Weltgeschichte als Stiftungsgeschichte. Michael Borgolte

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Weltgeschichte als Stiftungsgeschichte - Michael Borgolte


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[schenken] und ihn [wohl: den Schreiber] ewig erhalten?‘“ Der Gott habe dem leidenschaftlich zugestimmt, der Pharao aber noch eine Bitte geäußert: „‚Mein guter Herr, willst du jedermann gleich welcher Stellung im ganzen Reich, der die Stiftung jemals bestreitet, töten und willst du ihre Namen im ganzen Land auslöschen, so dass Sakhamis seine Ehefrauen und Nefertum ihre Kinder heimsucht?‘ Der große Gott stimmte [auch] dem mit Nachdruck zu.“

      Die vorgeführten Zeugnisse betrafen den Götterkult,124 aber auch den eigenen Totenkult konnten Beamte wieder als Stifter mit Hilfe des Königs organisieren. Zum Beispiel stiftete ein Oberdomänenverwalter von Memphis unter Amenophis III. (18. Dynastie) einer Statue des Königs in dessen Totentempel Liegenschaften und Einkünfte. Dafür überließ der König diejenigen Einkünfte seiner Statue, die ursprünglich der Gottesstatue zugekommen waren, dem Verwalter als Opfer für sein Grab: „Es gab mir Seine Majestät das Gottesopfer, das von seiner Statue in seinem Totentempel herauskommt, den Seine Majestät im Bewässerungsgebiet von Memphis errichtet hatte. Wenn nämlich sich der Gott an seinen Dingen befriedigt hat, erhält diese Statue das Opfer; darauf lässt man dann das Brot für mich herausgehen durch den Vorlesepriester in seinem Tempel und der Web des Monatsdienstes soll dann diese Dinge an meinem Grab opfern gemäß der täglichen Vorschrift.“125 So viel Spielraum dem Einzelnen nach diesen Zeugnissen konzediert wurde, war die Rückbindung des Individuums an die materielle Verfügungsgewalt und kultische Autorität des Königs seit dem Mittleren Reich erneut gestärkt worden; deshalb muss man konstatieren, dass die Neuorientierung der ‚Achsenzeit‘ in Ägypten zwar zur Entfaltung ‚privater‘ Stiftungen beigetragen hat, die alten Abhängigkeiten aber nicht endgültig hatte aufheben können.

      ‚Stiftungen für das Seelenheil‘ wurden zuerst von Mediävisten typologisch identifiziert, ohne dass sie bemerkt hätten, dass es Stiftungen dieser Art noch in einer ganz anderen Weltgegend gegeben hat, nämlich im Alten Iran und geprägt von der Religion des Zoroastrismus.126 Hauptquelle ist eine umfangreiche Sammlung von Rechtsentscheidungen, die zu Beginn des 7. Jahrhunderts u. Z. entstanden war (‚Hazār dātestān‘);127 in dieser Kompilation werden zahlreiche Regelungen von Stiftungen für die Seele exemplarisch vorgeführt und formuliert. Inschriften belegen die Praxis schon für die Zeit des Sasanidenherrschers Šābuhr I. im 3. Jahrhundert.128 Es fragt sich allerdings, ob und inwiefern die zoroastrischen Stiftungen für das Seelenheil auf die Lehren Zarathustras selbst zurückgeführt werden können und ob es ältere Zeugnisse dafür gibt.

      Die Anfänge des Zoroastrismus selbst sind in der gegenwärtigen Forschung höchst umstritten.129 Sicher ist, dass das ‚Avesta‘, die älteste Sammlung der religiösen Texte der Zoroastrier, erst im dritten Perserreich der Sasaniden (224–642/651 u. Z.) entstand, nachdem die Überlieferung jahrhundertelang nur mündlich erfolgt war.130 Vermutlich war es die Konfrontation mit dem Christentum und der Religion Manis (216–274/277 u. Z.), die beide über heilige Schriften verfügten, die diese Niederschrift ausgelöst hatte.131 Unter Chosrau I. (531–578 u. Z.) war der Kodifizierungsprozess offenbar so weit fortgeschritten, dass das ‚Avesta‘ an die höchsten Priester des Landes verschickt werden konnte.132 Wie weit die ältesten Schichten des ‚Avesta‘ chronologisch zurückgehen, wird noch diskutiert, man unterscheidet aber altavestische Texte, die ins zweite vorchristliche Jahrtausend (1700–1200 oder 1200–1000 v. u. Z.) datiert werden, von jungavestischen (1000–600 oder 800–600 v. u. Z.).133 Welche Rolle Zarathustra134 bei der Formierung des Zoroastrismus gespielt hat, ist durchaus unklar; manche bezweifeln sogar seine Historizität, die anderen, die Mehrheit der Fachvertreter, datieren ihn nicht mehr wie früher ins 6. Jahrhundert, sondern um 1000 v. u. Z. oder in noch ältere Zeit.135 Am ehesten werden ihm fünf Gathas („Gesänge“, „Lieder“) zugeschrieben, die in der ältesten avestischen Sammlung ‚Yasna‘ überliefert sind und für den liturgischen Gebrauch bestimmt waren.136 Übereinstimmung herrscht darin, dass im ‚Yasna‘ auch vorzoroastrische religiöse Vorstellungen ihren Niederschlag gefunden haben. Manche Wissenschaftler nehmen an, dass sich eine im Wesentlichen ungestörte Traditionslinie von den Gathas bis ins religiöse Leben zoroastrischer Dörfer im Iran der 1960er Jahre ziehen lasse,137 andere zweifeln an dieser Kontinuität über Jahrhunderte, ja Jahrtausende zunächst mündlicher und erst spät schriftlicher Überlieferung und Praxis.138

