Retourkutsche. Kendran Brooks
Читать онлайн книгу.dem Papier waren von Hand fünf Namen und daneben Beträge notiert.
»Bestechungsgelder?«
»Könnte durchaus stimmen. Wir werden die Liste erst einmal Manuel zeigen. Wer weiß, vielleicht kennt er einige der Leute?«
»Dann war unser Überfall ein Schlag ins Wasser?«
»Das werden wir erst wissen, wenn die Festplatten geknackt und ihre Inhalte analysiert sind. Bis dahin bleibt uns erst einmal wohl nur Manuel mit seinem Wissen und seinen Verbindungen.«
Sie verließen das Hotel zu Fuß, nahmen sich jedoch ein Taxi bis zum Grenzübergang Paso del Norte, gingen zu Fuß und als gewöhnliche Tagestouristen über die Brücke und suchten das Lokal von Manuel auf. Bei ihrem Eintreffen war das Café recht gut besetzt. Mexikanische Familien genossen Kuchen oder Eis, Limonade oder Kaffee, ließen den feierlichen Sonntagnachmittag gemütlich ausklingen. Henry und Jules setzten sich an einen Tisch nahe der Theke und wurden von Manuel erst einmal wie gewöhnliche Gäste mit Kaffee und Torte bewirtet.
Es dauerte über eine Stunde, bis endlich die letzten Einheimischen gegangen waren und sich die drei ungestört unterhalten konnten.
»Und? Hat’s funktioniert?«, die Stimme des ehemaligen Polizeipräfekten verriet neugierige Ungeduld.
Jules zog das Papier mit den fünf Namen und Beträgen aus der Jackeninnentasche und legte es ausgebreitet vor Manuel hin.
Der stierte auf das Blatt und pfiff dann leise durch die Zähne. Dann deutete er auf den ersten Namen, hinter dem ein Betrag von 5’000 Dollar stand.
»Emanuel Hernandoz ist der stellvertretende Bürgermeister von Juárez. Und das hier«, er deutete auf den zweiten Namen der Liste, Oswald della Padrosa, »ist der Polizeikommandant im dritten Revier. Bei den beiden nächsten bin ich mir nicht sicher, doch es könnten zwei Abgeordnete des Stadtrates sein. Doch ihre Namen sind recht häufig in und um Juárez. Dieser Fünfte hier jedoch, Rosaro Alamandera, der mit den siebzigtausend Dollar, den kenne ich nicht.«
»Und was sagt dir die Höhe der Beträge? Kannst du daraus irgendwelche Rückschlüsse ziehen?«, wollte Henry von ihm wissen.
»Fünftausend oder zehntausend Dollar könnte das Geld für kleinere Gefälligkeiten sein, zum Beispiel eine verratene Polizeirazzia in einem Bordell oder das Durchwinken einer mittelgroßen Menge an Drogen am Zoll.«
»Und siebzigtausend?«
»Der Auftragsmord an einem hohen Politiker?«, mutmaßte Manuel laut, »doch für siebzig Tausend Dollar kannst du hier in Mexiko auch über zwei Tonnen Marihuana kaufen.«
»Dann könnte dieser Rosaro Alamandera ein Drogenanbauer für das Juárez-Kartell sein?«
»Nein, nein. Der Einkaufspreis im Landesinneren beträgt keine sechstausend Dollar pro Tonne. Doch hier in Juárez, direkt an der Grenze, müsste man als amerikanischer Importeur bereits fünfunddreißig bezahlen, um es danach auf eigenes Risiko über die Grenze zu schaffen, wo es anschließend zum fünffachen Preis auf den Straßen verkauft wird.«
»Wofür könnte das S hinter der Zahl stehen?«
»S? Vielleicht für Soborno?«
Die drei blickten sich an.
»Das würde dann aber bedeuten...?«, begann Henry und Jules nahm ihm das Wort aus dem Mund, »... ja, genau das würde es bedeuten.«
*
Chufu hatte sich nach zwei Wochen gut eingelebt. Ricarda, die fast erwachsene Tochter der Ferreiras, brachte ihn zwar immer wieder ins Schwitzen, denn schon zweimal traf er sie splitternackt in seinem Bett an, als er abends auf sein Zimmer ging. Nicht etwa, dass Chufu ein Kostverächter gewesen wäre und das Mädchen war mehr als nur hübsch. Doch er wollte unter keinen Umständen einen Familienkrach verursachen. Denn ein kurzes Abenteuer mit der kessen Tochter konnte seine sofortige Rückkehr in die Schweiz erzwingen. Also zeigte er der Kleinen die kalte Schulter und schlief beide Male im Wohnzimmer auf dem Sofa. Ricarda rächte sich jedoch an ihm und beschuldigte ihn bei ihren Eltern, er sei ihr gegenüber zudringlich geworden. Doch Ana und Luís kannten ihr kleines Biest viel zu gut und glaubten den ehrlichen Beteuerungen des jungen Philippinen. So war mittlerweile auf dieser Front eine Art von Waffenstillstand eingetreten.
