Tödliche Offenbarung. Cornelia Kuhnert

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Tödliche Offenbarung - Cornelia Kuhnert


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Martha stupst Trixi an.

      »Hast du eine Ahnung, was Goldmann gegen unseren Toten hat?«

      Achselzuckend dreht sich Trixi zu den beiden um. Goldmann und Zwingel stecken die Köpfe dicht zusammen und reden so leise, dass man kein Wort mehr versteht.

      »Nee, ich hab keinen Schimmer, was Goldmann mit Broderich zu tun hat. Vielleicht meinte der mit Schwein auch was ganz anderes. Letztes Jahr gab es doch die vielen Wildschweine hinten auf dem Platz. Hat der Zwingel uns doch letzte Woche beim Training erzählt.«

      »Ich weiß nicht«, zweifelt Martha. Dieses Verhalten passt nicht zu Goldmann. Der Präsident des Isernhagener Golfclubs ist stets auf einen perfekten Eindruck nach außen bedacht. Laute Flüche passen nicht dazu. »Was weißt du eigentlich über unseren Präsidenten?«

      Trixi legt, ohne zu zögern, los: »Kennst du den GM-Baumarkt im Gewerbegebiet von Altwarmbüchen? Goldmann-Baumarkt. Der gehört ihm. Er ist einer der großen Arbeitgeber hier in der Region. Ihm gehören auch noch Baumärkte in Burgdorf, Altwarmbüchen, Lehrte und Celle. Alle laufen schon in zweiter Generation bestens.« Trixi streicht sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Er gehört übrigens zu den Gründungsmitgliedern dieses Golfclubs. Das muss so etwa dreißig Jahre her sein.«

      »Der Baumarkt in Celle ist ganz in der Nähe vom Stadtarchiv. Das war der Erste. Goldmanns Vater hat ihn kurz nach dem Krieg aufgebaut. Damals hieß das noch Baustoffhandel. |57|Wenn ihr die genaue Jahreszahl braucht, kann ich sie euch besorgen.«

      »Du kennst dich mit Baumärkten aus?« Trixi verschluckt sich fast an ihrem Cappuccino und starrt Roswitha überrascht an.

      »Tja, man lernt nie aus«, kichert Roswitha, die endgültig zu ihrer heiteren Grundstimmung zurückgefunden hat. Den GM-Baumarkt in Celle kennt sie, weil er auf dem Fundament der ehemaligen Molkerei gebaut wurde. Roswitha, genauer gesagt die Historikerin Doktor Roswitha Neumann, arbeitet seit einem Jahr an einer Dokumentation über die Zerstörung der Celler Innenstadt während des Zweiten Weltkrieges.

      »Und was macht Goldmann privat?« Martha wirft Trixi einen erwartungsvollen Blick zu. Bei solchen Fragen kann sie sich in der Regel auf ihre Kollegin verlassen – und tatsächlich, wie aus der Pistole geschossen, kommt die Antwort.

      »Er ist in dritter Ehe verheiratet und hat vier Kinder. Er wohnt in Isernhagen in einem umgebauten Fachwerkhaus hinter der Kirche.«

      Roswitha gackert wie ein Huhn. »Du bist ja bestens informiert.«

      »Das ist mein Job.«

      17

      Fast lautlos kommt Felix aus der Deckung hervor. Er schleicht sich am Schlehenbusch vorbei zu einer entwurzelten Kiefer, deren Baumkrone guten Sichtschutz bietet. Der Schrei des Greifvogels erschreckt ihn nicht mehr. Angst |58|hat er trotzdem, sein Herz wummert und ist kurz vorm Explodieren.

      Nichts rührt sich im ehemaligen Landschulheim. Einer von den Bewohnern steht bewegungslos an den Fahnenmast gelehnt. Nummer 18. Plötzlich hört Felix ein Rumsen, dann quietscht etwas, Glas klirrt. Neugierig schaut er aus dem Busch zum Haus. Ein Fenster in der oberen Etage des Hauptgebäudes wird geöffnet. Ein anderer Junge beugt sich heraus. Seine Haare sind abrasiert, dunkel schimmern die nachwachsenden Stoppeln durch die Kopfhaut. Er stützt sich mit nackten Armen auf der Fensterbank ab.

      Felix drückt auf den Auslöser seiner Digitalkamera. Einer mehr mit Tätowierung auf dem Unterarm ist festgehalten. Das Foto würde Sonja gefallen.

      »Nachher kommt hoher Besuch. Sieh zu, dass kein Dreck rumliegt, auch keine Kippen. Das kann Wörstein nicht leiden. Haste verstanden, Karl?«, ruft der Kahlkopf nach unten.

      »Geht klar.« Mit seinen Springerstiefeln kickt der Junge neben dem Fahnenmast eine Kippe in den Rinnstein.

