Vernichten. Hansjörg Anderegg
Читать онлайн книгу.gemacht, Kleines. Wir werden freien Zugang zum Monster fordern. Da kann der Freund des Alten beweisen, wozu er fähig ist.«
Während der Diskussion über den Supercomputer hatte der Systemarchitekt Fedor am Whiteboard begonnen, einen Lösungsansatz zu skizzieren. Obwohl auch er die genauen Voraussetzungen und Randbedingungen für den Auftrag noch nicht kannte, folgte seine Skizze einer zwingenden Logik. Es war nicht das erste Mal, dass sie in ein gut gesichertes System eindringen mussten. Das Vorgehen war grundsätzlich bekannt. Dieser Auftrag aber verlangte viel mehr als das simple Kopieren fremder Daten oder die Lähmung des Systems durch ›denial of service‹ Attacken. Diesmal mussten sie die Kontrolle über das ganze Peripherie-Subsystem übernehmen, das die Daten verwaltete. Nur so war es möglich, den Auftrag des Unbekannten auszuführen. Fedors Skizze zeigte wie immer klar und ohne unnötigen Schnickschnack einen plausiblen Weg auf, wie sie dieses Ziel erreichen könnten. Andrei nickte zufrieden.
»Khorosho! Nehmen wir das als Arbeitshypothese.«
Er benutzte die Skizze, um die Aufgaben zuzuordnen, eine Arbeitsteilung, die sowieso aufgrund ihrer unterschiedlichen Fertigkeiten auf der Hand lag.
»Ganz zentral ist der Trojaner, der lang genug unentdeckt bleiben muss«, fuhr er fort. »Visel?«
Vladimir nickte. »Hab‘s begriffen.«
Trojaner gehörten zu seinen Spezialitäten. Er besaß eine ansehnliche Sammlung solcher Softwarekomponenten für alle möglichen Betriebssysteme. Sein Design erlaubte es ihm, die Schadsoftware mit wenigen Parametern für den jeweiligen Zweck umzuprogrammieren. Er war ein professioneller Hacker, der Software produzierte, um ein Ziel zu erreichen, kein Bastler, der zum Zeitvertreib an Spaghetti-Code herumschraubte.
Andrei kopierte die Information aus dem Tablet auf den Datenserver, damit sie arbeiten konnten. Bis spät nachts sprachen sie kaum mehr ein Wort miteinander, dann verließen zuerst die Brüder Melnikov den Bunker. Andrei folgte. Er versuchte vergeblich, seine Freundin Fisik zu überzeugen, ihn zu begleiten, um über die Angelegenheit zu schlafen. Beischlafen sollte es wohl besser heißen. Gegen Mitternacht stellte Vladimir verblüfft fest, dass er fast allein im Bunker saß. Fisik schien vor ihren Bildschirmen eingenickt zu sein. Den Kopf auf einer Kabelrolle, hing sie in ihrem Sessel und rührte sich nicht. Nur die Brust hob und senkte sich regelmäßig. Er beachtete sie nicht weiter.
Eine Minute vor der Geisterstunde zog er sein zweites Handy aus dem Geheimfach und begann zu tippen. Der auf Englisch abgefasste Text war kurz wie jede SMS an die heimliche Geliebte, die so unerreichbar weit entfernt lebte.
Ganz herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, meine Liebste. Ich denke jeden Tag an unsere Nacht in Sankt Petersburg.
Jene Nacht im Hotel war nicht nur die schönste, sondern vor allem die einzige Erinnerung an sie, die Bezeichnung Geliebte also eine ziemlich unverschämte Übertreibung. Aber sie hatte bisher alle seine Kosenamen ohne Weiteres akzeptiert und stets rasch und warmherzig auf die etwas hölzernen Texte reagiert. Das fachte die Flamme in seinem Herzen jedes Mal aufs Neue an. Kaum war die SMS abgeschickt, stand Fisik sozusagen auf seinen Füßen. Mit einem anzüglichen Lächeln fragte sie:
»Du vögelst doch nicht etwa mit einer heimlichen Geliebten?«
Sie ahnte nicht, wie nah sie an der Wahrheit vorbeischrammte. Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken. Es lag nicht an Fisiks aufgeladener Weiblichkeit. Das Handy war sein Problem. Es musste unter allen Umständen geheim bleiben, denn es war sein einziger privater Draht nach draußen, der nicht von den Kollegen gehackt werden konnte. Das Telefon schien sie nicht weiter zu interessieren. Er steckte es mit einem stillen Seufzer ein und beglückwünschte sich einmal mehr für die weise Voraussicht, zwei identische Handys angeschafft zu haben.
