Retourkutsche. Kendran Brooks

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Retourkutsche - Kendran Brooks


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NSA und Heimatschutzministerium fressen uns aus der Hand. Wenn überhaupt, dann käme nur die ATF in Frage.«

      »Die ATF?«

      »Alcohol, Tobacco and Firearms, die letzte US-Behörde, die uns ernsthaft bekämpft. Doch dieser Überfall trägt kaum ihre Handschrift. Sie dürften auch kaum über Spezialeinheiten verfügen, die im Ausland operieren.«

      »Und was ist mit der DEA?«

      »Gemäß meinen Freunden bei der CIA operiert die DEA derzeit überhaupt nicht hier in Mexiko.«

      »Vielleicht war es doch das Sinaloa-Kartell von Guzman?«

      »Nein, mein Schatz, dann hätte keiner meiner Leute überlebt. Aber wir haben die Kerle wenigstens auf Video aufgezeichnet. Vielleicht bringt uns die Auswertung der Aufnahmen mehr Klarheit. Ich fahr rüber zu Gonzales.«

      Damit erhob sich Carrillo von seiner Liege, winkte den Kindern im Pool freundlich lächelnd zu und verschwand im Haus. Denise Carrillo widmete sich wieder ihrer Cosmopolitan.

      *

      Acht Männer hatten sich im Hinterzimmer von Gonzales Alvarez versammelt. Alvarez betrieb einen Schlachthof mit angeschlossener Großmetzgerei, war Mitglied im Stadtparlament von Juárez und seit vielen Jahren ein enger Freund von Carrillo. Das Juárez-Kartell durfte seine Räumlichkeiten als Ausweichquartier benutzen, auch wenn Alvarez sonst nichts mit dem Drogenhandel zu tun hatte und davon auch in keiner Weise profitierte. Doch Carrillo und er waren als Nachbarkinder vor mehr als dreißig Jahren gute Freunde geworden, hatten auch gemeinsam die Schulbank gedrückt und große Pläne für ihre Zukunft geschmiedet.

      »Also, was habt ihr bislang herausgefunden?«, leitete Carrillo die Zusammenkunft seiner Führungskräfte ein.

      »Leider nicht viel mehr, Vicente«, meinte sein derzeitiger Stellvertreter, Armando Vasquez, »ich hab mir die Video-Aufnahmen zwar schon mehrere Male angeschaut, aber darin nichts wirklich Greifbares gefunden, das uns weiterbrächte.«

      »Und was hast du mit unseren Versagern gemacht, die sich so dämlich überrumpeln ließen?«

      »Ihre Leichen liegen längst in der Wüste. Man wird sie wohl morgen oder übermorgen finden. Wir haben ihnen auch die Köpfe abgeschlagen und diese an einem ganz anderen Ort vergraben, damit es nach Morden des Zetas-Kartells aussieht.«

      Carrillo nickte zufrieden.

      »Also gut. Dann lasst mich auch mal die Aufnahmen sehen.«

      Vasquez schaltete das Deckenlicht im bereits abgedunkelten Raum aus und startete den Beamer. An der Wand erschienen Bilder der schmalen Gasse zu ihrem ehemaligen Hauptquartier, darauf zwei betrunkene Mexikaner, die sich der Türe zum Hauptquartier des Juárez-Kartells schwankend näherten. Sie blieben stehen, dann zog einer seine Hose runter und pinkelte an die Mauer. Die Tür ging auf und zwei Wächter stürzten heraus, wurden durch den anderen Mexikaner mit Elektroschockern gestoppt, während der Pinkler bereits durch den Eingang ins Innere des Gebäudes stürzte. Wenig später kam dieser Mann wieder heraus und gemeinsam zogen die beiden Mexikaner die immer noch paralysierten Wachen ins Haus hinein und schlossen dann die Tür hinter sich.

      Vasquez spulte den Film vor, die Uhrzeit in der Ecke rechts oben lief rasch weiter und knapp vier Minuten später öffnete sich die Türe wieder und die drei Wächter wurden in die Gasse getrieben. Sie mussten sich hinsetzen, danach machten sich die beiden Mexikaner davon.

      »Das ist alles«, vermeldete Armando Vasquez.

      »Die beiden Männer trugen Stoffbeutel auf sich, als sie rauskamen. Was haben sie mir gestohlen?«

      »Wir sind noch dabei, es herauszufinden. Doch das Gebäude ist völlig ausgebrannt. Teilweise sind sogar die Decken eingestürzt. Den Tresor haben wir allerdings bereits gefunden und auch in Sicherheit gebracht. Er wurde nicht aufgebrochen, was auch kein Wunder ist, da die Eindringlinge ja bloß ein paar Minuten Zeit hatten. Welche Papiere gestohlen wurden, das versuchen wir mit Hilfe unserer Buchhalter derzeit herauszufinden. Auf den ersten Blick dürfte ihnen bloß unwichtiges Zeug in die Hände gefallen sein.«

      »Und nach was sieht dieser Überfall in euren Augen aus?«

      Carrillo blickte seine engsten Vertrauten der Reihe nach in die Gesichter. Doch die zuckten bloß mit ihren Schultern oder grinsten verlegen.

