Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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      Der Wahrsager

      »- und ich sahe eine gros­se Trau­rig­keit über die Men­schen kom­men. Die Bes­ten wur­den ih­rer Wer­ke müde.

      Eine Leh­re er­gieng, ein Glau­ben lief ne­ben ihr: »Al­les ist leer, Al­les ist gleich, Al­les war!«

      Und von al­len Hü­geln klang es wie­der: »Al­les ist leer, Al­les ist gleich, Al­les war!«

      Wohl ha­ben wir ge­ern­tet: aber warum wur­den alle Früch­te uns faul und braun? Was fiel vom bö­sen Mon­de bei der letz­ten Nacht her­nie­der?

      Um­sonst war alle Ar­beit, Gift ist un­ser Wein ge­wor­den, bö­ser Blick seng­te uns­re Fel­der und Her­zen gelb.

      Tro­cken wur­den wir Alle; und fällt Feu­er auf uns, so stäu­ben wir der Asche gleich: – ja das Feu­er sel­ber mach­ten wir müde.

      Alle Brun­nen ver­sieg­ten uns, auch das Meer wich zu­rück. Al­ler Grund will reis­sen, aber die Tie­fe will nicht schlin­gen!

      »Ach, wo ist noch ein Meer, in dem man er­trin­ken könn­te«: so klingt uns­re Kla­ge – hin­weg über fla­che Sümp­fe.

      Wahr­lich, zum Ster­ben wur­den wir schon zu müde; nun wa­chen wir noch und le­ben fort – in Grab­kam­mern!« –

      Also hör­te Za­ra­thustra einen Wahr­sa­ger re­den; und sei­ne Weis­sa­gung gieng ihm zu Her­zen und ver­wan­del­te ihn. Trau­rig gieng er um­her und müde; und er wur­de De­nen gleich, von wel­chen der Wahr­sa­ger ge­re­det hat­te.

      Wahr­lich, so sag­te er zu sei­nen Jün­gern, es ist um ein Klei­nes, so kommt die­se lan­ge Däm­me­rung. Ach, wie soll ich mein Licht hin­über ret­ten!

      Dass es mir nicht er­sti­cke in die­ser Trau­rig­keit! Fer­ne­ren Wel­ten soll es ja Licht sein und noch ferns­ten Näch­ten!

      Der­ge­stalt im Her­zen be­küm­mert gieng Za­ra­thustra um­her; und drei Tage lang nahm er nicht Trank und Spei­se zu sich, hat­te kei­ne Ruhe und ver­lor die Rede. End­lich ge­sch­ah es, dass er in einen tie­fen Schlaf ver­fiel. Sei­ne jün­ger aber sas­sen um ihn in lan­gen Nacht­wa­chen und war­te­ten mit Sor­ge, ob er wach wer­de und wie­der rede und ge­ne­sen sei von sei­ner Trüb­sal.

      Diess aber ist die Rede, wel­che Za­ra­thustra sprach, als er auf­wach­te; sei­ne Stim­me aber kam zu sei­nen Jün­gern wie aus wei­ter Fer­ne.

      Hört mir doch den Traum, den ich träum­te, ihr Freun­de, und helft mir sei­nen Sinn rat­hen!

      Ein Räth­sel ist er mir noch, die­ser Traum; sein Sinn ist ver­bor­gen in ihm und ein­ge­fan­gen und fliegt noch nicht über ihn hin mit frei­en Flü­geln.

      Al­lem Le­ben hat­te ich ab­ge­sagt, so träum­te mir. Zum Nacht- und Gr­ab­wäch­ter war ich wor­den, dort auf der ein­sa­men Berg-Burg des To­des.

      Dro­ben hü­te­te ich sei­ne Sär­ge: voll stan­den die dump­fen Ge­wöl­be von sol­chen Sie­ges­zei­chen. Aus glä­ser­nen Sär­gen blick­te mich über­wun­de­nes Le­ben an.

      Den Ge­ruch ver­staub­ter Ewig­kei­ten ath­me­te ich: schwül und ver­staubt lag mei­ne See­le. Und wer hät­te dort auch sei­ne See­le lüf­ten kön­nen!

      Hel­le der Mit­ter­nacht war im­mer um mich, Ein­sam­keit kau­er­te ne­ben ihr; und, zu­dritt, rö­cheln­de To­des­s­til­le, die schlimms­te mei­ner Freun­din­nen.

      Schlüs­sel führ­te ich, die ros­tigs­ten al­ler Schlüs­sel; und ich ver­stand es, da­mit das knar­rends­te al­ler Tho­re zu öff­nen.

      Ei­nem bit­ter­bö­sen Ge­kräch­ze gleich lief der Ton durch die lan­gen Gän­ge, wenn sich des Tho­res Flü­gel ho­ben: un­hold schrie die­ser Vo­gel, un­gern woll­te er ge­weckt sein.