      Die kontroversen Forschungsmeinungen können und müssen hier im Einzelnen nicht dargelegt werden; es kommt nur darauf an, den religiösen Horizont für die zoroastrischen Stiftungen zu skizzieren, unabhängig von der Frage, welches Element sich in welcher Zeit entfaltet haben mag. Wenn in diesem Kapitel von ‚Zarathustra‘ die Rede ist, muss man jedoch im Auge behalten, dass die Autorschaft einer bestimmten Person keineswegs feststeht. Unter diesem Vorbehalt stütze ich mich im Folgenden auf die Darstellungen von Mary Boyce und Peter Clark.139

      Als Iraner war ‚Zarathustra‘, seine historische Existenz unterstellt, Angehöriger eines mit den Indern stammverwandten Volkes, das im dritten vorchristlichen Jahrtausend aus der asiatischen Steppe nach Süden gezogen war. Die ursprünglichen religiösen Vorstellungen und Praktiken dieser Hirten und Bauern glaubt die Forschung durch Vergleich des ‚Avesta‘ mit der altindischen Überlieferung erschließen zu können.140 Danach opferten die alten Iraner dem Feuer und dem Wasser unter Gebeten für die Seelen von Mensch und Tier: „Wir verehren unsere eigenen Seelen und diejenigen der Nutztiere, die uns ernähren, (…) sowie die Seelen nützlicher wilder Tiere.“141 Die Gaben, die vielen Göttern dargebracht wurden, sollten sowohl die Welt in Gang halten als auch das menschliche Leben positiv beeinflussen. Verehrt wurde eine kosmische Kraft der Wahrheit und Ordnung (asha), dem die menschlichen Qualitäten der Tugend und des Wohlverhaltens entsprachen und dem die Kraft der Falschheit (draoga) entgegenstand.142 Als höchster dem Asha zugeordneter Gott wurde Ahura Mazdā („Fürst der Weisheit“) verehrt.143 Nach Boyce glaubte man an eine postmortale Existenz des Einzelnen, die durch die Nachlebenden zeitweise entscheidend beeinflusst werden konnte.144 In den ersten drei Tagen musste der Seele des Verstorbenen durch Trauerarbeit seiner Verwandten, Fasten und priesterliche Gebete gegen böse Mächte geholfen werden. Um das unterirdische Reich der Toten zu erreichen, sollten die Verwandten der Seele Opfer für Nahrung und Kleidung darbringen. Diese Handlungen wiederholten sich dreißig Tage hindurch, dann Monat für Monat, weil die Seele, wie vermutet wurde, von der Bruderschaft der Toten noch nicht voll angenommen war. Nach Ablauf eines Jahres wurden die Opfergänge bis zum dreißigsten Jahr am Todestag wiederholt, wobei die Verantwortung für die Erfüllung der Rituale beim Erben des Verstorbenen, gewöhnlich dem ältesten Sohn, lag. Erst dann, nach einer Generation, teilte die Seele, wie vermutet wurde, uneingeschränkt die große Gemeinschaft der Toten, so dass sich die Familie damit begnügen konnte, fortan seiner am allgemeinen „Allerseelentag“ (Hamaspathmaedaya) zu gedenken. Dieses Fest wurde in der letzten Nacht des Kalenderjahres begangen, wenn die Seelen in ihre alten Häuser zurückkehrten, um beim Tagesanbruch an Neujahr wieder zu verschwinden. Vermutet wird jedoch, dass ursprünglich nur Fürsten, Krieger und Priester auf den Eingang ins Paradies und die Gemeinschaft mit den Göttern hoffen konnten; andere Seelen, vor allem diejenigen der Niedriggeborenen, der Frauen und Kinder, hatten nur eine ewige freudlose Existenz zu erwarten.145

      Nach diesen religiösen Vorstellungen über die postmortale Welt konnte es bei Stiftungen also nur um die Förderung eines Seelenkults gehen, durch den die Seele für ihre Weiterexistenz ernährt werden sollte, nicht aber um ein Seelenheil, das ihr als Gabe Gottes oder der Götter eine gesteigerte Existenzweise versprach. Für den Übergang soll Zarathustra gestanden haben. ‚Zarathustra‘ soll ein Priester gewesen sein, der sich durch Offenbarungen des höchsten Gottes Ahura Mazdā zum Propheten für die ganze Menschheit berufen fühlte. Die ihm zugeschriebenen Hymnen (Gathas) verkünden, Ahura Mazdā sei der eine ungeschaffene Gott, der von Ewigkeit her existiere und der Schöpfer von allem anderen Guten sei, eingeschlossen die anderen wohltätigen Gottheiten. Zugleich soll ‚Zarathustra‘ in einer Vision den Widersacher des höchsten Gottes erkannt haben, den „Feindlichen Geist“, Angra Mainyu, der ebenfalls unerschaffen, aber unwissend und durch und durch bösartig sei. Beide großen Götter des Guten und Bösen stünden in Gedanke, Wort und Tat im Konflikt: „Als diese beiden Geister sich zuerst begegneten, schufen sie das Leben und das Nichtleben und


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