Nur dämlich, lustlos und extrem?. Kurt Möller
Читать онлайн книгу.politisch engagiert. Also ich war schon mal bei Fridays for Future dabei oder habe mitdemonstriert, aber nicht, dass ich in einem Bundesvorstand von ’ner Jugendparteigruppe oder so wäre. So dieses klassische Politische, da würde es mich jetzt noch nicht hinziehen, obwohl ich gerade dazu tendiere. Ich wollte eher bisher, dass ich meins im Klaren habe, dass ich nicht irgendwas predige, was ich aber gar nicht selbst bei mir finde: Dass ich erst selbst weniger Fleisch esse, weniger Plastik produziere oder mit dem Tierwohl selbst bei mir ’ne Lösung finde, wie ich damit klarkomme oder wie ich handle, bevor ich dann rausgehe und andere konfrontiere und denen was weitergeben kann.
Gerade hast du aber schon erwähnt, du bist so auf dem Weg dahin, dich politisch einzubringen. Das heißt, du hast für dich die Sachen geklärt und bist jetzt bereit für Weiteres?
Ja, ich bin vor ein paar Tagen Mitglied bei den Jungen Grünen geworden.
Das heißt, Gremienarbeit war das, was dir noch gefehlt hat, sodass du jetzt selbst sagen würdest, ich bin politisch engagiert?
Ja, ich wollte nicht zu Leuten gehen und dann so tun als ob. Ich bin vor ein paar Jahren vegetarisch geworden, kaufe vieles secondhand und gehe immer weitere Schritte, damit ich mich umwelttechnisch sehr positiv aufstellen kann. Ich hatte so das Gefühl, wenn ich in eine grüne Partei eintrete, dass ich nicht gerade ’ne Vorarbeit leisten muss, aber schon so was mitbringe.
Deutschland ist eben nicht nur eine Nationalität, sondern mehrere.
Hast du noch eine Idee, wie man Jugendliche stärker an Politik beteiligen kann?
Das Theater ist eine schöne Methode, Jugendliche an Politik ranzuführen. Sonst passiert heute halt sehr viel über die Medien. Man kann am meisten erreichen heutzutage über die Medien. Durch die Medien können Kinder und Jugendliche was mitnehmen. Das kann genutzt werden. Aber sonst würde ich das Theater eigentlich immer nehmen. Das war schon bei Schiller und Goethe so, dass das über das Theater lief.
Das Theater ist eine schöne Methode, Jugendliche an Politik ranzuführen.
Wenn du mal an die Zukunft denkst, was müsste nach deiner Ansicht auf jeden Fall passieren, dass es in der Welt besser und gerechter zugeht?
Die Lösung für den Klimawandel zu finden, wäre vielleicht ganz sinnvoll. Sonst: friedliche Lösungen finden zwischen vielen Ländern. Wahrscheinlich ist das sehr utopisch gedacht, aber man kanns ja wünschen. Auch wenn man den Klimawandel aufhalten könnte, könnte man viel verhindern, dass Menschen fliehen müssen. Dadurch, dass es eben nicht dazu kommt, dass irgendwelche kleinen Inseln im Amazonas oder Atlantik überschwemmt werden. Und mir liegt auch viel am Tierwohl. Also keine Massentierhaltung oder der ganze Sojaanbau, der für das Tierfutter gemacht wird, weswegen der Regenwald abgeholzt wird. Was ja eigentlich gar keinen Sinn macht.
Hoffentlich bin ich auch irgendwann mal vegan.
Das heißt, dass du vegetarisch bist, hat schon seinen politischen Hintergrund?
Ja, hoffentlich bin ich auch irgendwann mal vegan. Aber das mache ich wahrscheinlich erst, wenn ich bei meiner Mutter ausziehe, weil ich sie nicht belasten möchte, wenn sie dann alles Mögliche kochen muss.
»Wenn man stickert, kann man seiner Meinung einfach Ausdruck verleihen, ohne dass man was dazu sagen muss«
Laura (23)
Studentin, verteilt Sticker
Da haben wir »Refugees-Welcome«-Sticker verteilt, um öffentlich zu zeigen, dass es auch Stimmen für die Aufnahme von Geflüchteten gibt.
Laura, ich habe gehört, dass du stickerst. Wie kann ich mir das vorste1llen?