      »Wir haben keine Ahnung. Gegen ein anderes Kartell spricht, dass unsere Leute am Leben geblieben sind. Und von einer verdeckten Polizei- oder gar Armeeaktion hätten wir bestimmt schon im Vorfeld erfahren.«

      »Lasst mich die Aufnahme noch einmal sehen.«

      Vasquez spulte das Band zurück und ließ es wieder anlaufen.

      Als die beiden Wächter nach draußen stürmten, rief Carrillo plötzlich »Stopp!«.

      Das Bild blieb stehen, zeigte die Szene kurz vor dem Angriff mit den Schockpistolen.

      »Etwas zurückspulen ... noch etwas ... halt!«, kommandierte Carrillo, dann deutete er auf den pinkelnden Mann auf der rechten Seite des Bildes, »seht doch! Er ist ein Gringo!«

      Seine Männer starrten auf das Bild, konnten ihrem Boss jedoch nicht sogleich folgen.

      »Schaut euch doch nur seinen Schwanz an, ihr Idioten! Der ist doch viel zu hell für einen Mexikaner!«

      *

      Jules hatte den Flug nach Las Vegas genommen, wollte sich mit Toni Scapia persönlich treffen und die nächsten Schritte besprechen. Manuel Gonzales hatte sich anerboten, in Juárez einen Trupp aus zuverlässigen Männern auf die Beine zu stellen, die den spärlichen Hinweisen aus den gestohlenen Akten nachgehen konnten. Er würde dabei auf Leute aus Mexiko City zurückgreifen, denn hier an der Grenze zu den USA war die Gefahr einer Unterwanderung durch Spitzel der örtlichen Drogenmafia viel zu groß.

      Henry seinerseits wollte mit den vier Festplatten zuerst einmal nach London zurückkehren, um sie dort auswerten zu lassen. Danach plante er weiter nach Bogota in Kolumbien zu reisen, wo er einen vor vielen Jahren ausgewanderten Briten treffen wollte. Jason Meltings war als Journalist für die London Times tätig und würde ihn auf den neuesten Stand in Sachen Drogenanbau und Schmuggel bringen und ihm bestimmt auch sagen können, wie groß der Anteil der Rebellenorganisation FARC an diesem Geschäft war. Vielleicht konnte er ihm sogar Hinweise über Verbindungen zu US-Behörden geben.

      Toni und Jules trafen sich nicht in der Stadt, sondern am Hoover Staudamm, an der Grenze zu Arizona. Dutzende von Touristen schwirrten um sie herum, knipsten Fotos und staunten über das mächtige Bauwerk. Die beiden Männer standen etwas abseits vom Trubel, stützten ihre Unterarme auf das Geländer der Staumauer und betrachteten das Wasser tief unter sich. An den Felsrändern war ein breiter, heller Streifen zu sehen. Er zeigte auf, wie tief der Pegel des Stausees derzeit lag. Viel zu viel Wasser wurde dem einst so wilden Colorado viele hundert Meilen weiter stromauf zur Bewässerung von Plantagen entrissen. Der einst mächtige Fluss war längst gezähmt, versickerte zur Schande der USA sogar im Erdreich von Kalifornien, noch bevor er den Pazifik erreichen konnte. Was für ein überaus trauriges Ende für den Erschaffer des Naturwunders Grand Canyon.

      »Wie kommst du voran? Wo stehen wir?«

      Jules Frage enthielt keinerlei Tadel, eher Aufmunterung.

      »Leider nur schleppend. Der erste der drei ursprünglichen Zielpersonen könnte sich vielleicht für eine Erpressung eignen.«

      Jules Lederer verzog sein Gesicht, als wenn er Magenschmerzen verspüren würde.

      »Ganz schlecht«, war sein Kommentar zum halbherzig vorgetragenen Vorschlag von Toni Scapia.

      »Der zweite Kerl hat leider vor drei Tagen Selbstmord begangen.«

      »Dann fällt der wohl auch aus?«

      Der Schweizer versuchte, seiner Stimme einen belustigten Klang zu verleihen, was ihm nicht wirklich gelang.

      »Den dritten lasse ich nun Rund-um-die-Uhr von einer Detektei verfolgen. Er fliegt nämlich oft nach Los Angeles und San Francisco


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