Verlorener Sohn. Brennan Manning

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Verlorener Sohn - Brennan Manning


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Rolle“, sagte Francis leise. „Jedenfalls nicht für Gott.“

      „Bitte?“, wiederholte Jack.

      „Die Welt ist voll von abgerissenen, kaputten, ausgebrannten Typen“, sagte Francis. „Das sind wir alle. Darin hattest du in deinen Predigten recht. Ja, ich habe immer verfolgt, was du so machst“, sagte er angesichts von Jacks ungläubigem Blick. „Wir schicken hier von Mayfield aus nicht so viele große Gottesmänner in die Welt, weißt du. Wir sind Versager. Alle. In deinem Fall ist es nur ein wenig offensichtlicher, weil heutzutage anscheinend jeder von jedem alles weiß.“

      Jack goss sich das magische dritte Bier ein und nahm einen tiefen Zug, der ihm den Mut gab, das Gespräch fortzusetzen. „Pater Francis, Sie stecken jetzt schon seit – na, wie viel? – vierzig? – Jahren in diesem Nest fest. Was wissen Sie schon von der Welt?“

      „Was weiß ich schon von Leuten, die nicht alles auf die Reihe kriegen?“ Francis fixierte ihn mit seinem Blick. „Nicht viel. Nur dass ich so einer bin. Aber, Jack, es gibt die Gnade. Im Überfluss. Wenn wir eingestehen, dass wir alle nur Bettler am Tor der Gnade Gottes sind, kann er etwas Wunderbares aus uns machen.“

      Jack wandte den Blick ab und trank sein Bier aus. „Schön und gut, Pater“, sagte er. „Aber ich bin nicht hergekommen, um theologische Fragen zu erörtern. Warum sparen Sie sich das nicht für Ihren nächsten Bestseller auf: Bettler am Tor der Gnade? Der wird Sie bestimmt auch in jede Talkshow bringen.“

      Pater Francis schüttelte den Kopf. „Ich bin nie etwas anderes gewesen als ein Priester in einer unbedeutenden Kleinstadt. Und das war die größte Freude meines Lebens. Aber wenn ich tatsächlich mal ein Buch schreiben sollte – wenn ich etwas vom Wesentlichen in meinem Leben hinterlassen sollte –, dann würde ich es tun, um diese Botschaft weiterzugeben: Wir mögen so kaputt und wertlos sein, wie wir wollen – aber wir sind trotzdem mehr geliebt, als wir uns vorstellen können.“

      In Jacks Augenwinkeln glänzte es feucht. Er wischte es fort und wandte sich dann ab. Dieser Krug gab immer noch ein Glas Bier her, bevor er etwas unternehmen musste – nüchtern werden und nach Hause zurücktrotten oder einfach in der Nacht verschwinden.

      „Ich hab deine Bücher gelesen“, bemerkte Pater Francis, während Jack das letzte Bier eingoss. Von der anderen Seite des Tresens schaltete sich jetzt Shayla ein: „Ich hab das erste angefangen, Jack. Aber ich konnte es nicht zu Ende lesen.“ Sie zog ein „Tut-mir-leid“-Gesicht. „Es hat bewirkt, dass ich mir ganz wertlos vorkam.“

      „War auch so beabsichtigt“, murmelte Jack. „Wir halten viel zu viel von uns selbst.“

      „Oh, ich habe den Eindruck, du fühlst dich schon schlecht genug. Mehr als schlecht genug“, sagte Francis. „Und du hast diese Botschaft an alle Welt weitergegeben: Erkennt, wie wertlos wir sind.“ Er klopfte mit den Fingern auf den Tresen. „Wenn du die Leute aufgefordert hast, ihre Bibel aufzuschlagen, hast du sie je auf diesen wunderbaren Vers im Römerbrief hingewiesen: ‚Ich bin ganz sicher: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Dämonen, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch irgendwelche Gewalten, weder Hohes noch Tiefes oder sonst irgendetwas können uns von der Liebe Gottes trennen, die er uns in Jesus Christus, unserem Herrn, schenkt‘?“

      Dieses letzte Glas Bier hatte Wunder gewirkt; er konnte jetzt aussprechen, was er wirklich dachte. Jack wandte sich Pater Francis zu und lächelte ihn ein paar Sekunden lang an. „Ich war der ‚Herzenspastor‘. Sie sind ein schäbiger alkoholkranker Priester in einer schäbigen, verschlafenen Kleinstadt. Und Sie wollen mir etwas über Gott beibringen?“

      Francis senkte den Kopf, und Jack fürchtete, er sei zu weit gegangen. Von einem Priester hatte er noch nie einen Kinnhaken bekommen.

