Tödliche Offenbarung. Cornelia Kuhnert

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Tödliche Offenbarung - Cornelia Kuhnert


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      »Sehr gut gesehen«, lobt Schmidt und greift mit den Fingern in den Rachen. Der erste Versuch, den Ball herauszuziehen, scheitert. Der zweite und dritte auch.

      »Das Ding steckt fest. Den hat jemand mit verdammt viel |40|Kraft da reingedrückt.« Schmidt dreht sich zu den beiden Polizisten um. »Sie können ihn jetzt zu mir ins Institut bringen lassen. Dort kümmere ich mich um die Details – und um den Golfball.«

      »Eine Sache noch.« Borgfeld runzelt nachdenklich die Stirn. »Die Kriminaltechniker haben mich vorhin gerufen. Sie haben vor der Bank Schleifspuren entdeckt. Ist der Mann nun hier getötet worden oder hat man ihn erst später hergeschleppt?«

      Statt zu antworten, zieht Schmidt sich die weißen Plastikhandschuhe aus und reicht sie dem verdatterten Borgfeld.

      »Exakte Aussagen sind zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Das wissen Sie doch. Der Mann hat Dreck an den Hosenbeinen. Den muss man untersuchen. Ich lasse die Kleidung ins Labor schicken. Er könnte hier getötet worden sein oder auch nicht. Fifty, fifty.« Ein bellendes Lachen folgt. »Fest steht zumindest, dass er ermordet wurde. Die Druckstellen am Hals sind eindeutig und der Golfball im Rachen spricht Bände.«

      Schmidt wirft einen Blick auf seine Uhr. Er sollte sich sputen, sonst schafft er es nicht mehr pünktlich bis in die Innenstadt.

      »Der Todeszeitpunkt …«, Schmidt zögert kurz, »damit will und kann ich mich nicht festlegen.«

      Während er redet, fingert er einen schwarzen Kamm aus der Innentasche seiner Anzugjacke und zieht seinen Seitenscheitel nach.

      »Gehen Sie davon aus, dass der Mann seit mindestens acht Stunden tot ist, eher mehr.« Er steckt den Kamm wieder ein.

      »Genaueres später.«

      |41|»Wann?« Borgfeld packt die benutzten Handschuhe von der linken in die rechte Hand und sucht mit den Augen nach einem Mülleimer.

      »Schau’n wir mal. Ich habe jetzt einen wirklich dringenden Termin, danach mache ich mich sofort an die Untersuchung. Versprochen.«

      10

      Georg Goldmann ist neben den akkurat geschnittenen Buchsbaumkugeln vor dem Clubhaus stehen geblieben. Mit ernstem Gesicht verfolgt er das Geschehen jenseits der rotweißen Flatterbänder. Polizisten in Uniformen machen Notizen und fotografieren, Männer in weißen Overalls kriechen um das Gebüsch herum und untersuchen jeden Grashalm.

      »Hallo, Sie da.« Borgfeld winkt Goldmann zu sich heran. »Sie können jetzt einen Blick auf den Toten werfen, bevor er weggebracht wird.«

      Goldmann duckt sich mit steifem Rücken unter dem Absperrband durch und folgt Borgfeld zu der Leiche, die versteckt hinter den Leuten von der Spurensicherung liegt. Als die Kollegen in den hellen Schutzanzügen zur Seite treten, geben sie den Blick auf die Bank frei. Sie ist leer. Goldmanns Blick wandert tiefer. Auf dem Boden liegt eine dunkle Plastikfolie, darauf der Leichnam, bedeckt mit einem weißen Tuch. Nur der Kopf und die nackten Füße schauen an den Stoffenden hervor.

      Goldmann tritt näher heran. Er mustert das aufgedunsene |42|Gesicht des Toten und wird eine Spur blasser. Diese Reaktion entgeht Borgfeld nicht.

      »Kennen Sie ihn?«

      Goldmann starrt den Toten an, ohne ein Wort zu sagen.

      »Ist er Mitglied in Ihrem Verein?«

      »Gott bewahre«, entfährt es Goldmann.

      »Aber Sie kennen ihn?«

      »Flüchtig.«

      »Wer ist es?«

      »… Henry Broderich.« Goldmanns Stimme klingt verhalten.

      »Was wissen Sie über ihn?« Borgfeld lässt Goldmann nicht aus den Augen. Weder das Händezittern entgeht ihm, noch die plötzlichen roten Flecken, die auf Goldmanns Wangen blühen wie Mittagsblumen in der Sonne.

      »Broderich ist Journalist. Er …« Neuerliches Zögern auf Goldmanns Seite, noch mehr Flecken auf der Wange. Dann folgt minutenlanges Schweigen.

