Zielobjekt Null . Джек Марс

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Zielobjekt Null  - Джек Марс


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hatte voll und ganz erwartet, dass der Imam vorbeikommen würde.

      Claudette stellte die Frage auf Arabisch. Die beiden Syrer runzelten die Stirn und sahen sich an, bevor sie antworteten.

      „Sie sagen, dass er heute Abend die Kranken besucht“, sagte Claudette zu Adrian auf Französisch. „Er betet für ihre Befreiung aus der physischen Welt.“

      Adrians Gedanken wanderten zu seiner Mutter, die wenige Tage vor ihrem Tod, mit offenen Augen auf dem Bett lag, ohne dass sie jedoch noch irgendetwas merkte. Sie war durch die Medikamente kaum mehr bei Bewusstsein gewesen; ohne sie hätte sie unter ständigem Schmerz gelitten, aber mit ihnen war sie praktisch komatös. In den Wochen vor ihrem Ableben hatte sie kein Konzept mehr von der Welt um sich herum. Er hatte oft für ihre Genesung gebetet und dort an ihrem Bett gesessen, doch als sie sich dem Ende näherte, veränderten sich seine Gebete und er wünschte ihr nur noch einen schnellen und schmerzfreien Tod.

      „Was wird er damit tun?“, fragte Adrian. „Mit der Probe.“

      „Er wird sicherstellen, dass deine Mutation funktioniert“, sagte Claudette einfach. „Das weißt du doch.“

      „Ja, aber …“, Adrian hielt inne. Er wusste, dass es nicht seine Aufgabe war, die Absicht des Imams in Frage zu stellen, aber plötzlich hatte er einen starken Drang, es zu wissen. „Wird er es privat testen? Irgendwo außerhalb? Es ist wichtig, unsere Karten nicht zu früh zu spielen. Der Rest der Proben ist noch nicht fertig …“

      Claudette sagte schnell etwas zu den syrischen Männern, dann nahm sie Adrian an der Hand und führte ihn in die Küche. „Mein Schatz“, sagte sie leise, „hast du etwa Zweifel? Sag es mir.“

      Adrian seufzte. „Ja“, gab er zu. „Dies ist nur eine sehr winzige Probe, nicht ganz so beständig, wie es die anderen sein werden. Was, wenn es nicht funktioniert?“

      „Das wird es.“ Claudette schlang ihre Arme um ihn. „Ich habe vollstes Vertrauen in dich und Imam Khalil auch. Dir wurde diese Gelegenheit aus gutem Grund geschenkt. Du bist gesegnet, Adrian.“

      Du bist gesegnet. Das waren die gleichen Worte, die Imam Khalil benutzt hatte, als sie sich trafen. Vor drei Monaten hatte Claudette Adrian auf eine Reise mit nach Griechenland genommen. Khalil, wie so viele andere Syrer, war ein Flüchtling – allerdings weder ein politischer, noch ein Nebenprodukt der vom Krieg zerrissenen Nation. Er war ein religiöser Flüchtling, der von den Sunniten und Schiiten wegen seiner idealistischen Vorstellungen vertrieben worden war. Khalils Spiritualität war ein Zusammenschluss islamischer Grundsätze und der esoterisch-philosophischen Einflüsse von Druze, wie beispielsweise Wahrhaftigkeit und Seelenwanderung.

      Adrian hatte den Heiligen in einem Hotel in Athen getroffen. Imam Khalil war ein freundlicher Mann mit einem angenehmen Lächeln. Er trug einen braunen Anzug, hatte dunkles, gekämmtes und ordentliches Haar und einen Bart. Der junge Franzose war überrascht gewesen, als ihn der Imam bei ihrem ersten Treffen bat, mit ihm zu beten. Zusammen saßen sie auf einem Teppich nach Mekka ausgerichtet und beteten stillschweigend. In der Luft um den Imam herum hing eine Stille, wie eine Aura, eine Behaglichkeit, die Adrian nicht mehr gespürt hatte, seit er als kleiner Junge in den Armen seiner damals noch gesunden Mutter gelegen hatte.

      Nach dem Gebet rauchten die beiden Männer eine Shisha und tranken Tee, während Khalil von seiner Weltanschauung sprach. Sie unterhielten sich darüber, wie wichtig es war, sich selbst treu zu bleiben; Khalil glaubte, dass der einzige Weg für die Menschheit, sich ihrer Sünden freizusprechen, die absolute Wahrhaftigkeit sei, die es der Seele erlaubte, als reines Wesen wiedergeboren zu werden. Er stellte Adrian viele Fragen über die Wissenschaft und über Spiritualität. Er fragte nach Adrians Mutter und versprach ihm, dass sie irgendwo auf diesem Planeten wiedergeboren worden sei, rein, wunderschön und gesund. Der junge Franzose fand großen Trost darin.

