Tatort Oberbayern. Jürgen Ahrens
Читать онлайн книгу.Wedel ihm des Leben noch mehr zur Hölle machen würde, wenn er was gsagt hätt’. Der Robert hätt’ des bestimmt so hingedreht, dass alle ihm geglaubt hätten und ned dem versoffenen Bruder.«
»Und weil er nicht auf der Pressekonferenz war, haben Sie vermutet, dass er sich umgebracht hat, und zwar in der Adelhofer-Scheune?«
Birnhuber trank einen großen Schluck Weißbier und seufzte: »Mei, nicht direkt. Wenn er gar nimma konnt hat, isser halt meistens in die Scheune. ›Robertfreier Raum‹ hat er die gnannt. Und wie er nicht in München war und nicht an sein Handy gegangen is’, hab ich mir halt dacht, dass er in der Scheune is’. Befürchtet hab ich, dass was passiert is’, vielleicht auch vermutet.« Nachdenklich starrte Birnhuber auf die weiß-blau rautierte Tischdecke.
Das Dirndl-Dekolleté hatte einen Vorwand gefunden, an den Tisch zu kommen.
»Darf’s noch a Kaffeetscherl sein und an Apfelstrudl dazu?«
Katharina und Birnhuber bestellten beide einen Espresso.
»Freust dich, Alfred, dass du a nette Gesellschaft hast am Freitag? Wissns«, sagte Dirndl-Mari und schaute verschwörerisch zu Katharina, »seitdem, dass der Lukas tot ist, sitzt er halt allein da, der arme Alfred. Tröstens ihn halt a bissl.«
Lukas bedeutete Mari mit einer unmissverständlichen Geste, dass sie verschwinden solle, und sie wogte erneut beleidigt davon.
»Weiß Robert Adelhofer eigentlich, wie Sie über ihn denken, Herr Birnhuber?«
Augenblicklich erwachte der Bayer aus seiner Melancholie.
»Des könnens glauben, logisch! Gestern hat er mich angrufn und wollt mit mir reden. Ich hab ihm gsagt, dass er mich in Ruh lassn soll und dass er ein Mörder is’, und hab aufglegt.«
»Wieso haben Sie zu ihm gesagt, dass er ein Mörder ist?«
»Weil er den Lukas auf dem Gewissen hat. Auch wenn er ihn nicht umbracht hat.«
»Was glauben Sie, warum Robert Sie angerufen hat? Was wollte er von Ihnen?«
»Der wollt’ genau des wissen, was ich ihm gsagt hab. Wie ich zu ihm steh. Da hab ich jetzt einen richtigen Feind oder sogar zwei. Den Wedel und den Robert. Aber des halt ich aus, des Bürscherl, des verlogene, der soll mir bloß deppert kommen, wird schon sehn, was er davon hat.«
»Herr Birnhuber, was für ein Verhältnis hat Max Adelhofer zu seinen Söhnen?«
»Oh mei, der Max und seine Bubn. Wissns, ich glaub, dass er den Robert lieber gmocht hat als den Lukas. Weil er dacht hat, dass der Robert ein Macher is’, einer, der’s im Griff hat. Der Lukas is’ nie richtig zum Zug kommen. Der war zwar gradraus und ehrlich, aber immer im Schatten vom Robert. Des hat der Max ned gsehn, dass der Lukas sich untergeordnet hat. Und wie er abgstürzt is’, des war erst recht ned leicht für den Max. Weil psychische Probleme, des gibt’s im Max seiner Welt ned. Reden ist auch nicht sei Sach. Dann hat er den Lukas machen lassn und hat nix dazu gsagt. Ich glaub, dass ihm des jetzt leidtut. Des weiß er wahrscheinlich selber noch gar ned. Und der Robert hat halt a Geld auf den Adelhofer-Hof bracht mit den depperten Führungen und dem ganzen Schmarrn. Gfalln hat dem Max des ned, aber der Robert war halt sein Robert und des Geld brauchens, der Max und die Rosa. Landwirtschaft hams keine mehr und Fremdenzimmer vermietens auch nimmer – des war der Rosa irgendwann zu viel. Und da is’ die ›Geldquelle Robert‹ halt praktisch.«
»Ist Max Adelhofer deswegen in Roberts Sendung aufgetreten?«
Birnhuber schaute Katharina an: »Logisch. Der Max is’ garantiert ned freiwillig dahin. Niemals. Des war ein Deal zwischen dem Robert und dem Max. Da is’ bestimmt Geld gflossn. Oder auch nicht, wo er ja keinen Ton gsagt hat.« Birnhuber starrte vor sich hin. »Des wird der Max niemals zugeben, weil er genau weiß, dass dann der Geldhahn zugedreht wird.«
Eine Weile lang schwiegen beide und rührten in ihren Tassen, bis Katharina ihre letzte Frage stellte: »Warum haben Sie der Polizei nicht erzählt, dass Lukas Sie auf die Pressekonferenz eingeladen hat?«
»Hab ich. Nur, was er mir dazu gsagt hat, warum er mich eingladen hat, des hab ich nicht erzählt. Dass ich auf der Pressekonferenz war, hat die Frau Kommissarin ned so interessant gfunden. Also, Frau Langenfels, Sie haben echte Exklusivinformationen.«
Birnhuber lächelte melancholisch. »Vielleicht könnens damit dem Robert endgültig die Suppe versalzen.« Er drückte ihr eine Visitenkarte in die Hand: »Wenns noch was brauchen, müssens nicht herfahren, rufens mich einfach an. Dem Robert das Handwerk zu legen, bin ich jederzeit dabei.«
Nach dem Gespräch mit Birnhuber hatte Katharina noch reichlich Zeit, bis sie Svenja abholen musste, und beschloss spontan, auf dem Friedhof vorbeizufahren.
