Verlorener Sohn. Brennan Manning

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Verlorener Sohn - Brennan Manning


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und Holzhandel zu öffnen, der seit drei Generationen der Familie gehörte.

      Jack schlug die Decke zurück, stand auf und ging ans Fenster, um sich die Welt zu besehen.

      Es war der Tag nach Weihnachten und er war in Mayfield in Texas. Schneewehen bedeckten den Vorgarten zentimeterhoch. Jack vermutete, dass der Live Oak Creek hinter dem Haus zugefroren war, etwas, was seiner Erinnerung nach nur sehr selten vorgekommen war.

      Er stand am Fenster, hörte seinen Vater unten rumoren und fragte sich, was er wohl denken mochte. Sie hatten zwar einen guten Anfang miteinander gemacht, aber die lange Rückreise weitgehend schweigend verbracht. Als Jack endlich nüchtern genug war, um Toms Erklärung, wie er ihn gefunden hatte, aufzunehmen, war er auch nüchtern genug, sich zu fragen, ob er mit dieser Rückkehr eine kluge Wahl getroffen hatte. Doch er hatte keine andere. Das war nur zu wahr.

      Aber was sollte er nun anfangen?

      Tom hatte ihm erzählt, er habe die Gemeinde wochenlang nach Jacks Aufenthaltsort gefragt. Schließlich hatte Danny Pierce ihn angerufen. Er hatte seine Spur anhand der Abbuchungen über die Kreditkarte bis nach Isla Mujeres verfolgt.

      „Klar“, hatte Jack gesagt und genickt. „Sie finden einen anhand der Kreditkarte.“

      Es war also letztendlich kein Wunder gewesen, dass Tom plötzlich vor seiner Tür gestanden hatte. Aber bei dem Gedanken daran, dass sein Vater, der weder jung noch wohlhabend war, ins Ausland gereist war, um ihn nach Hause zu holen, kam er sich armselig vor.

      So armselig, dass sie während der ganzen Rückreise um die bittere Wahrheit herumgeschlichen waren, und als sie spät am gestrigen Abend angekommen waren, hatte er nicht gewusst, was er sagen sollte. Der Sache am nächsten gekommen waren sie noch, als sein Vater ihn in sein altes Zimmer geführt hatte.

      „Ich weiß, es ist nicht großartig“, hatte Tom gesagt. „Aber vielleicht tut eine vertraute Umgebung jetzt gut.“

      „Es passt schon“, antwortete Jack. Er stellte den Koffer aufs Bett und machte ihn auf. Er enthielt, wie er jetzt feststellte, vor allem Shorts und T-Shirts. „Dumm, dass ich mich nicht in arktische Gefilde geflüchtet habe.“

      „Unten im Schrank sind noch ein paar alte Jacken von dir“, sagte sein Vater. „Und hier oben sind bestimmt auch noch ein paar Pullover.“

      „Die sind vermutlich ebenso warm wie modern“, sagte Jack.

      Vernünftige Klamotten waren jetzt sein kleinstes Problem, und das wussten sie beide.

      Eine Weile standen sie wortlos da.

      „Dad“, sagte Jack schließlich und sah seinen Vater an, der mit der Hand auf der Klinke in der Tür stand. „Es war wirklich lieb von dir, dass du gekommen bist, um mich zu holen. Danke.“

      Sein Vater hob die Hand, wie um den Dank wegzuwischen. Sie sahen einander an. Was auch immer hätte gesagt werden müssen, es war nicht verfügbar. Jedenfalls jetzt nicht.

      „Gute Nacht, Sohn“, sagte Tom, drehte sich um und ging. „Vielleicht sieht morgen alles schon ganz anders aus.“

      „Das bezweifle ich.“

      Das ließ Tom einen Moment in der Tür innehalten. „Weißt du, Jack“, sagte sein Vater, „was immer du getan hast, es kann vergeben werden.“

      „Nein“, sagte Jack. „Das glaube ich nicht.“

      „Schön“, sagte sein Vater und seine Stimme klang wieder schroff, „du bist der Pastor. Aber ich hoffe bei Gott, dass du dich irrst.“ Er schloss die Tür und ließ Jack allein mit seinen Gedanken.

      Jack wälzte sich stundenlang im Bett herum, bis er endlich einschlief.

      Und heute morgen würde es genauso peinlich werden, da war er sicher. Worüber sollten sie auch reden? Alte Zeiten? Die Predigt, die er bei der Beerdigung seiner Mutter gehalten hatte? Bis gestern hatte er jahrelang kein Wort mit seinem Vater gewechselt, und es gab nur wenige schöne gemeinsame Erinnerungen, auf die sie zurückgreifen konnten.

