Tödliche Offenbarung. Cornelia Kuhnert

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Tödliche Offenbarung - Cornelia Kuhnert


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Sie uns das ein bisschen genauer sagen?«

      »Wir sprachen über Neuwarmbüchen, über Isernhagen, über den Gemeinderat, den Golfplatz, Golf überhaupt.« Goldmann wirkt angespannt, die Mittagsblumen auf seinem Gesicht sind wieder zur Stelle.

      »Gemeinderat, Golf überhaupt.« Borgfeld zieht zweifelnd die Augenbrauen hoch. »Sind Sie sicher, dass Sie nur so ganz allgemein mit Herrn Broderich gesprochen haben?«

      »Ja, ganz allgemein.«

      »Nichts Spezielles?«

      »Nein, nichts Spezielles.«

      »Sicher?«

      »Ja, sicher.« Goldmann überlegt, dann setzt er hinzu: »Eins der Themen war die Golfplatzerweiterung. Aber das ist ja nun wirklich nichts Spezielles.«

      Das ist das Stichwort, auf das Borgfeld gewartet hat, wie der Skatspieler auf das Re zum Contra.

      »Gab es wegen dieser Erweiterung nicht …«, seine Augen blinzeln ungewohnt kämpferisch, »… Ärger?«

      »Ärger – wie sich das anhört«, empört sich Goldmann.

      »Sagen wir, die Erweiterung des Golfplatzes ist umstritten.« Stunk im Gemeinderat. Gerrit weiß bei solchen Sachen mehr, als in der Zeitung steht, da ist sich Borgfeld sicher.

      Goldmanns Augen verengen sich. »Umstritten stimmt |46|nicht.« Er blinzelt Borgfeld böse an und setzt vehement hinzu: »Überhaupt nicht.«

      »Aber nicht alle sind von der geplanten Erweiterung des Golfplatzes begeistert.« Borgfeld zwinkert Streuwald zu. Ein Ausdruck des Triumphes liegt jetzt auf seinem Gesicht. »Stimmt’s?«

      »Irgendwelche Querulanten gibt es immer.«

      »Wie meinen Sie das?«, schaltet sich Streuwald ein.

      Überrascht dreht sich Goldmann zu ihm um, wie zu der Stimme aus dem Off.

      »Wenn man etwas tut, gibt es immer jemanden, dem das nicht passt. Ein Landwirt hier, ein Anwohner da. Der eine gönnt dem anderen den Verkauf des Ackers nicht und der Nächste wiederum hat Angst, dass mehr Autos als vorher an seinem Haus vorbeifahren könnten.« Goldmann knetet nervös seine Finger. »Heute gibt es immer irgendeinen, der gegen etwas ist. Gucken Sie in die Zeitung, die ist jeden Tag voll davon. Ob beim Stuttgarter Bahnhof, dem Tierversuchslabor in Kirchrode oder unserem Golfplatz. Manche Leute sind gegen alles, was sich vor der eigenen Haustür abspielt.«

      »Für welche Zeitung hat Broderich eigentlich das Interview gemacht? Für den Hannoverschen Anzeiger oder für den Marktspiegel?«, übergeht Streuwald Goldmanns Allgemeinplätze.

      »Das Interview war für ein Onlineforum. Broderich betreibt einige solcher Foren. Burgdorf-online, Isernhagen-online. Für jeden Ort ein eigenes. Er gestaltet die Seiten, stellt Themen vor, sammelt Beiträge, moderiert und kommentiert.«

      »Wann war das mit dem Interview genau?«, nimmt Borgfeld den Ball wieder auf.

      |47|Goldmann dreht den Kopf wieder zu Borgfeld.

      »Das erste vor einem halben Jahr, das zweite vor einem Monat«, er zögert kurz, »und das dritte letzte Woche.«

      11

      Beckmann fährt seinen Laptop hoch, lädt die Daten vom Stick herunter und ruft sie auf. Auf dem Bildschirm flattert die Liste der Webadressen auf, die er sich ansehen will. Seit er beim Polizeilichen Staatsschutz arbeitet, verbringt er viel Zeit damit, Internetseiten zu durchforsten, die im Zusammenhang mit der rechten Szene in Niedersachsen stehen. Sein besonderes Augenmerk gilt Freiherrn zu Wörstein, der vor einigen Jahren die Gruppe »Aufrechte Deutsche« gegründet hat. Für das Internet hat er eine besondere Vorliebe. Ob facebook, SchülerVZ oder youtube: Wörstein nutzt die neuen Medien.

      Bevor die von der Polizeigewerkschaft geforderten Cyber-Cops tatsächlich zum Einsatz kommen und es einen Internetminister gibt, hat das Innenministerium in Hannover vor zwei Monaten eine Arbeitsgruppe gebildet, bestehend aus Frank Rischmüller und Max Beckmann.