Ein paar Minuten später parkte sie neben einem Lieferwagen mit der Aufschrift »Floristik Angerer – Ihre Nummer eins für Chiemseeblumen«.
Tatsächlich war die Nummer eins gerade dabei, ein Blumenarrangement an Adelhofers Grab abzustellen.
Als Katharina näher kam, entdeckte sie Rosa Adelhofer. Sie stand wie bei der Beerdigung in Schwarz gekleidet neben dem Grab und weinte ohne Unterlass. Ihr rot kariertes Stofftaschentuch hob sich als fröhlicher Farbklecks von ihrer Trauerkleidung ab. Es war völlig durchnässt. Katharina trat auf sie zu und reichte ihr schweigend ein Papiertaschentuch. Rosa Adelhofer schaute kurz auf, nahm es und schnäuzte kräftig hinein.
»Frau Adelhofer, wollens nicht wiederkommen, wenn wir fertig sind? Sie müssen sich das doch nicht antun.« Der junge Mann in Arbeitshosen und sandiger Jacke, offensichtlich ein Angestellter von Floristik Angerer, war mit der Situation leicht überfordert. Mit einem zweiten Kollegen versuchte er, das Gesteck zu platzieren und dabei die vielen verwelkten Trauerkränze, die nach wie vor auf dem Grab lagen, unbeschadet zu lassen.
»Frau Adelhofer, der Mann hat vielleicht recht. Soll ich Sie heimbringen und Sie kommen heute Abend wieder? Dann schaut das hier bestimmt schön aus.« Rosa Adelhofer blickte auf das Grab, schnäuzte sich noch mal, nickte und machte sich auf den Weg zum Ausgang. Katharina ging schweigend neben ihr her und merkte, wie Rosa sich langsam beruhigte.
»Ich schreibe eine Serie über den Robert, ich glaube, die Frau Obermann von der Polizei hat Ihnen von mir erzählt. Mögen Sie vielleicht ein bisschen mit mir über Ihre beiden Söhne sprechen? Ich hätte noch etwas Zeit, bis ich zurück muss nach München, um meine Tochter bei meiner Mutter abzuholen.«
Rosa Adelhofer nickte und sagte: »Die Frau Kommissarin hat gsagt, dass Sie a Gute san. A Tochter hams, schön, ich hätt gern noch a Tochter ghabt zu den beiden Buben. Aber der Max hat net wolln.« Gedankenverloren ging die alte Frau weiter, schaute dann Katharina an und fügte hinzu: »Eigentlich mag ich mit der Zeitung und dem Fernsehen nix zu tun ham, aber ich glaub des, dass Sie anders san. Hoffentlich täusch ich mich ned.«
Katharina drückte kurz Rosa Adelhofers Arm: »Ich verspreche Ihnen, nichts zu schreiben, womit Sie nicht einverstanden sind. Ist das in Ordnung?«
Rosa Adelhofer nickte. »Ich kann Ihnen bloß nix anbieten außer Kaffee und Wasser.«
Am Adelhofer-Hof angekommen nahm die Bäuerin Katharina die Jacke ab und hängte sie zusammen mit ihrem Lodenmantel an zwei Garderobenhaken.
»Ist Ihr Mann nicht zu Hause?«, fragte Katharina mit einem Blick auf die leere Garderobe.
»Ich weiß ned. Mir sehn uns fast nimma, zum Frühstück kommt er manchmal in d Küch’, was er sonst den ganzen Tag macht, weiß ich ned.«
»Er leidet wahrscheinlich wie Sie unter dem Tod Ihres Sohnes. Männer können das oft nicht gut ausdrücken«, versuchte Katharina irgendetwas Tröstliches zu sagen und kam sich im gleichen Moment ziemlich blöd vor mit ihrer Stammtischpsychologie.
Frau Adelhofer ging vor ihr in die Küche und deutete auf die Eckbank. Katharina setzte sich und schaute zu, wie die alte Frau den Kaffee zubereitete.
»Sie haben vom ganzen Haus einen wunderbaren Blick auf den See.« Katharina konnte bis zum Beginn von Herrenchiemsee schauen. Roberts Mutter nickte gedankenverloren.