Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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Durch die ge­samm­te Na­tur läßt sich die­ser Streit ver­fol­gen, ja, sie be­steht eben wie­der nur durch ihn.« Die fol­gen­den Sei­ten ge­ben die merk­wür­digs­ten Il­lus­tra­tio­nen die­ses Strei­tes: nur daß der Grund­ton die­ser Schil­de­run­gen im­mer ein and­rer bleibt als bei Hera­klit, so­fern der Kampf für Scho­pen­hau­er ein Be­weis von der Selbst-Ent­zwei­ung des Wil­lens zum Le­ben, ein An-sich-sel­ber-Zeh­ren die­ses fin­stren dump­fen Trie­bes ist, als ein durch­weg ent­setz­li­ches, kei­nes­wegs be­glücken­des Phä­no­men. Der Tum­mel­platz und der Ge­gen­stand die­ses Kamp­fes ist die Ma­te­rie, wel­che die Na­tur­kräf­te wech­sel­sei­tig ein­an­der zu ent­rei­ßen su­chen, wie auch Raum und Zeit, de­ren Ve­rei­ni­gung durch die Cau­sa­li­tät eben die Ma­te­rie ist.

      6.

      Wäh­rend die Ima­gi­na­ti­on Hera­klit’s das rast­los be­weg­te Wel­tall, die »Wirk­lich­keit«, mit dem Auge des be­glück­ten Zuschau­ers maß, der zahl­lo­se Paa­re, im freu­di­gen Kampf­spie­le, un­ter der Ob­hut stren­ger Kampf­rich­ter rin­gen sieht, über­kam ihn eine noch hö­he­re Ah­nung; er konn­te die rin­gen­den Paa­re und die Rich­ter nicht mehr ge­trennt von ein­an­der be­trach­ten, die Rich­ter selbst schie­nen zu kämp­fen, die Kämp­fer selbst schie­nen sich zu rich­ten – ja, da er im Grun­de nur die ewig wal­ten­de eine Ge­rech­tig­keit wahr­nahm, so wag­te er aus­zu­ru­fen: »Der Streit des Vie­len selbst ist die rei­ne Ge­rech­tig­keit! Und über­haupt: das Eine ist das Vie­le. Denn was sind alle jene Qua­li­tä­ten dem We­sen nach? Sind sie un­s­terb­li­che Göt­ter? Sind sie ge­trenn­te, von An­fang und ohne Ende für sich wir­ken­de We­sen? Und wenn die Welt, die wir se­hen, nur Wer­den und Ver­gehn, aber kein Be­har­ren kennt, soll­ten viel­leicht gar jene Qua­li­tä­ten eine an­ders ge­ar­te­te me­ta­phy­si­sche Welt con­sti­tu­i­ren, zwar kei­ne Welt der Ein­heit, wie sie Ana­xi­man­der hin­ter dem flat­tern­den Schlei­er der Viel­heit such­te, aber eine Welt ewi­ger und we­sen­haf­ter Viel­hei­ten?« – Ist Hera­klit, auf ei­nem Um­we­ge, viel­leicht doch wie­der in die dop­pel­te Wel­t­ord­nung, so hef­tig er sie ver­nein­te, hin­ein­ge­rat­hen, mit ei­nem Olymp zahl­rei­cher un­s­terb­li­cher Göt­ter und Dä­mo­nen – näm­lich vie­ler Rea­li­tä­ten – und mit ei­ner Men­schen­welt, die nur das Staub­ge­wölk des olym­pi­schen Kamp­fes und das Auf­glän­zen gött­li­cher Spee­re – das heißt nur ein Wer­den – sieht? Ana­xi­man­der hat­te sich ge­ra­de vor den be­stimm­ten Qua­li­tä­ten in den Schooß des me­ta­phy­si­schen »Un­be­stimm­ten« ge­flüch­tet; weil die­se wur­den und ver­gien­gen, hat­te er ih­nen das wah­re und lern­haf­te Da­sein ab­ge­spro­chen; soll­te es jetzt aber nicht schei­nen, als ob das Wei­den nur das Sicht­bar­wer­den ei­nes Kamp­fes ewi­ger Qua­li­tä­ten ist? Soll­te es nicht auf die ei­gent­hüm­li­che Schwä­che der mensch­li­chen Er­kennt­niß zu­rück­gehn, wenn wir vom Wer­den re­den – wäh­rend es im We­sen der Din­ge viel­leicht gar kein Wer­den giebt, son­dern nur ein Ne­ben­ein­an­der vie­ler wah­rer un­ge­w­ord­ner un­zer­stör­ba­rer Rea­li­tä­ten?

      Dies sind un­he­ra­kli­ti­sche Aus­we­ge und Irr­pfa­de: er ruft noch ein­mal: »Das Eine ist das Vie­le.« Die vie­len wahr­nehm­ba­ren Qua­li­tä­ten sind we­der ewi­ge We­sen­hei­ten, noch Phan­tas­ma­ta uns­rer Sin­ne (als jene denkt sie sich spä­ter Ana­xa­go­ras, als die­se Par­me­ni­des), sie sind we­der star­res selbst­herr­li­ches Sein, noch flüch­ti­ger in Men­schen­köp­fen wan­deln­der Schein. Die drit­te, für Hera­klit al­lein zu­rück­blei­ben­de Mög­lich­keit wird Nie­mand mit dia­lek­ti­schem Spür­sinn und gleich­sam rech­nend er­rat­hen kön­nen: denn was er hier er­fand, ist eine Sel­ten­heit, selbst im Be­rei­che mys­ti­scher Un­glaub­lich­kei­ten und un­er­war­te­ter kos­mi­scher Me­ta­phern. – Die Welt ist das Spiel des Zeus, oder phy­si­ka­li­scher aus­ge­drückt, des Feu­ers mit sich selbst, das Eine ist nur in die­sem Sin­ne zu­gleich das Vie­le. –