Ich habe eigentlich immer Sticker dabei, sodass ich beispielsweise irgendwelche rechten Sticker überkleben kann, wenn ich welche sehe. Aber ich habe auch schon Sticker-Aktionen mit Freunden gemacht. Beispielsweise sind wir nachts durch die Stadt gelaufen und haben da großflächig Sticker verteilt. Auch in dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, hab ich mit Freunden bzw. mit meiner Schwester Sticker verteilt. Vor allem in dem Zeitraum, als bei uns eine Unterkunft für Flüchtlinge eröffnet wurde. Da gab es Gegenwind, und daher haben wir »Refugees-Welcome«-Sticker verteilt, um öffentlich zu zeigen, dass es auch Stimmen für die Aufnahme von Geflüchteten gibt.
Wie bist du auf die Idee gekommen zu stickern? Wie hat das angefangen?
Auf einem Konzert oder Festival, auf dem ich mal war, lagen ganz viele Sticker rum und man konnte die einfach mitnehmen. Ich habe auch davor schon von meiner Lieblingsband mal T-Shirts gekauft und da lagen auch ein paar Sticker dabei, auch schöne Sticker von der Band. Da dachte ich, die behalte ich lieber mal, vielleicht kann ich die auf meinen Schrank kleben oder so. Ich habe angefangen, die zu sammeln, hauptsächlich, um Werbung für die Band zu machen. Da war ich so etwa 17.
Sind das nur Sticker, die irgendwo rumliegen, oder bekommst du deine Sticker noch von woanders her?
Nee, beispielsweise bei Demos kann man welche mitnehmen. Da schmeißt man in ein kleines Kässchen ein bisschen Geld rein, damit das Sticker-Drucken finanziert werden kann. Ansonsten gibt es auch Internetseiten, auf denen man Sticker bestellen kann. Da habe ich auch schon welche bestellt.
Kannst du mir Beispiele nennen, was konkret auf den Stickern draufsteht?
Als die Identitäre Bewegung in Stuttgart vor zwei Jahren relativ groß war, da gab es Demo-Sticker, wo draufstand: »Die Identitäre Bewegung zerschlagen«. Da war dann dieses IB-Zeichen mit so einer Faust versehen, die auf das Zeichen schlägt und es zerbricht. Daneben gibts beispielsweise von der Links-Jugend einen Sticker zum Thema Feminismus, wo eine Vulva drauf abgebildet ist mit dem Spruch »Viva la Vulva«. Das ist mein Lieblings-Sticker.
Was gefällt dir daran so gut?
Zum einen, weil der lila ist, diese Zeichnung der Vulva selbst und dann diese schwungvolle Schrift, in der das geschrieben ist. Der sieht einfach optisch schön aus, und dann dieses Stigma, was oft noch sehr mitschwingt, dieses Schambehaftete. Wenn man den so plakativ irgendwo hinklebt, kann man drauf aufmerksam machen, dass man auch ein bisschen zelebriert, was der weibliche Körper alles kann.
Hast du auch Klamotten oder Tattoos, auf denen politische Aufdrucke sind?
Ich habe ganz viele T-Shirts mit politischen Aufdrucken. Mein erstes politisches T-Shirt war ganz plakativ mit dem Motiv »FCK NZS«. Dann habe ich solche Aufnäher auf meiner Jacke drauf, und auch auf meinem Rucksack habe ich einen. Tattoos habe ich auch. Zum einen ein Band-Tattoo. Es ist ein Zitat von einer Band, aber eher bisschen unterschwellig, wo man drüber nachdenken muss. Es ist von der Band Heisskalt und heißt »Offene Arme – der gewaltigste Protest, den wir haben«. Das ist in der Innenseite meines Oberarms. Auch so ein bisschen bunt. Und dann hab ich noch ein Anarchie-Zeichen auf dem Rippenbogen tätowiert.
»Offene Arme – der gewaltigste Protest, den wir haben«.
Was ich damit ausdrücken möchte: eigentlich den Leuten das so ins Gesicht drücken sozusagen. Das ist ja wie mit den Stickern: Die sind relativ unauffällig, wenn die an irgendeinem Laternenpfosten kleben, aber es sind trotzdem Blickfänger, worüber man dann nachdenkt. Wenn ich durch irgendeine Stadt laufe und da Sticker sehe, dann weiß ich: Okay, es sind auch mehr linke Menschen hier oder eben viele Rechte oder so. Und: Man hat oft das Gefühl, dass man sich nicht so richtig traut, was zu sagen, gerade in ’nem Dorf, wenn da viele ältere Leute wohnen, die immer wieder solche Parolen raushauen. Wenn man dann immer mit solchen T-Shirts rumläuft, dann wird man gar nicht mehr so damit