengung Vorzüge zu erringen; und ihr dürfet von dieser Sitte nicht abweichen, wenn ihr auch jetzt an Reichthum und Macht die Vorfahren um Weniges übertreffet. Denn es wäre nicht Recht, was in der Dürftigkeit erworben wurde, im Ueberflusse zu verlieren. Vielmehr müssen wir, durch viele Gründe ermuthigt, zum Kriege schreiten, da der Gott selbst den Ausspruch gethan, und seinen Beistand verheißen hat, und das ganze übrige Hellas uns unterstützen wird, zum Theil aus Furcht, zum Theil des Vortheils wegen. Auch werdet ihr nicht zuerst den Frieden brechen; denn der Gott, der den Krieg gebeut, erklärt ihn für gebrochen. Vielmehr werdet ihr die verletzten Verträge schützen. Denn nicht die sind bundbrüchig, die sich, vertheidigen, sondern die, welche zuerst angreifen."

      124. "Da es nun aus allen Rücklichten vortheilhaft für euch ist, den Krieg zu beginnen: da wir gemeinschaftlich euch dazu rathen: wofern es anders unzweifelhaft ist, daß das durch das gemeinsame Wohl der Staaten und der einzelnen Bürger gefördert werde; so säumet nicht, den Potidäern Hülfe zu leisten, da sie Dorier sind, und von Ioniern belagert werden - ein Fall, wovon sonst das Gegentheil vorkam - und die Freiheit der Uebrigen zu behaupten. Denn es ist nicht thunlich, sie länger warten zu lassen, und zuzugeben, daß der eine Theil bereits Verlust erleide, und der andere bald nachher das nämliche Schicksal habe, wenn es bekannt wird, daß wir zwar zusammengetreten sind, aber nicht den Muth haben, uns zu vertheidigen. Ueberzeugt euch vielmehr, ihr Verbündeten, daß jetzt der Augenblick der Noth eingetreten ist, und daß unsere Meinung die richtige ist; und so beschließt denn den Krieg. Fürchtet dabei nicht die augenblickliche Gefahr, sondern strebt nach dem daurendern Frieden, der daraus hervorgehen roll. Denn durch Krieg wird der Friede sicherer befestigt: aber nicht eben so gefahrlos ist es, aus Liebe zur Ruhe den Krieg zu meiden. Ueberzeugt euch, daß der in Hellas aufgestandene Zwingherren-Staat Alle auf gleiche Weise bedrohe, und, während er über die Einen herrscht, gegen die Andern herrschsüchtige Plane hege: ihn wollen wir daher angreifen und überwältigen: so wollen wir in Zukunft sicher wohnen, und die jetzt unterjochten Hellenen befreien." Also redeten die Korinther.

      125. Nachdem die Lacedämonier die Vorträge sämmtlicher Bundesgenossen angehört hatten, ließen sie alle Anwesenden der Reihe nach, sowohl größere als kleinere Staaten, abstimmen; und die Mehrzahl stimmte für den Krieg. Wiewohl sie nun diesen Beschluß gefaßt hatten, so war es doch


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