      Aber furcht­ba­rer noch und herz­zu­schnü­ren­der war es, wenn es wie­der schwieg und rings stil­le ward, und ich al­lein sass in die­sem tücki­schen Schwei­gen.

      So gieng mir und schlich die Zeit, wenn Zeit es noch gab: was weiss ich da­von! Aber end­lich ge­sch­ah das, was mich weck­te.

      Drei­mal schlu­gen Schlä­ge an’s Thor, gleich Don­nern, es hall­ten und heul­ten die Ge­wöl­be drei­mal wie­der: da gieng ich zum Tho­re.

      Alpa! rief ich, wer trägt sei­ne Asche zu Ber­ge? Alpa! Alpa! Wer trägt sei­ne Asche zu Ber­ge?

      Und ich drück­te den Schlüs­sel und hob am Tho­re und müh­te mich. Aber noch kei­nen Fin­ger­breit stand es of­fen:

      Da riss ein brau­sen­der Wind sei­ne Flü­gel aus­ein­an­der: pfei­fend, schril­lend und schnei­dend warf er mir einen schwar­zen Sarg zu:

      Und im Brau­sen und Pfei­fen und Schril­len zer­barst der Sarg und spie tau­send­fäl­ti­ges Ge­läch­ter aus.

      Und aus tau­send Frat­zen von Kin­dern, En­geln, Eu­len, Nar­ren und kin­der­gros­sen Schmet­ter­lin­gen lach­te und höhn­te und braus­te es wi­der mich.

      Gräss­lich er­schrak ich darob: es warf mich nie­der. Und ich schrie vor Grau­sen, wie nie ich schrie.

      Aber der eig­ne Schrei weck­te mich auf: – und ich kam zu mir. –

      Also er­zähl­te Za­ra­thustra sei­nen Traum und schwieg dann: denn er wuss­te noch nicht die Deu­tung sei­nes Trau­mes. Aber der jün­ger, den er am meis­ten lieb hat­te, er­hob sich schnell, fass­te die Hand Za­ra­thustra’s und sprach:

      »Dein Le­ben sel­ber deu­tet uns die­sen Traum, oh Za­ra­thustra!

      Bist du nicht sel­ber der Wind mit schril­lem Pfei­fen, der den Bur­gen des To­des die Tho­re auf­rei­sst?

      Bist du nicht sel­ber der Sarg voll bun­ter Bos­hei­ten und En­gels­frat­zen des Le­bens?

      Wahr­lich, gleich tau­send­fäl­ti­gem Kinds­ge­läch­ter kommt Za­ra­thustra in alle Tod­ten­kam­mern, la­chend über die­se Nacht- und Gr­ab­wäch­ter, und wer sonst mit düs­tern Schlüs­seln ras­selt.

      Schre­cken und um­wer­fen wirst du sie mit dei­nem Ge­läch­ter; Ohn­macht und Wach­wer­den wird dei­ne Macht über sie be­wei­sen.

      Und auch, wenn die lan­ge Däm­me­rung kommt und die To­des­mü­dig­keit, wirst du an un­serm Him­mel, nicht un­ter­gehn, du Für­spre­cher des Le­bens!

      Neue Ster­ne lies­sest du uns se­hen und neue Nacht­herr­lich­kei­ten; wahr­lich, das La­chen sel­ber spann­test du wie ein bun­tes Ge­zelt über uns.

      Nun wird im­mer Kin­des-La­chen aus Sär­gen quel­len; nun wird im­mer sieg­reich ein star­ker Wind kom­men al­ler To­des­mü­dig­keit: des­sen bist du uns sel­ber Bür­ge und Wahr­sa­ger!

      Wahr­lich, sie sel­ber träum­test du, dei­ne Fein­de: das war dein schwers­ter Traum!

      Aber wie du von ih­nen auf­wach­test und zu dir kamst, also sol­len sie sel­ber von sich auf­wa­chen – und zu dir kom­men!« –

      So sprach der jün­ger; und alle An­de­ren dräng­ten sich nun um Za­ra­thustra und er­grif­fen ihn bei den Hän­den und woll­ten ihn be­re­den, dass er vom Bet­te und von der Trau­rig­keit las­se und zu ih­nen zu­rück­keh­re. Za­ra­thustra aber sass auf­ge­rich­tet auf sei­nem La­ger, und mit frem­dem Bli­cke. Gleich­wie Ei­ner, der aus lan­ger Frem­de heim­kehrt, sah er auf sei­ne Jün­ger und prüf­te ihre Ge­sich­ter; und noch er­kann­te er sie nicht. Als sie aber ihn ho­ben


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