      Langsam wandern Felix’ Augen an der Hausfront entlang. Nummer 18 heißt also Karl. Es ist der mit der breiten Nase, der ihn an irgendwen erinnert.

      Der andere hat das Fenster wieder geschlossen. Alles ist ruhig, nichts rührt sich hinter den vergilbten Gardinen. Die Gelegenheit ist günstig. Felix schleicht sich gebückt noch ein paar Schritte näher heran. Vor einem dicken Baumstamm duckt er sich und legt sich flach auf den bemoosten Waldboden. Erdiger Geruch steigt ihm in die Nase. Hoher Besuch, hat der aus dem Fenster gesagt. Ob der Hauskäufer persönlich kommt? Seit durchgesickert ist, dass jemand das |59|ehemalige Landschulheim der Region Hannover gekauft hat, um es den »Aufrechten Deutschen« zu überlassen, stehen die Zeichen auf Sturm. Die Politiker, anfangs begeistert über den Verkaufserlös, haben mittlerweile kalte Füße bekommen und wollen den Kauf rückgängig machen. Aber der Käufer will nicht. Er möchte noch nicht einmal, dass sein Name in der Zeitung steht und lässt sich durch Wörstein vertreten. Ein Schnappschuss von dem würde sich gut im Internet machen. Sonja würde staunen, was alles in ihm steckt.

      18

      »Die brauchen uns wohl nicht mehr. Dann fahr ich jetzt nach Hause.« Roswitha Neumann gähnt und steht auf. »Tschüssi. War ein aufregender Vormittag. Ich brauch jetzt erst einmal meine Ruhe. Heute Abend bekomme ich noch Besuch. Wir sehen uns …«

      Martha winkt Roswitha zum Abschied, als die Stimme von Goldmann sie zusammenzucken lässt.

      »… der wollte uns fertig machen, das sage ich doch die ganze Zeit.«

      Zwingel sieht sich erschrocken um. Sein Blick bleibt auf Martha kleben.

      »Prima Schlag vorhin.« Seine Lippen verziehen sich zu einem falschen Lächeln. »Das wird schon noch.«

      »Danke, das hoffe ich auch.«

      Kaum hat sich Zwingel wieder umgedreht, flüstert Martha Trixi zu: »Hast du eine Idee, was die beiden miteinander zu tuscheln haben?«

      |60|Trixi zuckt mit den Schultern.

      »Keine Ahnung, aber das werde ich herausbekommen. Ich rufe nachher bei Jean Claude an.«

      Trixis begnadeter Friseur ist die Hauptinformationsquelle für den Klatsch und Tratsch, den sie in ihrer wöchentlichen Kolumne »Leute von heute und morgen« verarbeitet.

      »Goldmanns Frauen, die aktuelle und seine erste Ex gehen regelmäßig zu ihm. Jean Claude muss nur darauf achten, dass sie sich nie im Laden begegnen.«

      »Und der Tote, was weißt du über den?«

      »Nur das, was ich vorhin schon gesagt habe. Ich habe einen großen Bogen um Broderich gemacht.«

      »Das hast du vorhin nicht gesagt.«

      »Man will ja nichts Schlechtes über Tote sagen. Aber der war mir echt zu schmierig. Das musst du dir mal vorstellen«, empört sich Trixi. »Steht der da letztes Jahr bei uns im Redaktionsflur und schnalzt mit dem Finger: ›Kleine, willst du mit mir nicht zusammen was … machen?‹ Den Augenaufschlag hättest du dabei sehen sollen. Widerliches Arschloch.«

      Trixi holt tief Luft. »Noch schlimmer als seine Anmachversuche sind jedoch seine Onlineplattformen.«

      Die Onlineplattformen. Das ist ein Thema für sich. Drei kennt Martha auch. Isernhagen-online, Burgdorf-online und Burgwedel-online. Diese Seiten benutzte Broderich in den letzten zwei Jahren ungeniert für persönliche Hetzkampagnen. Dabei scheute er vor keiner Manipulation zurück. In Burgwedel-online hatte er gegen den Bau eines neuen Baumarktes Meinungsmache betrieben, obwohl die Bauvoranfrage schon vom Bürgermeister und der Mehrheit des Stadtrates abgenickt worden war. Statt sich vor der Kommunalwahl |61|selbst zu entscheiden, hatten sich die Politiker auf eine Bürgerbefragung eingelassen und das Projekt nach hinten geschoben. Mit zwei Jahren Verzug ist es dann schließlich umgesetzt worden. Goldmann wird Broderich dafür nicht gemocht haben, da ist sich Martha sicher. Aber sie hat auch noch in einem anderen Zusammenhang von Broderich gehört. Martha geht in Gedanken die Schlagzeilen der letzten Wochen durch. War da nicht etwas mit …

      »Möchten Sie noch etwas trinken?« Die Kellnerin steht mit ihrem Tablett neben dem Tisch der beiden Frauen.

      »Nein,


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