      Um zu­nächst die Ein­füh­rung des Feu­ers als ei­ner welt­bil­den­den Kraft zu er­läu­tern, er­in­ne­re ich dar­an, in wel­cher Wei­se Ana­xi­man­der die Theo­rie vom Was­ser als dem Ur­sprung der Din­ge wei­ter­ge­bil­det hat­te. Im We­sent­li­chen dar­in Tha­les Ver­trau­en schen­kend und sei­ne Beo­b­ach­tun­gen stär­kend und ver­meh­rend, war Ana­xi­man­der doch nicht zu über­zeu­gen, daß es vor dem Was­ser und gleich­sam hin­ter dem Was­ser kei­ne wei­te­re Qua­li­täts­stu­fe gäbe: son­dern aus Warm und Kalt schi­en ihm das Feuch­te selbst sich zu bil­den, und Warm und Kalt soll­ten da­her die Vor­stu­fen des Was­sers, die noch ur­sprüng­li­che­ren Qua­li­tä­ten sein. Mit ih­rer Aus­schei­dung aus dem Ur­sein des »Un­be­stimm­ten« be­ginnt das Wer­den. Hera­klit, der als Phy­si­ker sich der Be­deu­tung Ana­xi­man­der’s un­ter­ord­ne­te, deu­tet sich die­ses ana­xi­man­dri­sche War­me um als den Hauch, den war­men Athem, die trock­nen Düns­te, kurz als das Feu­ri­ge: von die­sem Feu­er sagt er nun Das­sel­be aus, was Tha­les und Ana­xi­man­der vom Was­ser aus­ge­sagt hat­ten, es durch­lau­fe in zahl­lo­sen Ver­wand­lun­gen die Bahn des Wer­dens, vor Al­lem in den drei Haupt­zu­stän­den, als War­mes, Feuch­tes, Fes­tes. Denn das Was­ser geht theils im Nie­der­stei­gen zur Erde, im Auf­stei­gen zum Feu­er über: oder wie sich Hera­klit ge­nau­er aus­ge­drückt zu ha­ben scheint: aus dem Mee­re stei­gen nur die rei­nen Düns­te auf, wel­che dem himm­li­schen Feu­er der Gestir­ne zur Nah­rung die­nen, aus der Erde nur die dunklen, ne­be­li­gen, aus de­nen das Feuch­te sei­ne Nah­rung zieht. Die rei­nen Düns­te sind der Über­gang des Mee­res zum Feu­er, die un­rei­nen der Über­gang der Erde zum Was­ser. So lau­fen fort­wäh­rend die bei­den Ver­wand­lungs­bah­nen des Feu­ers, auf­wärts und ab­wärts, hin und zu­rück, ne­ben­ein­an­der her, vom Feu­er zum Was­ser, von da zur Erde, von der Erde wie­der zu­rück zum Was­ser, vom Was­ser zum Feu­er. Wäh­rend Hera­klit in den wich­tigs­ten die­ser Vor­stel­lun­gen, zum Bei­spiel dar­in, daß das Feu­er durch die Aus­düns­tun­gen un­ter­hal­ten wird, oder dar­in, daß aus dem Was­ser theils Erde, theils Feu­er sich ab­son­dert, An­hän­ger des Ana­xi­man­der ist, so ist er dar­in selb­stän­dig und im Wi­der­spruch mit Je­nem, daß er das Kal­te aus dem phy­si­ka­li­schen Pro­ceß aus­schließt, wäh­rend Ana­xi­man­der es als gleich­be­rech­tigt ne­ben das War­me ge­stellt hat­te, um aus bei­den das Feuch­te ent­ste­hen zu las­sen. Dies zu thun war frei­lich für Hera­klit eine No­thwen­dig­keit: denn wenn Al­les Feu­er sein soll, so kann, bei al­len Mög­lich­kei­ten sei­ner Um­wand­lung, es doch Nichts ge­ben, was sein ab­so­lu­ter Ge­gen­satz wäre; er wird also Das, was man das Kal­te nennt, nur als Grad des War­men ge­deu­tet ha­ben und konn­te die­se Deu­tung ohne Schwie­rig­kei­ten recht­fer­ti­gen. Viel wich­ti­ger aber als die­se Ab­wei­chung von der Leh­re Ana­xi­man­der’s ist eine wei­te­re Über­ein­stim­mung: er glaubt wie Je­ner an einen pe­ri­odisch sich wie­der­ho­len­den Welt­un­ter­gang und an ein im­mer er­neu­tes Her­vor­stei­gen ei­ner an­dern Welt aus dem Al­les ver­nich­ten­den Welt­bran­de. Die Pe­ri­ode, in der die Welt je­nem Welt­bran­de und der Auf­lö­sung in das rei­ne Feu­er ent­ge­ge­neilt, wird von ihm höchst auf­fal­len­der Wei­se als ein Be­geh­ren und Be­dür­fen cha­rak­te­ri­sirt, das vol­le Ver­schlun­gen­sein im Feu­er als die Satt­heit; und es bleibt uns die Fra­ge üb­rig, wie er den neu­en er­wa­chen­den Trieb der Welt­bil­dung, das Sich-Aus­gie­ßen in die For­men der Viel­heit, ver­stan­den und be­nannt hat. Das grie­chi­sche Sprüchwort scheint uns mit dem Ge­dan­ken zu Hül­fe zu kom­men, daß »Satt­heit den Fre­vel (die Hy­bris) ge­biert«;


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