Tatort Oberbayern. Jürgen Ahrens

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Tatort Oberbayern - Jürgen Ahrens


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aufs Gas und düste Richtung Heimat.

      Plötzlich im Auto vor ihr: Lukas, er starrte sie im Rückspiegel an. Erschrocken verriss sie das Lenkrad und schlitterte kurz auf die Gegenfahrbahn. Hupen, quietschende Bremsen, erschrockene Gesichter in entgegenkommenden Autos. Sie lenkte schnell – zu schnell – zurück auf ihre Spur und schlingerte auf den Seitenstreifen. Kurz vor den Leitplanken kam sie zum Stehen. Der Fahrer im Wagen vor ihr hatte angehalten. Er schaute kopfschüttelnd zu ihr, als er weiterfuhr. War nicht Lukas, nur auch ein Blonder.

      »Janalein, nicht die Nerven verlieren, keep cool, läuft alles nach Plan.« Mit zittrigen Knien startete sie erneut ihren Flitzer und brauste Richtung München.

      Noch früh am Tag, stellte Katharina fest, als sie um 14.30 Uhr das Fernsehstudio verließ. Um Birgits kleine Missstimmung endgültig auszuräumen, beschloss sie, mit ihr als Erster die Erlebnisse zu teilen.

      Svenja musste sie erst um 17 Uhr abholen, sie hatte ausnahmsweise Zeit.

      Als sie an Birgits Bürotür klopfte, kam von drin ein ungewohnt lustloses »herein«. Katharina öffnete und sah ihre Freundin in sich zusammengesunken am Fenster stehen. Das einzig Lebensfrohe war ihre Kleidung: ein pinkfarbenes knallenges Strickkleid mit beeindruckendem Rückendekolleté. Es ermöglichte den Blick auf zwei lila BH-Träger mit Spitzenbesatz. Dazu trug Birgit High Heels in Rot. Katharina würde es eine gewagte Kombi nennen, Birgit pflegte zu sagen: »Heutzutage kann man alles mit allem kombinieren, Katharina, trau dich was. Kreiere deinen eigenen Style.«

      »Birgit, was ist los?«

      »Ach, ich habe Daten vom Adelhofer in einer Cloud entdeckt. Aber die sind verschlüsselt und ich komme nicht rein. Das nervt mich. Themawechsel. Warum bist du überhaupt hier? Ich dachte, du bist bei Roberts Sendung?«

      »Schon vorbei.« Katharina ließ sich in den knallbunten Ohrensessel fallen, mit dem Birgit ihr Büro aus privaten Beständen aufgehübscht hatte.

      »Und danach wollte Robert nicht noch einen kleinen Plausch mit seiner Lieblingsjournalistin halten?« Birgit setzte sich Katharina gegenüber auf ihren Bürostuhl, der pinkfarbene Strick rutschte nach oben, sodass eine orangerote Strumpfhose besser zur Geltung kam.

      »Doch. Papa Adelhofer hat keinen Ton gesagt in der Sendung, ich glaube nicht, dass Robert das recht war. Jedenfalls wirkten beide sehr eigenartig. Vorher und nachher hat Robert mir versichert, sein Vater sei absolut freiwillig gekommen, wolle damit den Tod von Lukas verarbeiten.«

      Katharina schilderte ihrer Freundin Adelhofers Statement zu den Kampenwand-Fotos und ihre Einschätzung dazu. »Vielleicht stimmt das sogar, dass er seine Bekanntheit unterschätzt hat. Ich glaube aber eher, er ist so scharf auf Publicity, dass er bewusst auf die Kampenwand gerannt ist, um erkannt zu werden. Und an seine erste Sendung und die Story vom Bergtrauma hat er nicht mehr gedacht.«

      Birgit seufzte: »Weißt du, ein bisschen schade finde ich es schon, dass langsam mein schönes Bild vom Gutmensch Robert Adelhofer in die Binsen geht.«

      »Tja, in diesem Fall kann ich nicht mal sagen, dass es mir leidtut. Vielleicht gibt’s noch was, was dein Adelhofer-Bild endgültig zum Einsturz bringt: Oliver hat mich gestern gefragt, ob es eigentlich Beweise gibt, dass Robert diesen Bergwinter wirklich so durchgestanden hat, wie er behauptet. Klar, er hat das tausendmal erzählt und erklärt. Das kann man sich theoretisch aber auch alles anlesen. Drum folgende Idee: Du recherchierst, ob das so gewesen sein kann, wie Robert Adelhofer es schildert, sprichst mit Experten, findest raus, was man wissen und können muss, um einen Winter in den Bergen zu überleben. Wir schauen …«

      Birgits Gesicht leuchtete: »Geil! RG musst aber du überzeugen.«

      »Mache ich gerne. Kann nur sein, dass ich zu unkonventionellen Mitteln greifen muss. Okay?«

      Katharina kannte die Antwort bereits. »Du weißt, ›unkonventionelle Mittel‹ ist mein zweiter Vorname. Mach und ich bin dabei!«

      »Super, Birgit, nur noch zwei Kleinigkeiten.«

      Birgit stöhnte: »Ich spare mir die Recherche verschlüsselter Daten – vorerst. Ich muss dir sowieso erst noch die Ergebnisse meiner sonstigen Recherchen schicken. Und ja, ich ziehe mich anständig an, wenn ich mit seriösen Menschen spreche.«

      Katharina grinste.

