Stolz und Vorurteil. Jane Austen
Читать онлайн книгу.wiederhergestellt. Aber Jane gab nicht nach, wo sie richtig zu handeln glaubte.
Mr. Darcy nahm die Nachricht mit Befriedigung auf – Elizabeth war lange genug in Netherfield gewesen. Sie zog ihn mehr an, als ihm lieb war, und Miss Bingley benahm sich ungezogen zu ihr und fiel ihm mehr als sonst auf die Nerven. Er entschloss sich wohlweislich, sich kein Zeichen der Zuneigung mehr anmerken zu lassen, nichts, was sie mit der Hoffnung erfüllen könne, sie trage zu seinem Glück bei; und er war sich darüber im Klaren, dass sein Verhalten am letzten Tag, wenn sie den Gedanken überhaupt hegte, wesentlich dazu beitrug, ihm Auftrieb zu geben oder ihn im Keim zu zerstören. Er verfolgte seinen Zweck beharrlich und sprach am ganzen Sonnabend kaum zehn Worte mit Elizabeth, und obgleich sie einmal eine halbe Stunde allein gelassen wurden, beschäftigte er sich intensiv mit seinem Buch und sah sie nicht einmal an.
Am Sonntag nach dem Morgengottesdienst fand die Trennung zur Zufriedenheit fast aller statt. Miss Bingleys Freundlichkeit Elizabeth gegenüber nahm zuletzt ebenso wie ihre Zuneigung zu Jane ganz auffällig zu, und als sie sich verabschiedeten, versicherte sie Jane, welche Freude es ihr immer machen würde, sie entweder in Longbourn oder in Netherfield zu sehen, umarmte sie zärtlich und gab Elizabeth sogar die Hand. Diese nahm in der denkbar besten Laune Abschied von allen.
Ihre Mutter empfing sie zu Hause nicht gerade mit überschäumender Freude. Mrs. Bennet wunderte sich über ihr Kommen, fand sie unvernünftig, so viel Umstände zu machen, und war fest überzeugt, Jane habe sich eine neue Erkältung geholt. Aber ihr Vater, kurz angebunden in Äußerungen der Freude, war sehr froh, sie wiederzusehen; er hatte gespürt, wie wichtig ihre Rolle im Familienkreis war. Durch Janes und Elizabeths Abwesenheit hatte die Abendunterhaltung viel von ihrer Lebhaftigkeit und beinahe jeden Sinn verloren.
Sie fanden Mary wie üblich tief in ihre Studien von Generalbass und Menschenkunde versunken. Sie mussten einige neue Auszüge bewundern und sich einige abgedroschene moralische Weisheiten anhören. Catherine und Lydia hatten Nachrichten ganz anderer Art für sie. Viel hatte sich im Regiment seit vorigem Mittwoch ereignet; viel war erzählt worden. Einige Offiziere waren kürzlich bei ihrem Onkel zum Essen gewesen, ein Soldat war gezüchtigt worden, und man hatte sage und schreibe von Oberst Forsters bevorstehender Hochzeit gemunkelt.
Kapitel 13
»Ich hoffe, meine Liebe«, sagte Mr. Bennet zu seiner Frau, als sie am nächsten Morgen beim Frühstück saßen, »dass du heute für ein gutes Dinner gesorgt hast, denn ich habe Grund zu der Annahme, dass unser Familienkreis um einen Gast vermehrt wird.«
»Wen meinst du, mein Lieber? Ich wüsste nicht, dass wir jemand erwarten, es sei denn, Charlotte Lucas käme vorbei – und ich denke doch, meine Dinner sind gut genug für sie. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie zu Hause oft so üppig isst.«
»Der Gast, von dem ich spreche, ist ein junger Mann, und zwar ein Fremder.«
Mrs. Bennets Augen leuchteten.
»Ein junger Mann, und zwar ein Fremder! Mr. Bingley natürlich. Aber Jane, du hast ja nichts davon gesagt, du gerissenes Persönchen! Trotzdem, ich freue mich natürlich außerordentlich über Mr. Bingleys Besuch. Aber, du lieber Gott, wie schade, ausgerechnet heute war kein Fisch zu haben. Lydia, mein Kind, klingle bitte sofort, ich muss augenblicklich mit Hill sprechen.«
»Es ist nicht Mr. Bingley«, sagte ihr Mann, »es ist jemand, den ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen habe.«
Diese Ankündigung rief allgemeines Erstaunen hervor, und Mr. Bennet hatte das Vergnügen, von seiner Frau und seinen fünf Töchtern gleichzeitig mit Fragen überfallen zu werden. Als er sich eine Zeitlang über ihre Neugier amüsiert hatte, gab er folgende Erklärung ab:
»Ungefähr vor einem Monat erhielt ich diesen Brief, und ungefähr vor vierzehn Tagen habe ich ihn beantwortet, denn meiner Meinung nach erforderte die Angelegenheit Fingerspitzengefühl und rechtzeitige Aufmerksamkeit. Der Brief kommt von meinem Neffen Mr. Collins, der euch nach meinem Tode aus diesem Haus hinauswerfen kann, wann immer er Lust hat.«
»Oh, mein Lieber!«, rief seine Frau, »hör auf, davon zu reden. Ich kann es nicht ertragen. Sprich nicht von diesem abscheulichen Menschen. Ich finde es fürchterlich, dass unser Besitz von deinen Kindern auf ihn übergeht, und wenn ich du wäre, hätte ich schon lange versucht, irgendetwas dagegen zu unternehmen.«
Jane und Elizabeth gaben sich Mühe, ihr den Erbschaftsvertrag zu erklären. Sie hatten es schon öfter versucht, aber dieses Thema ging über Mrs. Bennets Horizont, und sie fuhr fort, sich bitter darüber zu beklagen, wie einer Familie mit fünf Töchtern zugunsten eines Mannes, um den niemand etwas gab, der Besitz weggenommen werden könne.