»Mir kannst du es ruhig verraten«, flüsterte sie und rückte noch einige Zentimeter näher. »Ich sag‘s bestimmt nicht weiter.«
Was führte sie im Schilde? Die körperliche Nähe brachte ihn unwillkürlich ins Schwitzen. Fisik war der Hardwareguru im Bunker, nichts weiter – bisher.
»Ich denke, du solltest dich ein wenig entspannen«, sagte sie.
Ihr T-Shirt löste sich vor seinen Augen in nichts auf. Die nackten Brüste bekräftigten ihre Bemerkung auf eine Weise, der er nichts entgegenzusetzen hatte. Wahrscheinlich lag es daran, dass seine Gedanken immer noch um die ferne Geliebte kreisten. Jedenfalls fiel die Antwort seines Körpers auf den unerwarteten Striptease zu ihrer vollen Entzückung aus. Die CPU der Großhirnrinde fuhr herunter. Der Autopilot des Stammhirns übernahm die Kontrolle. Das genügte vollkommen für den Rest der Nacht. Im letzten Moment hinderte ihn der Klingelton des offiziellen Handys daran, in ihren Mund zu entladen.
»Verdammt, weißt du, wo Fisik steckt?«, fragte Andrei gereizt.
Ahnungslos, was er antworten sollte, da sein Großhirn ausgeschaltet war, ließ er sich das Telefon aus der Hand nehmen. Fisik unterbrach die Arbeit am steifen Glied und sprach ins Handy:
»Hallo?«
»Verdammt, wo steckst du? Warum ist dein Telefon ausgeschaltet?«
Andrei sprach so laut, dass sein Stammhirn jedes Wort hörte.
»Ich bin beschäftigt. Dringender Auftrag von Gott persönlich, schon vergessen?«
»Du kommst heute nicht mehr?«
»Blöde Frage, und überdies ist es schon morgen.«
Sie unterbrach die Verbindung und schaltete sein Handy vorsichtshalber aus. Ein kurzer Zungeneinsatz brachte seinen Schwanz wieder in Stellung.
»Jetzt aber richtig, mein Lieber!«, rief sie aus und saß auch schon auf seinem Schoß.
Mehr als ein paar wenige rhythmische Stöße hielt sein Stammhirn nicht aus. Das System kollabierte gleichzeitig mit dem Samenerguss. Reboot. Sie war noch nicht soweit, presste die Hinterbacken zusammen, um den lahmenden Schwellkörper im Schoß zu halten, während sie masturbierte wie auf Speed, bis sie mit einem Aufschrei über ihm zusammenklappte.
»Andrei!«, war der erste müde Gedanke, den das wiedererwachte Großhirn an sein Bewusstsein sandte.
Fisik zog sich ohne ein weiteres Wort in die Dusche zurück. Zur Not diente der Bunker auch als Wohnung. Bei ihren Projekten war die erforderliche Präsenzzeit kaum abschätzbar. Es würde nicht auffallen, wenn sie zwei hier übernachteten, falls Andrei nicht schon misstrauisch geworden war. Seine Gedanken drehten sich im Kreis oder besser: kreisten in einer Achterbahn um zwei Frauen. Computerprogramme und Betriebssysteme oder Papirossi im Plattenbau kamen nicht vor. Er fühlte sich plötzlich hundemüde. Nach kurzer Toilette legte er sich unter seinem Pult auf dem harten Betonboden schlafen. Jacke und Tasche dienten als Bettzeug.
Vanyas Stimme weckte ihn am frühen Morgen.
»Hat sich die Nacht wenigstens gelohnt?«, wollte er von Fisik wissen.
Sie stand wie aus dem Ei gepellt in frischen Kleidern vor ihrem Gemischtwarenladen, Lötpistole in der Hand.
»Ich kann mich nicht beklagen«, murmelte sie und beugte sich über ein Werkstück, das einem gewöhnlichen Netzwerkkabel von der Stange glich.
»Was bastelst du da?«
Sie versteifte sich, drehte sich langsam zu Vanya um, die Lötpistole gefährlich nah an seinem Auge.
»Ich bastle nicht«, zischte sie.
Vladimir fürchtete, sie würde zustechen und zuckte unwillkürlich zusammen.
»Ich löse Probleme«, fuhr sie weiter, »während du auf deinem Hausboot die Sau rauslässt. Du stinkst.«
Vanya grinste. Er verstand die Schelte als Bestätigung seiner rauen Männlichkeit.
»Die Nacht war wohl doch nicht so erfolgreich«, sagte er lachend und setzte sich an seinen Arbeitsplatz.
Vladimir fiel es schwer, sich auf den Programmcode zu konzentrieren. Immer wieder schweifte sein Blick verstohlen zu Fisik hinüber. Sie reagierte