      »Frau Langenfels, ich habe Ihnen zugesagt, dass Frau Wachtelmaier für die Recherchen in der Adelhofer-Sache frei ist von anderen Verpflichtungen. Aber Außentermine? Quasi als verdeckte Ermittlerin? Das geht zu weit. Darf man fragen, was Frau Wachtelmaier tun soll?«

      Katharinas Chef klopfte mit den Fingern genervt auf seinen Schreibtisch.

      »Herr Riesche-Geppenhorst, ich möchte prüfen, ob die Angaben zu Adelhofers Bergwinter wirklich alle wasserdicht sind. Dafür müssten wir mit verschiedenen Experten sprechen. Da ich zu bekannt bin, würde es schnell die Runde machen, wenn ich anfange, mich in diesem Bereich umzuhören. Frau Wachtelmaier kennt niemand, sie wäre mit anderer Identität unterwegs. Sie ist die Einzige, die in der Redaktion Bescheid weiß und die das sehr gut recherchieren könnte.«

      Riesche-Geppenhorst hob die Arme und verschränkte sie hinter dem Kopf – ein Zeichen, dass er nachdachte.

      »Frau Wachtelmaier ist Archivarin und keine Kriminalkommissarin. Daher sage ich: Nein. Wie kommen Sie überhaupt darauf, dass Adelhofer lügt? Der halbe bayerische Landtag hat ihm damals gratuliert, die sind doch nicht alle auf der Brennsuppn dahergeschwommen.«

      Katharinas Chef nahm die Arme wieder herunter und klopfte auf den Schreibtisch. Diesmal mit dem Kugelschreiber.

      »Herr Riesche-Geppenhorst, Sie haben natürlich recht. Allerdings hat beispielsweise auch die rechte AP Adelhofer gratuliert. Für mich nicht unbedingt eine verlässliche Quelle. Ich würde der Sache gern nachgehen. Aber Frau Wachtelmaier und ich können verstehen, dass Sie sie nicht einfach für diese Außenrecherche freistellen können.«

      Riesche-Geppenhorst hob überrascht die Augenbrauen.

      Katharina nahm ein Blatt Papier aus ihren Unterlagen.

      »Daher haben wir bereits einen Plan B überlegt.«

      Sie schob ihrem Chef den Urlaubsantrag von Birgit über den Schreibtisch. Der las und schaute Katharina amüsiert an. »Na, wenn Frau Wachtelmaier für solche Recherchen Urlaub nehmen will, von mir aus. Das wäre geklärt.«

      Um Katharina zu bedeuten, dass er ihren Besuch als beendet betrachtete, begann er, sich seinem Computer zuzuwenden.

      »Gut. Danke, dass Sie den Urlaub so kurzfristig genehmigen.«

      Riesche-Geppenhorst grinste geschmeichelt.

      Katharina stand auf. An der Tür drehte sie sich noch mal um:

      »Nur eins noch. Wenn Frau Wachtelmaier während ihres Urlaubs an wichtige Informationen im Fall Adelhofer kommt, ist sie natürlich nicht verpflichtet, sie ›Fakten‹ zur Verfügung zu stellen. Das wissen Sie ja. Vielleicht verkauft sie ihre Recherchen exklusiv an uns. Das hängt dann eben vom Preis ab.«

      Wie zu erwarten, blickte sie in das entgeisterte Gesicht ihres Chefs.

      »Wie, ich verkaufe die Nachricht exklusiv an euch? Ich kriege noch Kohle für den Spaß?« Begeistert starrte Birgit Katharina an, die kleinen Plastik-Auberginen, die sie heute als Ohrschmuck gewählt hatte, baumelten hin und her.

      »Vorschlag: Du arbeitest heute noch normal und ab morgen von zu Hause, so lange wie nötig. Jetzt müssen wir uns nur noch deine Legende überlegen.«

      »Meine was?« Die Auberginen vibrierten.

      »Na, deine neue Identität, Legende heißt das in Geheimdienstkreisen.«

      Birgits Augen leuchteten. »Habe ich mir schon überlegt. Ich heiße Andrea Moosbacher, Mutter des 16-jährigen Kevin Moosbacher. Der will Robert nacheifern und einen Bergwinter überleben und ich als besorgte Mutter frage naiv bei den Fachleuten nach, ob das funktionieren kann. Dass es Kevin nicht gibt, weiß niemand, weil die Mama das natürlich heimlich recherchiert. Kevin würde sie ja umbringen,


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