Tödliche Offenbarung. Cornelia Kuhnert

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Tödliche Offenbarung - Cornelia Kuhnert


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dass ich vorhin etwas barsch war«, bemüht er sich um einen versöhnlichen Ton. »Sie hätten aber auch etwas eher sagen können, dass dort ein Toter liegt. Wer soll denn so etwas wissen?«

      »Ist schon gut«, erwidert Martha. Sie fühlt sich leer und ausgepumpt. Das Bild des Toten hat sich auf ihrer Netzhaut eingebrannt und immer wieder kreisen Fragen in ihrem Kopf herum. Warum sitzt ein Toter auf der Bank hinter dem Caddyhaus? Ein tiefer Seufzer entweicht ihr. Das geht sie nichts an.

      Die Polizei ist da und wird sich darum kümmern. Es ist die Sache von Streuwald, Borgfeld und Kollegen, Antworten auf diese Frage zu finden. Nein, verspricht sie sich, sie wird sich nicht wieder in Mordermittlungen der Polizei einmischen. Nie wieder. Das ist deren Job. Sie berichtet nur in der Zeitung darüber und ansonsten versucht sie, Ruhe in ihr |51|Leben zu bekommen, das seit Jahren aus den Fugen geraten zu sein scheint.

      Martha lässt ihren Blick schweifen. Nicht nur auf der Terrasse, auch auf dem Golfplatz ist im Gegensatz zu sonst alles ruhig. Kein Mensch ist auf den Bahnen zu sehen. Die Fahne von Loch achtzehn hängt schlaff herunter. Der gepflegte Rasen des Grüns strahlt im Licht der Sonne; rechts, am Rand des Fairways gibt es bereits die ersten trockenen Stellen. Die gelassene Ruhe des Golfplatzes ist genau das, was sie braucht, um wieder zur Tagesordnung übergehen zu können.

      Roswitha folgt Marthas Kopfbewegung.

      »Totentanz auf dem Platz«, wispert sie ihr über den Tisch hinweg zu.

      Entsetzt sehen sich Trixi und Martha an. Keine kann über Roswithas Kommentar lachen. Im Gegenteil, der Satz schwebt wie eine Drohung über ihren Köpfen und lähmt jede Bewegung. Martha hat nicht einmal die Kraft, ihren Cappuccino zu trinken. Gedankenverloren fixiert sie den zusammensinkenden Milchschaum, als Trixi endlich das Schweigen bricht.

      »Diese Augen … so … weit aufgerissen und …« Trixis Oberkörper bebt und sie fängt hemmungslos an zu weinen. »Wenn mein Bag nicht umgefallen wäre …«

      Sie schluchzt erneut. »Die Bälle rollten überall hin. Bis vor seine Füße.«

      »Ob du die je wiederbekommst?«

      Schlagartig gewinnt Trixi ihre Fassung zurück und sieht Roswitha entgeistert an.

      »Wie bist du denn drauf?«

      »Wieso?« Roswitha schiebt sich die Haarsträhne hinters |52|Ohr. »Man kann doch mal fragen. Schließlich waren die nagelneu – und alles Titlists

      In diesem Moment kommt Streuwald auf die drei zu.

      »Meine Damen, können Sie bitte zu uns kommen. Wir sitzen im Raum neben dem Sekretariat und brauchen noch genauere Angaben von Ihnen.«

      13

      Alexander Borgfeld starrt seit zwei Stunden auf seinen Computer. Er wechselt von farmville zurück zur Startseite von facebook. Der Bildschirm flackert, dann steht die neue Seite klar vor ihm. Zufrieden reibt er sich die Hände. Der Aufruf zur Mahnwache hat schon 32 Kommentare hervorgerufen. Gerade kommt der 33. Alle sind sich einig: Der friedliche Protest ist eine gute Idee.

      Ali schiebt die langen blonden Haare zurück, die ihm in die picklige Stirn fallen, und klickt wieder auf farmville. Seine Bohnen sind reif und er beginnt mit der Ernte. Als Sonja sein Zimmer betritt, zuckt er zusammen und wechselt die Seite.

      »Die Bilder sind eingebaut. Hier, willst du sehen?«

      Sonja liest sich den Text durch und betrachtet die Fotos.

      »Prima gemacht, kleiner Bruder. Das wird schon. Gib zur Sicherheit den Aufruf zur Mahnwache noch einmal ein: Morgen, 15:00 Uhr an der Zufahrt zum Landschulheim. Dabeisein ist alles. Oder so ähnlich.«

      »Was ist mit Felix, soll ich ihm den Text und die eingearbeiteten Bilder nicht vorher zeigen? Der hat doch schließlich |53|die Fotos besorgt. Ohne die hätten wir damit gar nicht anzufangen brauchen.«

      Sonja schüttelt den Kopf. »Geht nicht. Felix ist noch einmal draußen und sondiert das Gelände. Er versucht, dichter an die heranzukommen. Er hat mich vorhin angerufen, dort ist alles ganz ruhig.«

      »Ich denke, da soll keiner allein hin?«

      »Hab ich ihm auch gesagt, aber Felix ist nicht zu bremsen.« Ein bewunderndes Lächeln umspielt Sonjas Mund.

