Das Lebenselixier. Эдвард Бульвер-Литтон

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Das Lebenselixier - Эдвард Бульвер-Литтон


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dahin, als ob ich der Unterhaltung eine andere Wendung geben wollte. Meine Gastgeberin hörte auf zu stricken, erhob sich halb und blickte aus dem Fenster.

      „Ja, was für eine herrliche Nacht! Wie kommt es, dass der Mond Dinge, die sich im Sonnenlicht so scharf voneinander abheben, in solche Harmonie bringt? Den stattlichen Kirchturm, in tausend Jahren ergraut, diese ordinären Ziegeldächer und Schornsteine, so rot und rau wie erst gestern gemauert; im Mondlicht verschmilzt beides zu einem untrennbaren Zauber.“

      Während sie so sprach, hatte meine Gastgeberin ihren Sitz verlassen und war mit dem Strickzeug in der Hand vom Fenster auf den Balkon getreten. Es geschah nicht sehr oft, dass Frau Poyntz sich herabließ, der „Sentimentalität“ – wie sie es bezeichnete – Zutritt zu der scharfen, praktischen und weltlichen Art Unterhaltung zu lassen, die sie bevorzugte. Trotzdem kam es von Zeit zu Zeit vor und wenn dies der Fall war, vermittelte sie mir den Eindruck eines viel zu verständigen Intellekts, um der Empfindsamkeit nicht doch einen Platz in diesem Leben einzuräumen, natürlich einen fest zugewiesenen Platz, vergleichbar der Mischung aus Leutseligkeit und Gleichgültigkeit, mit der eine vornehme Schönheit dem Genius eines armen, mittellosen Poeten Gehör schenkt, ohne ihn zu Weiterem zu ermutigen. Ihre Blicke wanderten einige Minuten lang mit sichtlichem Genuss über den Schauplatz; dann als sie auf den drei Giebeln von Abbots´ House haften blieben, gewann ihr Gesicht etwas von der Härte, die ihrem entschlossenen Charakter eigen war, zurück; ihre Finger kehrten mechanisch zu ihrer Tätigkeit zurück und sie sagte, mit einem klaren, metallischen Klang in ihrer Stimme:

      „Können Sie sich vorstellen, weshalb ich mir so viel Mühe gegeben habe, Mr. Vigors einen Gefallen zu tun und Mrs. Ashleigh dort unten unterzubringen?“

      „Sie waren bereits so freundlich, uns Ihre Gründe ausführlich darzulegen.“

      „Einige meiner Gründe; aber nicht den Hauptgrund. Wer es wie ich für seine Aufgabe hält, Andere zu lenken, muss in Bezug auf seine Regentschaft, sei es über ein Königreich oder über ein Dorf, sich für ein Prinzip der Regentschaft entscheiden und unbeirrbar an ihm festhalten. Das Prinzip, das für den Berg am Besten geeignet ist, ist die Wahrung des Anstands. Wir haben nicht sehr viel Geld und – unter uns – auch keinen allzu hohen Rang. Unsere Politik muss also sein, dem Anstand so viel Macht zu geben, dass sich das Geld ihm unterwerfen und der Rang sich vor ihm fürchten muss. Kurz vor Mr. Vigors Besuch erfuhr ich, dass Lady Sarah Bellasis sich mit dem Gedanken befasse, Abbots´House zu mieten. London habe sich bereits seine Meinung über diese Dame gebildet; eine Provinzstadt würde wohl milder urteilen. Die Tochter eines Earl´s mit einem schönen Einkommen und einem furchtbar schlechten Ruf, mit den besten Manieren und der schlimmsten Moral, würde dem Anstand übel mitgespielt haben. Wie viele unserer Damen hätten Champagner dem Tee und die Lady der Mrs. Poyntz vorgezogen. Der Hill war nie zuvor in größerer Gefahr. Bevor ich das Haus Lady Sarah Belassis überlassen hätte, hätte ich es lieber selbst gemietet und mit Eulen vollgestopft. In diesem kritischen Augenblick kam mir Mrs. Ashleigh sehr gelegen. Lady Sarah´s Pläne sind vereitelt, der Anstand gewahrt und die Angelegenheit damit geregelt.“

      „Es wird Sie freuen, eine Jugendfreundin so nah bei sich zu haben.“

      Mrs. Poyntz sah mir tief in die Augen.

      „Kennen Sie Mrs. Ashleigh?“

      „Nein.“

      „Sie hat viele Tugenden und wenig Ideen. Sie ist auf genauso alltägliche Weise schwach, wie ich auf alltägliche Weise stark bin. Aber diese Schwäche kann sehr liebenswert sein. Ihr Mann, ein Genie und Gelehrter, hatte ihr sein ganzes Herz geschenkt – ein Herz, das es wert war, errungen zu werden; aber er war nicht besonders ehrgeizig und verachtete die Welt.“

      „Ich glaube, Sie sagten Ihre Tochter sei sehr gut mit Miss Ashleigh befreundet. Ist sie ihrer Mutter sehr ähnlich?“

      Ich befürchtete schon, wieder dem suchenden Blick von Mrs. Poyntz ausgesetzt zu werden, aber diesmal sah sie nicht von ihrer Arbeit auf.