      Irgendwann heute oder morgen würde er seine Schwester Mary treffen müssen, dachte er. Seit er aus dem Haus gegangen war, hatte es zwischen ihnen nichts anderes gegeben als ein paar nichtssagende Weihnachtskarten. Er stellte sich vor, dass er früher oder später auch Leuten begegnen würde, die ihn von früher kannten und wussten, was kürzlich passiert war. Er konnte nicht für immer hier bleiben.

      Als er zugestimmt hatte, mit seinem Vater nach Hause zu kommen, hatte er eine Schwelle überschritten: die Entscheidung, ob er leben wollte oder nicht. Aber das Leben würde nicht einfach sein. Zunächst einmal brauchte er Geld, und er musste seine Familie und seine Gemeinde zurückgewinnen. Er musste der Welt zeigen, dass er noch immer gut war, dass sein Fehltritt nicht alles war, was es über ihn zu sagen gab, und je eher er damit begann, desto besser.

      „Jack“, rief sein Vater von unten. „Frühstück.“

      „Ich komme“, rief er zurück und fühlte sich, als wäre er fünfzehn. „Bin gleich unten.“

      Er stieg in seine einzige Jeans und ein abgetragenes University-of-Texas-T-Shirt, das er im Schrank gefunden hatte, tappte nach unten und fand seinen Vater am Küchentisch sitzend. Neben ihm wartete ein Teller mit Rührei, Schinken und Toast.

      „Warmes Frühstück“, sagte Jack und lächelte gegen seinen Willen. Seine Mutter hatte immer darauf bestanden, dass es etwas Warmes zum Frühstück gab, wenn es draußen kalt war.

      „Ja“, sagte sein Vater. Er blickte auf seinen Teller und sah dann Jack an. „Betest du?“

      Jack zögerte und schüttelte dann den Kopf. „Warum nicht du?“, fragte er.

      Tom nickte unmerklich. „Herr, wir danken dir für das Essen, das wir vor uns haben, und für alles Gute, was du uns gibst. Amen.“

      Für die nächsten Minuten war das Klirren und Schaben von Besteck auf Tellern das Lauteste, das man hörte. Jack sah ab und zu auf; sein Vater aß langsam und gedankenverloren.

      Schinken wurde zermalmt, Kaffee geschlürft.

      „Wie läuft’s im Laden?“, brachte Jack zustande, als ihm klar wurde, dass er den Anfang machen musste.

      „Oh“, sagte Tom und schluckte, „wir kommen zurecht. Es ist für niemanden leicht.“

      „Arbeitet Mary noch bei dir?“

      Tom schüttelte den Kopf. „Schon lange nicht mehr.“

      „Nein?“ Jack schaufelte Rührei auf seine Gabel. „Ich dachte …“ Er schüttelte den Kopf. „Was macht sie dann?“

      „Sie wollte sich selbstständig machen“, sagte Tom. „Sie hat jetzt ein eigenes Büro – Buchhaltung. Wenn die Steuererklärungen fällig sind, hat sie gut zu tun.“

      „Wow“, sagte Jack. „Ich hab immer gedacht, sie stirbt noch mal hinter der Kasse.“

      Tom grinste leicht. „Sie wurde mir mit ihrem Betriebswirtschaftsdiplom auch zu teuer“, sagte er. „Sie wird’s dir sicher erzählen.“

      Jacks Lächeln verflog. „Bezweifle ich“, sagte er. „ Ist sie noch mit Dennis zusammen?“

      Tom nickte und strich Butter auf seinen Toast. „Er ist die Kasse, hinter der sie sterben wird“, sagte er mild.

      Jack nahm das Thema dankbar auf. „Sie sind verlobt, seit ich aufs College ging. Wollen sie je heiraten?“

      Sein Vater sah auf und widmete sich dann wieder seinem Toast. „Frag mich lieber etwas, was ich beantworten kann.“

      Jack zögerte. „Hast du ihr gesagt, du würdest mich holen? Was hat sie gesagt?“

      „Was erwartest du?“ Tom zuckte die Schultern. Über den Tisch hinweg sah er Jack an. „Du kennst sie ja. Sie ist knallhart. Meinte, ich solle dich besser lassen, wo du liegst.“ Er schüttelte den Kopf. „Ihre Worte. Aber das hätte ich nicht übers Herz gebracht.“


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