      »Das Internet ist der größte Tatort der Welt – also gucken Sie mal, was da so los ist, die Presse stichelt schon, dass wir die Zeit verschlafen«, hatte der Staatssekretär ihm mit auf den Weg gegeben.

      Beckmann tippt Wir für Niedersachsen in die Suchmaschine. 18426 Einträge liegen vor.

      Eine Stunde später ist er schlauer. Der Internetauftritt der Gruppe Wir für Niedersachsen hat auf den ersten Blick nichts |48|mit den ihm bekannten Seiten aus der rechten Szene zu tun. Alles wirkt sehr korrekt, fast bieder, wie auf einer Plattform für Heimatverbundene. Beckmann scrollt weiter auf der Suche nach dem Impressum. Endlich findet er es: FzW. Freiherr zu Wörstein. Also doch. Wo dieser Name auftaucht, ist man mitten in der rechten Szene. Erst letzte Woche hat Beckmann ihn im Regionalfernsehen gesehen. Wörstein stellte in dem Interview klar, dass er nicht im Geringsten daran denke, den Kaufvertrag für den alten Gebäudekomplex rückgängig zu machen, den er für einen Mandanten mit der Region Hannover abgeschlossen hat.

      »Wir haben einen rechtsgültigen Vertrag und es besteht von uns aus kein Handlungsbedarf, geschweige denn ein Grund, vom Vertrag zurückzutreten.«

      Wörstein, wie immer im grauen Zweireiher, groß, schlank, blond, hatte bei diesen Worten arrogant in die Kamera gegrinst. Seine spitze Nase wurde dabei noch spitzer, sein Mund öffnete sich leicht und gab ein kräftiges Gebiss frei. Beckmann juckte es beim Anblick dieser selbstherrlichen Visage in den Fingern. Als Anwalt hat Wörstein sich mit seinen knapp 45 Jahren den Ruf als »bester Prozessverschlepper Niedersachsens« erworben. Jeder Richter bekommt Magendrücken, wenn er es mit dem Freiherrn zu tun hat. Geschickt vermeidet Wörstein fremdenfeindliche Ausdrücke. Das überlässt er anderen, vornehmlich Jüngeren, um deren Rekrutierung er sich intensiv bemüht. Deshalb lässt er vor den Schulen CDs verteilen, kann man auf den Seiten seiner Partei kostenlos Musik herunterladen – und genau deshalb braucht er ein Schulungs- und Veranstaltungszentrum.

      Beckmann liest noch einmal die Einträge, die ein Loblied |49|auf die Kameradschaft singen. Gewalttaten aus der linken autonomen Szene werden angeprangert, fehlende Chancen für junge Deutsche beklagt. Kein Hinweis auf die »Aufrechten Deutschen«. Geschickt gemacht.

      Im Impressum entdeckt Beckmann eine Abkürzung. HB. Er gibt die Buchstaben als Suchbegriff ein und landet bei Autokennzeichen, dem HB-Männchen und dem Hofbräuhaus in München. Er erweitert die Suche mit dem Begriff Werbung. Die genannten Agenturen sagen ihm nichts. Er ergänzt das Wort Internet. Zahlreiche Internetforen von kleinen Städten und Gemeinden werden angezeigt. HB. Henry Broderich. Darauf muss er am Montag Rischmüller ansetzen. Vielleicht findet der etwas heraus.

      12

      Der Golfclub Isernhagen liegt eingebettet in die weitläufigen Ländereien des ehemaligen Ritterguts Lohne. Von der Rückseite betrachtet, wirkt das Clubhaus wie ein einladender Landsitz. Im Winter geben große Panoramafenster den Blick auf die 18. Bahn frei, im Sommer laden bequeme Korbmöbel zum Verweilen auf der Terrasse ein.

      Martha, Trixi und Roswitha haben nach dem ersten Schrecken dort Platz genommen. Schweigend warten sie im Schatten der Markise darauf, ihre Aussagen machen zu können. Eine Kellnerin mit knöchellanger schwarzer Schürze verteilt Speisekarten auf den Tischen.

      »Guten Morgen, die Damen. Haben Sie den Schreck verdaut?«

      |50|Ein träger Wimpernschlag ist Marthas Antwort. Trixi versucht sich in einem müden Lächeln.

      »Wie man’s nimmt«, ächzt Roswitha.

      Martha reicht der Kellnerin einen Zettel, auf dem sie die Bestellung – drei Cappuccino – und den Namen Landeck mit Bleistift notiert hat.

      »Kommt gleich.« Die junge Frau steckt die Bestellung in die Schürzentasche und geht weiter zu dem einzigen Tisch, der außerdem noch belegt ist, und verteilt auch dort die Speisekarten.

      »Darf es noch etwas sein?«

      Professor


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