      „Nein. Lilian ist weit davon entfernt alltäglich zu sein.“

      „Sie beschrieben ihre Gesundheit als angeschlagen; Sie sagten etwas von der Hoffnung, sie sei nicht schwindsüchtig. Ich hoffe, es gibt keinen ernsthaften Grund für die Annahme, sie habe die Anlage für diese Krankheit, welche in ihrem Alter sorgfältig überwacht werden müsste?“

      „Ich glaube nicht. Wenn sie sterben müsste... – Dr. Fenwick, was ist mit Ihnen?“

      Das Bild, welches die Worte der Frau mir vor Augen geführt hatten, bewirkte, dass ich auffuhr, als sei ich ins Mark getroffen worden.

      „Ich bitte um Verzeihung,“ stotterte ich und presste meine Hand auf mein Herz; „ein plötzlicher Krampf in der Brustgegend....- ist schon vorüber. Sie sagten, dass... - ..dass..-..“

      „Ich wollte gerade sagen...“ an dieser Stelle legte Mrs. Poyntz ihre Hand leicht auf die meine. „Ich wollte gerade sagen, falls Lilian sterben würde, würde ich um sie weniger trauern, als um jemanden, dem irdische Dinge mehr bedeuten. Aber ich glaube, es gibt keinen Grund zu der Besorgnis, die meine Worte unabsichtlich in Ihnen wachgerufen haben. Ihre Mutter ist sehr wachsam und um ihr Wohl besorgt; sollte Lilian etwas fehlen, so würde sie sich sofort nach ärztlichem Rat umsehen. Mr. Vigors würde natürlich Dr. Jones empfehlen.“

      Mit diesen Worten, die mir wie ein Stachel im Herzen staken, beendete Mrs. Poyntz unserer Unterhaltung und kehrte in den Salon zurück.

      Ich blieb noch einige Minuten auf dem Balkon, wütend und aus der Fassung gebracht. Auf welch vollendete Weise hatte mir diese abgebrühte Diplomatin mein Geheimnis abgerungen! Dass sie mein Herz besser kannte, als ich wahrhaben wollte, wurde durch den mit dem Widerhaken „Dr. Jones“ versehenen parthischen Pfeil deutlich, den sie im Rückzug über die Schulter noch auf mich abgeschossen hatte. Vielleicht war es nur die gewohnt schnelle Auffassungsgabe des weiblichen Geschlechts, die bewirkte, dass sie vom ersten Moment an, in dem sie mich an ihre Seite gelockt hatte, „das Etwas“ in mir ausfindig gemacht hatte. Mit außergewöhnlicher Schlauheit hatte sie die Unterhaltung in eine Richtung gelenkt, in der sie einen Hinweis auf dieses Etwas vermutete. Zu welchem Zweck? Was brachte ihr das Ganze? Welche Gründe, außer der Befriedigung ihrer Neugier, konnte sie haben? Vielleicht hatte sie zuerst angenommen, ich hätte mich von der eindrucksvollen Schönheit ihrer Tochter beeindrucken lassen und mir deshalb mit halb zynischer, halb freundlicher Offenheit ihre ehrgeizigen Pläne für die Verheiratung dieser jungen Dame offenbart. Meine Reaktion überzeugte sie, dass ich offensichtlich keine Ambitionen in dieser Richtung entwickelt hatte, spornte jedoch ihr Vergnügen an der Ausübung eines gerissenen Intellekts an, der Politiker und Intriganten zu einer Aktivität antreibt, die ohne den eigenen Reiz an sich keinen vergleichbaren Ansporn liefert. Zudem war die Ausübung von Macht die beherrschende Leidenschaft dieses kleinen Souveräns und wenn Wissen Macht bedeutet, gibt es kein besseres Mittel, Macht über ein widerspenstiges Subjekt zu gewinnen, als durch das Wissen um ein Geheimnisses, welches in seinem Herzen ruht.

      Aber „Geheimnis“! Besagte das eigentlich nicht viel zu viel? War es wirklich möglich, dass allein der Blick in ein Gesicht, dass man nie zuvor gesehen hatte, mein ganzes Leben beeinflussen konnte – das einer Fremden, von deren Geist und Charakter ich nichts wusste und deren Stimme ich noch nicht einmal gehört hatte? Nur aus dem unerträglichen Schmerz, den ich bei den sorglos dahin gesagten Worten „wenn sie sterben sollte“ empfand, fühlte ich, wie sehr die Welt sich für mich verändern würde, wenn ich dieses Gesicht nie mehr wiedersehen könnte! Ja, es war auch für mich kein Geheimnis mehr – ich war verliebt! Und wie alle, auf die sich die Liebe herablässt, einmal sanft und langsam mit dem leichten Flügelschlag der Taube, die auf ihrem Nest landet, ein anderes Mal mit dem Herabsausen eines Adlers auf seine ahnungslose Beute vergleichbar, war ich der Ansicht, dass niemand je zuvor so wie ich geliebt habe und dass eine derartige Liebe ein Wunder sein müsse, nur für mich alleine geschaffen. Unmerklich besänftige mein Gemüt seine wilderen und stürmischeren Gedanken, während mein Blick auf dem Dach von Lilian´s Heim und der vom schimmernden Silber des Mondlichts beleuchteten Weide ruhte, unter der ich sie zum ersten Mal in den rotglühenden Abendhimmel blicken sah.

      Kapitel


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