Das Lebenselixier. Эдвард Бульвер-Литтон

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Das Lebenselixier - Эдвард Бульвер-Литтон


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die anderen Gäste derart teils an den Kartentischen, teils um das Piano untergebracht waren, nahm ich neben Mrs. Poyntz in der Nische eines Fensters Platz, welches an diesem für den Monat Mai ungewöhnlich warmen Abend geöffnet bleiben konnte. Ich saß neben jemandem, der Lilian als Kind gekannt hatte und von dem ich wusste, welchen Namen ich dem Bild geben durfte, das meine Gedanken gefangen hielt. Wie viel, das ich noch wissen wollte, könnte sie mir sagen. Aber wie konnte ich das Thema zur Sprache bringen, ohne mein übergroßes Interesse zu verraten. So sehr ich auch sprechen wollte, fühlte ich mich, als ob ich mit Stummheit geschlagen wäre; verstohlen ließ ich einen unruhigen Blick über das Gesicht neben mir gleiten und war tief beeindruckt von der vom Hill längst voll Ehrfurcht anerkannten Wahrheit – nämlich dass Mrs. Colonel Poyntz eine außerordentlich überlegene Frau mit einer ungeheuren Ausstrahlung war.

      Sie saß da und strickte, schnell und mit sicherer Hand; eine Frau jenseits der Vierzig, mit bronzefarbenem blassen Teint, bronze braunem Haar, das stark gelockt und hinten kurz geschnitten war – ein schönes Haar für einen Mann; Lippen, die wenn sie geschlossen waren, eine unbeugsame Entschiedenheit zeigten, beim Sprechen aber geübt leichten Humor und ins Ziel treffenden feinen Witz strömen ließen; haselnussbraune Augen, schnell und doch sicher – beobachtende, durchbohrende, unerschrockene Augen; insgesamt ein schönes Gesicht – das auch ein gutes Gesicht für einen gutaussehenden Mann abgegeben hätte. Ein scharfes Profil, klare, gut geschnittene Konturen mit einem Ausdruck, die einer Sphinx würdig gewesen wären. Ein kräftiger, jedoch nicht korpulenter Körper; von mittlerer Größe, aber mit einer Haltung, die ihn fast schlank erscheinen ließ. Eigentümlich weiße, feste Hände, die eine kräftige Gesundheit verrieten und auf ihrer Oberfläche keine Ader erkennen ließen.

      Sie saß da und strickte, während ich an ihrer Seite abwechselnd sie selbst, bald ihre Arbeit betrachtete und mich der unbestimmten Vorstellung nicht erwehren konnte, dass es die Fäden meines eigenen Liebes- oder Lebensglückes waren, die da durch ihre lautlosen Finger glitten. Und wirklich wird selbst im überspanntesten Roman eine der Parzen durch einen unpoetischen weiblichen Charakter das „soziale Schicksal“ vertreten, das so wenig zur Romantik passt, wie diese weltliche Königin des Hills.

      Kapitel VII

      Ich habe bereits versucht, eine Vorstellung vom äußeren Erscheinungsbild der Mrs. Colonel Poyntz zu vermitteln. Die Frau im Innern war ein ebenso großes Mysterium wie die Sphinx, deren Züge den ihren ähnelten. Aber zwischen der äußerlichen und inneren befindet sich immer eine dritte Frau – die ganz normale Frau – so wie sich das ganze Wesen der Welt darbietet – stets verschleiert, manchmal maskiert.

      Mir wurde gesagt, die feine Gesellschaft in London erkenne den Titel „Mrs. Colonel“ nicht an. Sollte das zutreffen, befindet sich die feine Gesellschaft London´s im Unrecht, denn niemand im Universum könnte feiner sein als die feine Gesellschaft des Abbey Hill; und diese war der Ansicht, ihr Souverän habe ein ebenso gutes Anrecht an dem Titel „Mrs. Colonel“ wie die Königin von England an dem einer „Gracious Lady“. Dennoch bediente sich Mrs. Poyntz dieses Titels nie selbst; er erschien ebensowenig auf einer ihrer Karten, wie man die Bezeichnung „Gracious Lady“ auf einer der Einladungskarten finden wird, die der Lord Steward oder Lord Chamberlain auf Befehl ihrer Majestät ausgeben. Titel riefen bei Mrs. Poyntz ohnehin keine abergläubische Ehrfurcht hervor. Zwei dem Hochadel angehörende Damen, die zu ihrer engen Verwandtschaft gehörten, pflegten ihr alljährlich einen zwei- oder dreitägigen Besuch abzustatten. Der Berg betrachtete dies als eine Würdigung ihrer hohen Stellung. Mrs. Poyntz schien darin nie eine ihr selbst erwiesene Ehre zu erkennen, rühmte sich nie dieser Besuche, stellte ihre vornehmen Verwandten nie zur Schau oder machte nicht viel Aufhebens aus dem Empfang der Damen. Ihre Art zu Leben war frei von allem Prunk. Sie hatte das Glück, einige hundert Pfund Jahreseinkommen mehr verbuchen zu können als jeder andere Bewohner des Hill, aber sie verwendete ihre größeren Ressourcen nie zu der Schaustellung einer überlegenen Pracht. Als weiser Souverän widmete sie die Einkünfte ihrer Staatskasse dem Wohl ihrer Untertanen und nicht der Eitelkeit einer egoistischen Zurschaustellung. Da niemand auf dem Berg eine Kutsche unterhielt, verzichtete sie ebenfalls darauf. Ihre Einladungen waren einfach, aber zahlreich. Zweimal in der Woche empfing sie den Hill und sorgte dafür, dass er sich heimisch fühlte. Sie sorgte dafür, ihre Parties sprichwörtlich angenehm zu halten. Die gereichten Erfrischungen waren von der Art, die auch die ärmste ihrer Ehrendamen bieten konnte, allerdings achtete sie sehr auf Qualität – der beste Tee, die beste Limonade, die besten Kuchen waren gerade gut genug.

