Nur dämlich, lustlos und extrem?. Kurt Möller
Читать онлайн книгу.dem, was ich auf Veranstaltungen mitbekommen habe, sind das meistens Menschen von 16 bis 30, die meistens auch in der Musik aktiv sind oder in der alternativen Szene. Es sind fast ausschließlich Frauen und Transpersonen. Wenige Männer! Wenn, dann vereinzelt Transmänner. Ich glaube, das liegt daran, dass viele Beiträge von Personen sind, die nicht viel Relevanz haben im männlichen Umfeld. Ich habe dann versucht, mehr Beiträge von bekannteren Personen reinzubringen oder Personen, die für Männer mehr Relevanz haben. Das hat teilweise auch geklappt, dass dann mehr Männer dazukamen, aber viele tun sich immer noch schwer, das ernst zu nehmen.
Was sind das für Leute, die dir Beiträge schicken?
Es kommt auf die Ausgabe drauf an. Am Anfang waren es noch unterschiedliche Leute aus jeder Ecke. Mittlerweile sind da viel mehr musik- und kunstrelevante Themen drin, z. B. viele Graffiti-, Hip-Hop- und Punk-Sachen, das heißt, es sind dann auch Personen aus dieser Bubble.
Wie entscheidest du, welche Beiträge du veröffentlichst und welche nicht?
Ich habe selten Texte inhaltlich abgelehnt. Im Einzelfall gabs schon Texte, die so oberflächlich geschrieben waren, dass ich sie nicht mit gutem Gewissen teilen konnte. Ich sage dann nicht einfach, dass das nicht geht, sondern versuche, darüber mit den Personen zu reden. Ich erkläre dann auch, wo das Problem war, z. B. gab es Fälle, wo Wording benutzt wurde wie »biologische Frau« oder »Frau*«, die ich in meinem Sprachgebrauch nicht benutzen möchte. Ich lege denen dann ans Herz, das noch mal zu reflektieren.
Gerätst du dann manchmal in Konflikte mit den Leuten?
Seltener mit meiner Community, aber ich habe schon viele, viele, viele Hassnachrichten bekommen. Da kamen viele Meninists, viele Männerrechtsbewegungen und rechte Menschen, die mir geschrieben haben. Die schreiben mir dann klischeehafte Sachen wie: »Deine Zines zerstören die Geschlechterrollen!«, oder dass ich mich aufspielen würde, was ich alles kaputt machen würde. Teilweise kommen auch Drohnachrichten, aber die konnte ich schnell löschen, blockieren und dann auch schnell vergessen.
Ich habe schon viele, viele, viele Hassnachrichten bekommen.
»Deine Zines zerstören die Geschlechterrollen!«
Wie gehst du mit solchen Hassnachrichten um?
Am Anfang war das noch schlimmer für mich als heute, da war ich ja auch noch ein bisschen jünger. Jetzt mache ich das ja schon sechs Jahre. Ich habe mich daran gewöhnt, aber es ist auch besser geworden dadurch, dass meine Community größer geworden ist. Eigentlich ist es traurig, dass man sich so auf seine Bubble verlassen muss, aber es ist auch gut, dass sie mir den Rücken stärken.
Was hat dir geholfen, trotzdem weiterzumachen, besonders am Anfang?
Das war wirklich der Zuspruch. Ich habe sehr viele Erfolge erzielt. 2017 habe ich drei Workshops geleitet, wie man Zines macht. Da habe ich so viel Liebe bekommen und Zuspruch, dass das, was ich mache, gut und wichtig ist. Auch wenn es nur mein kleines Zine ist, mein kleines DIY-Projekt, ist es doch relevant und macht mir Spaß. Das hat mich immer weiter motiviert.
Denkst du, Queerfeminismus ist eher eine Sache, die besonders junge Menschen bewegt?
Ja, absolut. Die meisten Leute, die mitgemacht haben, waren jünger. Das waren Leute, die sich noch nicht sicher waren oder sich gerade noch so wie ich in einer Selbstfindungsphase befinden. Als ich noch in Stuttgart gewohnt habe, habe ich auch ganz viele Leute kennengelernt, die schon 40 plus waren und gesagt haben: »Hey, das ist voll cool, was du da machst!«, aber es waren nie Personen, die selbst mitgemacht, sondern das eher im Hintergrund unterstützt haben. Die, die mitgemacht haben, waren eher jüngere Leute, die einen Anker gesucht haben, um auch in diese Bubble reinzukommen. Femtrail hat auf jeden Fall eine schöne Community erzeugt.
Hast du auch mal in deinem Umfeld Widerspruch bekommen zu dem, was du machst?