      Da hob Francis den Kopf und sah Jack direkt in die Augen. „Ja, es ist so, wie du sagst, Junge. Aber vielleicht könntest du versuchen, die Frage zu beantworten, die aus deiner Frage folgt: Wie kommt es, dass der ‚Herzenspastor‘ ausgerechnet an Weihnachten mitten in der Nacht in einer schäbigen Kleinstadt an der Bar hockt und mit einem kaputten Alkoholiker redet, der sich Priester nennt?“

      „Tut mir leid“, sagte Jack und hob eine Hand. Er seufzte. „Das war gemein.“

      Francis zuckte die Achseln. „Du hast mir eine echte Frage gestellt“, sagte er. „Ich stelle dir auch eine.“

      Jack hob den Krug. Er war leer bis auf einen Rest Schaum.

      „Kann ich Ihnen noch was bringen, Jack?“, fragte Shayla.

      „Nein“, sagte Jack. „Danke, Shayla.“ Er legte die beiden letzten Dollar als Trinkgeld auf den Tresen und atmete tief durch.

      Raus in die Kälte? Zurück in ein Haus voller Erinnerungen?

      Er fragte sich, wo Tracy wohl heute Abend war, ob Alison schon schlief oder wach im Bett lag. Vermutlich schlief sie; wahrscheinlich bei den Großeltern in Kalifornien. Vielleicht lauschten sie nervös auf Geräusche an der Tür, in Sorge, er könnte sie ausfindig gemacht haben. Warum hatte er das gar nicht erst versucht?

      Wahrscheinlicher war es, dass die Gemeinde dafür gesorgt hatte, dass sie irgendwo weit weg von Kameras und Scheinwerferlicht ein neues Leben beginnen konnten. Und heute würden die Großeltern zu Besuch sein, damit Tracy und Alison ihr erstes Weihnachten ohne ihn gut überstanden.

      Den Schlag konnte nicht einmal das vierte Glas Bier abmildern. Er würde sie nie wiederfinden, würde nie in seine Gemeinde zurückkehren, nie wieder etwas anderes sein als der Gegenstand von Schlagzeilen.

      „Ich bin am Ende“, sagte er. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und spürte es bis in die Knochen. Alle hatten ihn im Stich gelassen. Gott hatte ihn im Stich gelassen. Er war erledigt.

      „Was ist?“, fragte Francis.

      „Nichts“, sagte er. Er lachte, ein bitteres „Ha“, und kam schwankend auf die Beine. „Vielen Dank für die Gesellschaft. Ich geh jetzt besser …“ – er stieß langsam den Atem aus – „… nach Hause.“

      „Ich fahre dich“, sagte Francis und streckte die Hand aus, um ihm Halt zu geben. „Du hast eine Menge getrunken für die kurze Zeit, und Shayla hat für heute auch genug von meiner Gesellschaft.“

      „Genau“, sagte sie und blickte von den Gläsern auf, die sie gerade abtrocknete. „Wer braucht die schon?“ Aber sie lächelte Francis dabei zu, und trotz seiner eigenen Verfassung sah Jack Liebe in ihren Augen.

      „Na gut“, sagte Jack. „Ich wäre Ihnen dankbar.“

      Sie traten hinaus auf den Gehweg. Der Wind peitschte eisig durch die Straße, und Jack schlug die Arme um den Oberkörper, um sich zu wärmen.

      Pater Francis fuhr immer noch diesen uralten Chrysler LeBaron, braun, mit weißem Kunststoffdach.

      „Ich weiß“, sagte Francis und machte Jack die Tür auf. „1986. Genauso klapprig wie sein Fahrer.“

      „Sie haben diesen Wagen schon, solange ich Sie kenne. Oder besser: Solange ich von Ihnen weiß“, verbesserte er sich und stieg ein. Francis stellte die Heizung hoch, während der Motor langsam warm lief.

      „Er bringt mich immer noch überallhin, wo ich hinwill. Mehr muss er auch nicht. Und außerdem glaube ich nicht, dass ich all meine alten Kassetten überspielen könnte. Ein Priestergehalt gibt das nicht her. Der neue Wagen hätte bestimmt kein Kassettendeck.“

      „Na, wie Sie meinen“, sagte Jack. Ihm wurde allmählich etwas wärmer und er fühlte sich angenehm schläfrig.

      Pater Francis kramte irgendetwas vom Rücksitz hervor – eine Kassette. Er legte sie ein und der Klang irischer Volksmusik erfüllte das Auto.

      „Nein, wirklich?“, fragte Jack. „Pater Francis, Sie sind ein Ire, wie er im Buch steht.“

      „Was soll ich sagen?“ Francis zuckte mit den Schultern. „Wir lieben, was wir lieben.“

      „Ich hatte eher Van Morrison erwartet“, sagte Jack.

      „Autsch“,


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