      Ihre Räume waren von einer Behaglichkeit, die ihnen etwas besonderes gab. Sie sahen aus wie Räume aussehen sollten, die daran gewöhnt waren, in freundlicher Art Gäste zu empfangen, angenehm warm, gut beleuchtet, mit Kartentischen und Piano, die so platziert waren, dass sie zu Kartenspiel und Musik förmlich einluden. An den Wänden hingen einige Familienporträts und drei oder vier andere Bilder, von denen gesagt wurde, dass sie einigen Wert besäßen und gut dort hin passten – zwei Watteaus, ein Canaletti und ein Weenix; dazu eine größere Anzahl von Sesseln und Sofas, mit fröhlichem Chintz bezogen – wobei die Anordnung des Mobiliars im allgemeinen eine unbeschreibliche, sorglose Eleganz zeigte. Sie selbst war ausgesucht einfach gekleidet und trug auffallend weniger Juwelen und Schmuck als irgend eine andere verheiratete Dame auf dem Hill. Aber ich habe von denen, die etwas von der Sache verstehen, gehört, dass man sie niemals in der Mode des letzten Jahres gekleidet sah. Sie war stets auf dem neuesten Stand, gerade so viel, um zu zeigen, dass sie sich bewusst war, was zur Zeit Mode war, aber mit einer nüchternen Zurückhaltung, so als ob sie sagen wollte: „Ich gehe mit der Mode, so weit sie mir zusagt; ich erlaube ihr nicht, über mich zu bestimmen.“ Kurz, Mrs. Colonel Poyntz war manchmal rau, manchmal grob, immer maskulin und doch auf eine seltsam feminine Art und Weise maskulin; aber niemals vulgär, da sie nie geziert wirkte. Es war unmöglich zu leugnen, dass sie durch und durch „Gentlewoman“ war und sich einige Dinge ohne Verlust ihrer Würde erlauben konnte, für die andere Damen ihren Ruf einbüßen würden. So war sie sehr geschickt im Parodieren von Leuten, sicherlich die am wenigsten damenhafte Art, Humor zu zeigen. Aber wenn sie parodierte, so geschah das mit einem so ruhigen Ernst oder einem derart königlich guten Humor, dass man nur sagen konnte: „Was für ein unterhaltsames Talent die gute Mrs. Colonel hat!“

      Auf dieselbe Weise, in der sie die Rolle einer gebildeten Frau einnahm, behauptete ihr männlicher Gegenpart, der männliche Colonel, seine Stellung unter den Herren; er war zwar scheu, aber nicht kühl, hasste Schwierigkeiten aller Art und begnügte sich in seinem Hause, eben so gar keine Rolle zu spielen. Wenn es das Hauptanliegen der Mrs. Colonel gewesen wäre, es ihrem Gatten möglichst gemütlich zu machen, wäre nichts dazu besser geeignet gewesen, als ihn mit Freunden zu umgeben und diese ihm zu passender Gelegenheit wieder vom Hals zu schaffen. Colonel Poyntz, der männliche Colonel, hatte in seiner Jugend tatsächlich gedient, hatte aber schon vor Jahren, bald nach seiner Heirat, den Abschied genommen. Er war der jüngere Bruder eines der vornehmsten Grundbesitzer des Landes; hatte das Haus, in dem er lebte, zusammen mit einigem wertvollen anderen Grundbesitz in und um L... von einem Onkel geerbt, galt als tüchtiger Landmann und war sehr populär in der Low Town, obwohl er sich niemals in deren innere Angelegenheiten einmischte. Er war peinlich genau gut angezogen, von schlanker, jugendlicher Gestalt und krönte sein Aussehen mit einer dicken jugendlichen Perücke. Er schien niemals etwas anderes als die Zeitungen und das meteorologische Journal zu lesen, was ihm den Ruf des wetterkundigsten Mannes in L... eingebracht hatte. Seine andere intellektuelle Vorliebe war – Whist; worin er es allerdings zu nicht ganz so großem Ruhm gebracht hatte. Vielleicht weil die Feinheiten dieses Spiels eine seltenere Vereinigung mentaler Fähigkeiten erforderten, als die Voraussage eines Steigens oder Fallens des Barometers. Im übrigen war der männliche Oberst, der eine beachtliche Anzahl von Jahren mehr als seine Gattin zählte, trotz seines jugendlichen Aussehens ein bewunderungswürdiger Adjutant des kommandierenden Generals, und sie hätte niemanden finden können, der gehorsamer, ergebener oder mehr voll des Stolzes auf einen so ausgezeichneten Chef gewesen wäre.

      Wenn ich Mrs. Colonel Poyntz als Königin des Hills bezeichne, muss ich darum bitten, mich nicht falsch zu verstehen. Sie war keine konstitutionelle Fürstin, sondern herrschte als absolutistischer Monarch. Alle ihre Erklärungen hatten die Macht von Gesetzen.

      Solcher


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