      Khalil sprach dann von Imam Mahdi, dem Erlöser und dem letzten Imam, einem Heiligen. Mahdi würde derjenige sein, der den Tag des letzten Gerichts herbeiführen und die Welt von allem Bösen befreien würde. Khalil glaubte, dass dies sehr bald geschehen würde und nach der Erlösung Mahdis würde Utopie folgen; jedes Wesen im Universum wäre dann fehlerfrei, aufrichtig und makellos.

      Die beiden Männer hatten für mehrere Stunden bis weit in die Nacht hinein beisammengesessen und als Adrians Kopf so nebelig war, wie die dicke, rauchige Luft, die sie umgab, stellte er schließlich die Frage, die ihn beschäftigte.

      „Bist du es, Khalil?“, fragte er den Heiligen. „Bist du Mahdi?“

      Imam Khalil hatte deshalb breit gelächelt. Er nahm Adrians Hand und sagte sanft: „Nein, mein Junge. Du bist es. Du bist gesegnet. Ich kann es so klar und deutlich wie dein Gesicht vor mir sehen.“

      Ich bin gesegnet. In der Küche ihrer Wohnung in Marseille drückte Adrian seine Lippen auf Claudettes Stirn. Sie hatte recht; sie hatten Khalil ein Versprechen gegeben und mussten es halten. Er nahm die stählerne Box für biologische Gefahrenstoffe von der Arbeitsplatte und trug sie zu den wartenden Arabern. Er öffnete den Deckel und hob die obere Hälfte des Schaumstoffwürfels, um ihnen das winzig kleine, luftdicht verschlossene Glasröhrchen zu zeigen.

      Das Röhrchen schien leer zu sein – was eine der Eigenschaften der Substanz darstellte, die eine der giftigsten auf der Welt war.

      „Liebling“, sagte Adrian, als er den Schaumstoff wieder zurücklegte und den Deckel fest verschloss. „Ich möchte, dass du ihnen sagst, dass sie dieses Glasröhrchen unter keinen Umständen anfassen sollten. Es muss mit äußerster Vorsicht behandelt werden.“

      Claudette gab die Nachricht auf Arabisch wieder. Auf einmal schien der syrische Mann, der die Box in den Händen hielt, sich deutlich unwohler zu fühlen als noch einen Moment zuvor. Der andere Mann nickte Adrian dankend zu und murmelte dann einen Satz auf Arabisch, den Adrian verstand – „Allah ist mit dir, Friede sei mit dir“ – und ohne ein weiteres Wort, verließen die zwei Männer die Wohnung.

      Sobald sie gegangen waren, verriegelte Claudette die Tür, zog die Kette zurück ins Schloss und drehte sich dann mit einem verträumten und befriedigten Ausdruck zu ihrem Liebhaber um.

      Adrian stand jedoch mit einem mürrischen Gesichtsausdruck wie angewurzelt da.

      „Liebling?“, sagte sie vorsichtig.

      „Was habe ich gerade getan?“, murmelte er. Er kannte die Antwort bereits; er hatte einen tödlichen Virus anstatt an Imam Khalil in die Hände zweier Fremder gegeben. „Was, wenn sie ihn nicht abliefern? Was, wenn sie ihn fallenlassen, oder öffnen, oder – “

      „Mein Liebster“, Claudette legte einen Arm um seine Taille und legte ihren Kopf auf seine Brust. „Sie sind Anhänger des Imams. Sie werden vorsichtig damit sein und ihn dahinbringen, wo er hinmuss. Hab Vertrauen. Du hast den ersten Schritt getan, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Du bist der Mahdi. Vergiss das nicht.“

      „Ja“, sagte er sanft. „Natürlich. Du hast recht, wie immer. Und ich muss es zu Ende bringen.“ Wenn seine Mutation nicht so funktionieren würde, wie sie es sollte, oder wenn er nicht die komplette Menge produzierte, dann hatte er keinen Zweifel daran, dass er nicht nur von Khalil als Versager gesehen würde, sondern auch von Claudette. Ohne sie würde er zerbrechen. Er brauchte sie, wie die Luft zum Atmen, wie Nahrung und Sonnenlicht.

      Und trotzdem konnte er nicht anders, als sich zu wundern, was sie wohl mit der Probe vorhatten – ob Imam Khalil sie privat an einem abgelegenen Ort oder doch öffentlich testen würde.

      Aber er würde es noch früh genug herausfinden.

      KAPITEL SECHS

      „Dad, du musst mich nicht jedes Mal zur Tür bringen“, sagte Maya, als sie den Dahlgren Platz in Richtung Healy Halle auf dem Georgetown Campus überquerten.

      „Ich weiß, dass ich es nicht muss“, sagte Reid. „Aber ich möchte es. Wieso, schämst du dich etwa, mit deinem Vater gesehen zu werden?“

      „Das ist es nicht“, murmelte Maya. Die Fahrt hierher war ruhig gewesen, Maya hatte nachdenklich aus dem Fenster gestarrt, während Reid versuchte, etwas zu finden, worüber sie reden könnten, was ihm allerdings nicht gelang.

      Maya


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