Mit Mei Ling verstand sich Chufu dagegen prächtig. Sein erster Eindruck hatte ihn nicht getäuscht. Sie war intelligent und ihm in Diskussionen auf jedem Gebiet ebenbürtig. Dazu besaß sie eine ganze Menge an Sarkasmus und Schalk. Was für eine explosive Mischung.
Bald einmal verbrachten die beiden den größten Teil ihrer Freizeit zusammen, besuchten den Zuckerhut und die Copacabana, wo Chufu zwar endlich die brasilianischen Schönheiten in ihren knappen Tangas und den aufregenden Kurven bewundern konnte, diese Mädchen aber gleichzeitig mit der geistreichen Chinesin verglich, die ihre üppige Körperform mit gut zehnmal so viel Stoff und mit einem altmodisch wirkenden Bikini zusammenhielt.
Chufu war ein sportlicher junger Mann, besaß einen durchtrainierten Waschbrettbauch und für einen Asiaten eine wohl ausgeprägte Arm- und Beinmuskulatur. Er war hochgewachsen, über eins achtzig und bewegte sich mit der natürlichen Kraft eines jungen Bullen. Mehr als eine der Schönheiten am Strand warf ihm lockende Blicke zu, worauf ihn Mei Ling jeweils spöttisch musterte und sichtlich auf seine Reaktion wartete. Ja, die Chinesin begann damit, ihn immer öfters zu necken und aufzuziehen.
»Wäre die nicht was für deine Lenden?«, begann sie gerne eine ihrer Attacken auf sein Selbstbewusstsein.
»Welche meinst du?«
»Na, die sehr Dunkelhäutige dort, die mit den drei rosa Schuhbändel, die sie statt einem Bikini trägt. Ich meine den Hungerhaken mit der mehr als reichlich gestopften Oberweite und den Fett-abgesaugten Oberschenkeln.«
Auch wenn Mei Ling die abwertende Beschreibung der jungen Frau recht selbstsicher vortrug und bestimmt auch so meinte, hörte Chufu doch auch einen fremden Beiklang aus ihrer Stimme heraus. Keine Frau der Welt bezeichnete sich selbst als schön und ihre eigenen Vergleiche mit anderen Frauen fielen meist zu ihren Ungunsten aus, vor allem an einem solchen Sandstrand, an dem sich die Schönen der Stadt in aller Pracht präsentierten und nach männlicher Beute Ausschau hielten.
Chufu drehte sich zu Mei Ling um und legte seine rechte Hand freundschaftlich auf ihren linken Oberschenkel.
»Äußere Schönheit ist nicht alles«, stellte er trocken fest und versuchte dabei, seiner Stimme Überlegenheit zu verleihen.
»Aber die männlichen Hormone kommen durch sie doch ganz schön in Wallung«, gab sie spitz zurück.
Chufu sah der Chinesin erst in die Augen, dann wanderte sein Blick an ihrem sinnlichen Mund vorbei auf ihren etwas zu kurz geratenen Hals, der zudem ausgesprochen fleischig wirkte. Sein Blick fiel auf ihren nicht allzu großen Busen, der vom Badeoberteil flach auf ihre Brust gedrückt wurde. Mei Ling besaß einen süßen Bauchnabel, wie Chufu schon bei ihrem ersten Strandbesuch festgestellt hatte. Er war klein, nicht allzu tief und sah irgendwie knuddelig aus, wie er sich eingestand.
Seine Hand ruhte immer noch auf dem von der Sonne heißen Schenkel der Studentin. Chufu bemerkte, dass sich ihre Bauchmuskeln unter seiner Berührung angespannt hatten und die Bauchdecke nun kurz erzitterten. Bei diesem Anblick überkam ihn auf einmal eine ungeheure sexuelle Erregung und er spürte, wie sich sein Glied augenblicklich unter seiner Badehose zu versteifen begann.
War das möglich?
Die Chinesin entsprach doch nicht seinem Bild einer Sexpartnerin. Sie war doch bloß eine Kollegin, eher noch ein guter Kumpel, geeignet zum Pferde stehlen und zum gemeinsamen Studium. Die pummelige Mei Ling mit den strammen Schenkeln und einem übermäßig breiten Becken konnte ihn doch unmöglich sexuell stimulieren?
Chufu wusste zwar, dass je älter Männer wurden, umso eher begehrten sie Frauen mit etwas dran, wie man im Volksmund sagte. Doch er war jung, noch keine zwanzig. Was wollte er mit einer alles andere als schlanken Chinesin ohne viel Busen und einem eher dicken Hintern? War das nicht wider die Natur?
Trotz