Verlorener Sohn. Brennan Manning
Читать онлайн книгу.u7e00e8dd-8325-5403-9e89-165acc88baa7">
Brennan Manning / Greg Garrett
Verlorener
Sohn
Roman
Ins Deutsche übersetzt
von Renate Hübsch
Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel
„The Prodigal. A Ragamuffin Story“
bei Zondervan, Grand Rapids, Michigan 49530
Copyright © 2013 by Brennan Manning und Greg Garrett
Die Lizenzausgabe wurde veröffentlicht aufgrund einer
Vereinbarung mit The Zondervan Corporation L.L.C. in der
Verlagsgruppe HarperCollins Christian Publishing, Inc.
Die Bibelstellen sind der Übersetzung Hoffnung für alle® entnommen, Copyright © 1983, 1996, 2002 by Biblica Inc.®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung von `fontis – Brunnen Basel. Alle weiteren Rechte weltweit vorbehalten.
© 2015 Brunnen Verlag Gießen
www.brunnen-verlag.de Umschlagfoto: Eugenio Marongiu/shutterstock Umschlaggestaltung: Olaf Johannson (spoondesign) Satz: DTP Brunnen ISBN 978-3-7655-0915-5 eISBN 978-3-7655-7197-8
Inhalt
Ich bin ein Schuft, doch kein Betrüger.
Ich breche auf, dem Herrn zu dienen.
(Mumford & Sons, „Whispers in the Dark“)
1.
Jack Chisholm erwachte allmählich aus einem Traum, in dem er Hand in Hand mit seinem Vater an einem Strand entlanglief. Im Traum war er wieder ein Junge von sechs oder sieben Jahren gewesen und seine Familie war in Florida in den Sommerferien.
Sein Vater hatte immer den Strand geliebt, und als Jack ein Junge war, waren sie jeden Sommer in den Ferien an die warmen, weißen Strände von Destin gefahren: Jack; seine älteren Zwillingsschwestern Mary und Martha (Martha war nun schon beinahe dreißig Jahre tot); seine Mutter Marie, vor zehn Jahren verstorben; und sein Vater, Tom – noch am Leben, aber tot für Jack.
Der Traum hatte sich so real angefühlt. Er konnte noch spüren, wie die starke Hand seines Vaters ihn aufrecht hielt, wenn die mächtigen Wellen über ihm zusammenschlugen. Jack empfand ein intensives Gefühl von Verlust. Seit einem Jahrzehnt hatte er nicht mit seinem Vater gesprochen, zuletzt bei der Beerdigung seiner Mutter. Wenn er in seinen wachen Momenten an seinen Vater dachte, geschah es immer eher im Zorn als mit Bedauern. Der Mann hatte seine Kindheit zu einem einzigen Elend gemacht. Keinesfalls würde Jack zulassen, dass auch sein Erwachsenenleben an demselben unerfüllbaren Maßstab gemessen wurde.
Am offenen Grab hatten sie sich gestritten. Bei der Beerdigung hatte Tom ihn öffentlich blamiert, und Jack war gegangen und hatte seine Familie und Mayfield in Texas hinter sich gelassen – für immer.
Ein langsames, gleichmäßiges Wellenrauschen hatte den Soundtrack seines Traums gebildet, aber es hielt auch jetzt noch an, während er sich durch die Reste des Schlafs kämpfte, jetzt noch, wo das Sonnenlicht ihn zwang, die Augen zu öffnen.
Er hatte es so lange wie möglich von sich fernhalten wollen – das Wissen, wo er sich befand, die Erinnerung, warum er hier war. Aber nun gab es kein Entkommen mehr.
Es war Weihnachten. Jack war allein und lag auf der Sonnenliege auf dem Balkon eines Hotelzimmers, das auf die blaue Karibik hinaussah. Die Brandung übertönte die Hotelangestellten, die an seine verschlossene Zimmertür klopften und auf Spanisch oder in schlechtem Englisch immer dringlicher nach ihm riefen. Inzwischen konnte er Tequila trinken, in einen unruhigen Schlummer sinken und versuchen, die nüchterne Realität zu vergessen: Er hatte kein Geld und keinen Ort, an den er hätte gehen können.
In ein paar Stunden würden die Mitglieder von Grace Cathedral, der Gemeinde, die er in Seattle gegründet hatte, zu Tausenden in eine der drei großen Arenen strömen, in denen der Weihnachtsgottesdienst stattfand – dampfenden Kaffee in den Händen, Bibeln unter dem Arm. Menschen in ihren besten Sonntagskleidern würden ebenso darunter sein wie solche in verblichenen Jeans oder Freizeitkleidung. Manche von ihnen hielten Alkohol für eine Sünde; andere brauten sich ihre eigenen geistigen Getränke. Es gab solche, die schockiert waren, als er eine Predigtreihe über die Freude am Sex in der Ehe gehalten hatte; andere waren ihm so dankbar gewesen, dass sie es ihm gar nicht genug hatten sagen können. Die Menschen, die zu Grace Cathedral gehörten, waren weiße Amerikaner, Asiaten, Südamerikaner, Afroamerikaner, reich oder arm. Bei all ihren vielen Unterschieden hatten sie eines gemeinsam: ihren Pastor, Jack Chisholm.
Aber