Das eigentlich weniger. Meine Mutter ist selber schon immer feministisch aktiv gewesen, aber eher im gesellschaftlichen Bereich. Mit Queerfeminismus kann sie nicht viel anfangen, aber sie ist trotzdem mein größter Fan, auch wenn sie nicht so viel Ahnung hat. Sie hört mir zu, wenn ich erzähle. Sonst hatte ich sehr wenige Probleme, vielleicht vereinzelt im Freundeskreis. Das sind dann aber auch Personen, von denen ich mich schnell getrennt habe. Es gab eher Leute, die das Thema toll fanden und Teil davon sein wollten, aber gar nicht Interesse an einer Freundschaft hatten, sondern nur am Erfolg. Das hätte ich gar nicht gedacht. Die haben dann versucht, bei femtrail mitzumachen, und wenn ich sie mal nicht gelassen habe, haben die dann anderen Leuten hinter meinem Rücken erzählt: »Voll die blöde Kuh, was soll das?!«, wo ich mir dann gedacht habe: Rede doch da einfach mit mir drüber! Es ist halt mein Zine. Wenn man schon fünf Jahre lange dran arbeitet, ist es nicht einfach, Verantwortung abzugeben. In der Hinsicht gab es Probleme, aber nicht mit dem Thema.
Was hast du bisher mit dem Format des Zine erreichen können?
Ich habe in dem Sinne sehr viel erreicht, dass aus meinem Zine fünf andere Zines entstanden sind. Das ist echt schön. Es sind auch unterschiedliche Personen, es ist sogar ein Mann darunter, was mich sehr gefreut hat. Der ist wirklich auch nur Herausgeber und kommt nicht selbst die ganze Zeit zu Wort, sondern fragt in seinem Umfeld viele Frauen und Transpersonen. Ja, es sind wirklich viele schöne, kleine Zines entstanden, die dann auch geschrieben haben: »Dank dir und deinem Workshop habe ich den Mut gefasst, selber was zu machen!« Das ist auf jeden Fall mein größter Erfolg. Vielleicht außerdem noch, dass ich viele Personen getroffen habe, die ich interviewt und von denen ich Fotos gemacht habe. Die fanden es gut, dass ich denen die Chance geben konnte, mal ihre Meinung zu sagen.
Verfolgst du die anderen Zines?
Ja, mit einem anderen arbeite ich eng zusammen, und wir tauschen uns regelmäßig aus, wenn eine neue Ausgabe rauskommt. Ich wurde interviewt für eine Ausgabe von dem Zine, und da war es richtig schön zu sehen, wie meine Community auch zu ihr rübergewachsen ist, weil wir uns so austauschen können, und ein kleines Kollektiv aus unterschiedlichen Zines entstanden ist. Wir stehen immer in Kontakt und können Erfahrungen teilen.
Was macht Musik für dich politisch?
Eine meiner Lieblingsbands, Dregs aus Wien, haben eine behinderte Person in der Band und eine Sängerin, die auch viele Erfahrungen gemacht hat mit sexueller Gewalt. Diese Themen werden auch in den Texten verarbeitet und an das Publikum weitergegeben. Das finde ich unfassbar wichtig und toll, weil es auch so beim Publikum ankommt. Das wird dann nicht belächelt oder nicht ernst genommen, nur weil das jetzt ein Lied ist und kein sachlich ausformulierter Text. Musik ist eine ganz tolle Art, eine politische Message an Personen zu bringen.
Machst du auch selbst Musik?
Ich habe mir selber das Schlagzeugspielen beigebracht. Ende letzten Jahres habe ich angefangen, eine Band zu gründen, aber das hat gerade keine Priorität. Nebenher veranstalte ich noch Konzerte und daher bin ich in ständigem Kontakt mit Bands und Musiker*innen.
Gibts noch andere Formen, wie du deine politischen Werte vertrittst, außer im Blog und in den Zines?
Ja, ich habe angefangen zu filmen. Viele sagen: »Ich traue mich nicht, was zu schreiben und dir zu schicken, weil ich einfach eine fehlende Bildung habe, um die richtigen Worte zu finden.« Als ich solche Leute beobachtet und gemerkt habe, dass sie auf der Bühne oder beim Kunst machen total aufblühen, dass sie, ohne ein Wort zu sagen, trotzdem eine Kraft ausstrahlen, da ist mir die Idee gekommen, sie zu fragen, ob ich sie dabei filmen darf. Ich finde, das ist ein ganz schönes Medium, aber es ist auch schwierig, das alles zusammenzuschneiden und auch die technischen Mittel dafür zu haben. Ich habe eine schöne Sammlung auf meinem PC von Leuten, die ganz tolle Kunst machen. Ich hoffe, dass ich daraus mal was machen kann.
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