»Es ist ohne Frage ein großes Unrecht«, sagte Mr. Bennet, »und nichts kann Mr. Collins von der Schuld freisprechen, Longbourn zu erben. Aber hör dir erst einmal den Brief an; vielleicht versöhnt dich seine Art, sich auszudrücken, ein wenig.«
»Nein, das glaube ich auf keinen Fall. Meiner Meinung nach ist es eine Unverschämtheit von ihm, dir überhaupt zu schreiben. Die reine Heuchelei. Ich hasse diese falschen Freunde. Kann er nicht weiter mit dir in Streit leben wie sein Vater vor ihm?«
»Das ist die Frage; er scheint diesbezüglich einige Gewissensbisse zu haben, wie du hören wirst:
›Hunsford, bei Westerham, Kent. 15. Oktober
Sehr geehrter Mr. Bennet,
ich habe über die Missverständnisse zwischen Ihnen und meinem hochverehrten Vater immer ein Unbehagen empfunden und seit seinem unglückseligen Dahinscheiden schon häufig den Bruch zu heilen gewünscht. Aber meine eigenen Zweifel, ob ich sein Andenken nicht dadurch entwürdige, dass ich mich mit Menschen versöhne, mit denen er Meinungsverschiedenheiten zu haben beliebte, hielten mich bisher davon ab.‹ – Na bitte, Mrs. Bennet. – ›Aber jetzt bin ich mit mir ins Reine gekommen, denn nach meiner zu Ostern erfolgten Ordination war ich so glücklich, ausgezeichnet zu werden von der Witwe Sir Lewis de Bourghs, deren Wohltätigkeit und Milde mich in die angesehene Pfarrei der dortigen Gemeinde eingesetzt hat,11 wo es mein ernstes Bestreben sein wird, mit dankbarem Respekt der Frau Baronin zu Diensten zu sein bei der Ausübung der kirchlichen Handlungen und Zeremonien, die die englische Hochkirche vorschreibt. Aber darüber hinaus halte ich es für meine Pflicht als Geistlicher, die Wohltaten des Friedens in allen Familien in meinem Einflussbereich zu fördern und zu erhalten. Und aus diesen Gründen schmeichle ich mir, dass mein gegenwärtiges Angebot des guten Willens mich Ihnen empfiehlt und dass Sie die Tatsache, dass ich als nächster berechtigter Erbe Ihren Besitz in Longbourn übernehmen werde, freundlichst übersehen und die Ihnen gereichte Friedenspalme nicht zurückweisen. Es liegt mir auf der Seele, dass ich ein Anlass für die Schmerzen Ihrer liebenswürdigen Töchter sein sollte, und ich gestatte mir, Sie dafür um Vergebung zu bitten. Auch sichere ich Ihnen dafür jede mögliche Wiedergutmachung zu – aber davon später. Wenn es Ihnen nicht widersteht, mich in Ihrem Hause zu empfangen, würde es mir Genugtuung verschaffen, Ihnen am Montag, den 18. November, um sechzehn Uhr meine Aufwartung zu machen und Ihre Gastfreundschaft bis zum Sonnabend der folgenden Woche in Anspruch zu nehmen, wessen ich mich ohne Ungelegenheiten unterfangen darf, da es Lady Catherine fernliegt, sich meiner gelegentlichen sonntäglichen Abwesenheit zu widersetzen, vorausgesetzt, dass ein anderer Geistlicher die kirchlichen Pflichten des Tages zu übernehmen bereit ist.
Ich verbleibe, sehr verehrter Onkel, mit ergebenen Empfehlungen an Ihre Gemahlin und Töchter Ihr wohlwollender Freund
William Collins.‹
Also, um sechzehn Uhr dürfen wir diesen friedenstiftenden Herrn erwarten«, sagte Mr. Bennet, während er den Brief zusammenfaltete. »Er scheint ein höchst gewissenhafter und wohlerzogener junger Mann zu sein, keine Frage, und ich zweifle nicht, er wird sich als schätzenswerte Bekanntschaft erweisen, vor allem wenn Lady Catherine sich dazu herablässt, einen zweiten Besuch zu gestatten.«
»Aber mit dem, was er über die Mädchen sagt, hat er recht, und wenn er ihnen eine Wiedergutmachung anbietet, bin ich die Letzte, ihn davon abzuhalten.«
»Obwohl es nicht ganz einfach ist«, sagte Jane, »sich vorzustellen, wie er es wohl machen