      »Woher kannten Sie ihn?«

      Goldmann starrt auf den Boden und rührt sich nicht.

      »Herr Goldmann, bitte, ich habe Sie was gefragt.«

      Borgfelds Worte scheinen nicht zu Goldmann durchzudringen. Kein Muskel bewegt sich in seinem Gesicht, nicht einmal die fleischigen Hängebacken verziehen sich.

      »Noch einmal: Woher kannten Sie Henry Broderich?«

      Borgfelds Stimme wechselt von freundlich zu bestimmt. Er würde diesen Mann am liebsten schütteln, um eine Antwort zu bekommen. Der weiß mehr, als er zugibt, so viel steht für ihn fest.

      Als wenn Goldmann Borgfelds Gedanken gehört hätte, |43|hebt er endlich den Kopf und murmelt: »Er hat mich interviewt.«

      »Das ist doch ein Anfang.« Borgfelds Körper spannt sich. Ein Interview kann eine sehr persönliche Angelegenheit sein. Zwei Menschen sitzen zusammen und reden. Einer stellt Fragen, der andere antwortet. Dabei bekommt man nicht nur einen Eindruck von dem anderen, man erfährt auch etwas über ihn. Aber deshalb bringt man den anderen nicht gleich um.

      Als wenn dieser Gedanke eine Tür in seinem Kopf aufstoßen würde, erinnert Borgfeld sich plötzlich an etwas. Im letzten Monat hat sein Vetter Gerrit auf der Geburtstagsfeier seiner Mutter etwas vom Golfclub erzählt. Was ist das bloß gewesen?

      Es hatte etwas mit Grundstücken zu tun. Das weiß er genau – und mit der Erweiterung des Golfplatzes um irgendwelche Löcher.

      »Die wollen mehr Löcher … was auch immer das heißt«, hatte Gerrit gesagt. Dann hatte er noch davon geredet, dass es deshalb Stunk im Gemeinderat gibt. Großen Stunk. Weiter war Gerrit jedoch nicht gekommen, dann hatte seine Mutter alle zur Kaffeetafel gerufen.

      Stunk im Gemeinderat. Was Gerrit wohl damit gemeint hat? Borgfeld weiß, dass es bei der Genehmigung des Golfclubs vor etlichen Jahren Ärger gegeben hat. Vielleicht hing das Interview damit zusammen. Er sollte Gerrit anrufen, der würde ihm alles haarklein erzählen, schließlich sitzt er als Hausmeister im Rathaus direkt an der Quelle.

      Genauso plötzlich wie sich Borgfeld an das Gespräch mit Gerrit erinnert hat, ist er sich plötzlich sicher, dass Goldmann |44|mehr über Broderich weiß, als er zugibt. Borgfeld kann nicht sagen warum, er hat nur so ein Gefühl – aber für jemanden, dessen Leidenschaft das Führen von Listen und Tabellen ist, sind solche Gefühlsanwandlungen selten. Gerade deshalb nimmt er sie ernst. Besser, er führt dieses Gespräch nicht allein. Borgfeld macht Streuwald mit den Augen Zeichen, dass er kommen soll. Sein Kollege erwidert das Augenzwinkern, mehr nicht. Möglichst unauffällig bewegt Borgfeld daraufhin seinen rechten Zeigefinger und winkt Streuwald zu sich heran. Der nimmt zwar die Handbewegung seines Kollegen wahr, rührt sich aber trotzdem keinen Zentimeter von der Stelle.

      »Er hat Sie also interviewt«, brummt Borgfeld und flucht innerlich: Herr Gott, wann begreift Streuwald endlich, dass er seinen Arsch in Bewegung setzen soll?

      »Sagte ich doch schon.« Goldmann wirft Borgfeld einen genervten Blick zu.

      »Und worum ging es in diesem Interview?« Borgfeld winkt noch heftiger nach Streuwald. Der versteht endlich und kommt zu ihnen herüber. Schleicht herüber. Mein Gott, flucht Borgfeld. Beim Gehen könnte man dem glatt die Schuhe besohlen.

      »Das ist übrigens mein Kollege, Kommissar Streuwald«, stellt Borgfeld ihn vor, als er endlich neben ihnen steht. »Und das ist Herr Goldmann, der Präsident dieses Vereins. Herr Goldmann, können Sie noch einmal wiederholen, was Sie mir gerade erzählt haben?«

      Goldmann kneift die Augen zusammen, sagt aber keinen Ton.

      »Herr Goldmann, Sie sagten, dass Sie den Toten kennen |45|und von ihm interviewt wurden. Was sagten Sie, war das Thema des Interviews?«

      »Ich habe gar nichts gesagt.«

      »Und was war dann das Thema?«,


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