      14

      »Der Tote heißt Henry Broderich?« Trixi steht die Überraschung ins Gesicht geschrieben. »Der Henry Broderich?«

      »Kennen Sie ihn?« Streuwald ist überrascht. Broderich scheint ja wirklich ein bekannter Mann zu sein.

      »Kennen ist übertrieben.« Trixi zögert. »Ich wundere mich, dass ich ihn vorhin nicht erkannt habe – aber wahrscheinlich habe ich nicht genau genug hingesehen. Dieser offene Mund und die Augen.« Trixi schüttelt sich in Erinnerung an den Anblick.

      »Was können Sie uns über Broderich sagen?« Kommissar Streuwald kennt Trixi Wacker seit Jahren. Wenn jemand in dieser Kleinstadt etwas über das Mordopfer weiß, dann ist sie es. Und wenn jemand etwas über Männer im heiratsfähigen Alter weiß, dann ist sie es erst recht.

      Trixi muss nicht lange überlegen. »Broderich hat lange vor meiner Zeit ein Volontariat beim Burgdorfer Tageblatt gemacht. Dann ist er nach Hamburg gegangen. Irgendwann |54|ist ein Artikel von ihm im Focus erschienen, später einer im Spiegel. Er wurde zwar nirgends angestellt, nannte sich aber von da ab »freischaffender Journalist«. Mittlerweile ist er spezialisiert auf Onlineplattformen für die mittelgroßen Orte der Region.«

      »Ach, der Typ ist das.« Auch bei Martha fällt der Groschen.

      15

      »Ausgeschlafen, mein Lieber?«

      »Ich bitte Sie, Freiherr zu Wörstein. Nur der frühe Vogel fängt den Wurm. Was gibt es Neues? Geben diese gottverdammten Politiker und ewig gestrigen Gutmenschen endlich klein bei oder wollen die wieder ihr demokratisches Schmierentheater aufführen?«

      »Alles geregelt. Die Verträge sind wasserdicht. Kaum vorstellbar, dass diese Bedenkenträger vor Gericht ziehen. Dazu haben die viel zu viel Schiss vor mir.«

      »Das höre ich gerne. Es ist wirklich immer Verlass auf Sie. Das gefällt mir. Weiter so. Was macht das andere leidige Thema?«

      »Das Material ist gesichert. Vollständig. Ich bin heute leider unabkömmlich, wir erwarten ein paar Neuzugänge für die erste Schulung. Wenn Sie Zeit haben, könnten Sie vorbeikommen und es abholen. Vielleicht möchten Sie Ihr neues Anwesen ja auch einmal in belebtem Zustand sehen. Die Jungs haben recht ordentlich gearbeitet.«

      »Gute Idee. Ich bestelle den Fahrer. Rechnen Sie gegen 12:00 Uhr mit mir.«

      |55|»Bestens, dann nehmen wir zusammen ein Gabelfrühstück ein.«

      16

      Als Martha, Trixi und Roswitha zurück auf die Terrasse kommen, ist ein weiterer Tisch besetzt. Uwe Zwingel sitzt neben dem Präsidenten des Golfclubs. Goldmann wirkt nervös; dass er schon am Vormittag ein Glas Wein trinkt, irritiert Martha, andererseits kennt sie ihn nicht besonders gut. Sie hat ihn nur einmal außerhalb des Golfclubs gesehen. Das war beim letzten Fest ihrer Zeitung in der alten, mittlerweile für Feierlichkeiten und Ausstellungen zweckentfremdeten Rotation. Damals stand Goldmann lange mit ihrem Chefredakteur zusammen und redete auf ihn ein. Genau wie jetzt auf Zwingel.

      »… hinter dem Caddyhaus …«, dringt es zu Marthas Tisch herüber.

      Natürlich, die beiden reden über den Toten. Und wahrscheinlich nicht nur die, geht es Martha durch den Kopf. Der Tote wird bei allen Clubmitgliedern heute wahrscheinlich Gesprächsthema Nummer eins sein.

      »Dieses Schwein hat es verdient …« Kaum hat Goldmann die Worte gezischt, senkt er seine Stimme und redet leise weiter.

      Marthas Neugierde ist jedoch geweckt. Sie spitzt die Ohren, aber versteht nichts mehr. Stattdessen beobachtet sie, wie Goldmann


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