Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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mit die­sem Vor­wurf auch ge­gen die pla­to­ni­sche Auf­fas­sung die­ser Stel­lung leh­ren: denn in ihr ist das Vor­han­de­ne gleich­sam nur lo­gisch prä­ci­sirt. Hier wie­der­holt sich also uns­re Fra­ge: soll­te nicht das We­sen und die Stel­lung des hel­le­ni­schen Wei­bes einen nothwen­di­gen Be­zug zu den Ziel­punk­ten des hel­le­ni­schen Wil­lens ha­ben?

      Frei­lich giebt es eine Sei­te in der pla­to­ni­schen Auf­fas­sung des Wei­bes, die in schrof­fem Ge­gen­sat­ze zur hel­le­ni­schen Sit­te stand: Pla­to giebt dem Wei­be völ­li­ge Theil­nah­me an den Rech­ten, Kennt­nis­sen und Pf­lich­ten der Män­ner und be­trach­tet das Weib nur als das schwä­che­re Ge­schlecht, das es in Al­lem nicht ge­ra­de weit brin­gen wer­de: ohne ihm doch des­halb das An­recht auf je­nes Al­les strei­tig zu ma­chen. Die­ser fremd­ar­ti­gen An­schau­ung ha­ben wir nicht mehr Werth bei­zu­le­gen als der Ver­trei­bung des Künst­lers aus dem Ideal­staa­te: es sind dies kühn ver­zeich­ne­te Ne­ben­li­ni­en, gleich­sam Abir­run­gen der sonst so sich­ren Hand und des so ru­hig be­trach­ten­den Au­ges, das sich mit­un­ter ein­mal, im Hin­blick auf den ver­stor­be­nen Meis­ter, un­muths­voll trübt: in die­ser Stim­mung über­treibt er die Pa­ra­do­xie­en des­sel­ben und thut sich ein Ge­nü­ge, sei­ne Leh­ren recht ex­cen­trisch, bis zur Toll­kühn­heit, im Über­maß sei­ner Lie­be, zu stei­gern.

      Das In­ners­te aber, was Pla­to als Grie­che über die Stel­lung des Wei­bes zum Staa­te sa­gen konn­te, war die so an­stö­ßi­ge For­de­rung, daß im voll­komm­nen Staa­te die Fa­mi­lie auf­hö­ren müs­se. Se­hen wir jetzt da­von ab, wie er, um die­se For­de­rung rein durch­zu­füh­ren, selbst die Ehe auf­hob und an de­ren Stel­le fei­er­li­che von Staats­we­gen an­ge­ord­ne­te Ver­mäh­lun­gen zwi­schen den tap­fers­ten Män­nern und den edels­ten Frau­en setz­te, zur Er­zie­lung ei­nes schö­nen Nach­wuch­ses. In je­nem Haupt­sat­ze aber hat er eine wich­ti­ge Vor­be­rei­tungs­maß­re­gel des hel­le­ni­schen Wil­lens zur Er­zeu­gung des Ge­ni­us auf das Deut­lichs­te – ja zu deut­lich, be­lei­di­gend deut­lich – be­zeich­net. Aber auch in der Sit­te des hel­le­ni­schen Volks war das An­recht der Fa­mi­lie auf Mann und Kind auf das ge­rings­te Maaß be­schränkt: der Mann leb­te im Staa­te, das Kind wuchs für den Staat und an der Hand des Staa­tes. Der grie­chi­sche Wil­le sorg­te da­für, daß nicht in der Ab­ge­schie­den­heit ei­nes en­gen Krei­ses sich das Cul­tur­be­dürf­niß zu be­frie­di­gen wuß­te. Vom Staa­te hat der Ein­zel­ne Al­les zu emp­fan­gen, um ihm Al­les wie­der­zu­ge­ben. Das Weib be­deu­tet dem­nach für den Staat, was der Schlaf für den Men­schen. In sei­nem We­sen liegt die hei­len­de Kraft, die das Ver­brauch­te wie­der er­setzt, die wohlt­hä­ti­ge Ruhe, in der sich al­les Maß­lo­se be­grenzt, das ewig Glei­che, an dem sich das Aus­schrei­ten­de, Über­schüs­si­ge re­gu­lirt. In ihm träumt die zu­künf­ti­ge Ge­ne­ra­ti­on. Das Weib ist mit der Na­tur nä­her ver­wandt als der Mann und bleibt sich in al­lem We­sent­li­chen gleich. Die Cul­tur ist hier im­mer et­was Äu­ßer­li­ches, den der Na­tur ewig ge­treu­en Kern nicht Berüh­ren­des, des­halb durf­te die Cul­tur des Wei­bes dem Athe­ner als et­was Gleich­gül­ti­ges, ja – wenn man sie nur sich ver­ge­gen­wär­ti­gen woll­te, als et­was Lä­cher­li­ches er­schei­nen. Wer dar­aus so­fort die Stel­lung des Wei­bes bei den Grie­chen als un­wür­dig und all­zu­hart zu er­schlie­ßen sich ge­drun­gen fühlt, der soll nur ja nicht die »Ge­bil­det­heit« des mo­der­nen Wei­bes und de­ren An­sprü­che zur Richt­schnur neh­men, ge­gen wel­che es ein­mal ge­nügt, auf die olym­pi­schen Frau­en sammt Pe­ne­lo­pe An­ti­go­ne Elek­tra hin­zu­wei­sen. Frei­lich sind dies Ide­al­ge­stal­ten, aber wer möch­te aus der jet­zi­gen Welt sol­che Idea­le er­schaf­fen kön­nen? – So­dann ist doch zu er­wä­gen, was für Söh­ne die­se Wei­ber ge­bo­ren ha­ben und was für Wei­ber es ge­we­sen sein müs­sen, um sol­che Söh­ne zu ge­bä­ren! Das hel­le­ni­sche Weib als Mut­ter muß­te im Dun­kel le­ben, weil der po­li­ti­sche Trieb, sammt sei­nem höchs­ten Zwe­cke, es for­der­te. Es muß­te wie eine Pflan­ze ve­ge­ti­ren, im en­gen Krei­se, als Sym­bol der epi­ku­ri­schen Weis­heit: λάϑε βιωσας. Wie­de­r­um muß­te es, in der neue­ren Zeit, bei der völ­li­gen Zer­rüt­tung, der Staats­ten­denz, als Hel­fe­rin ein­tre­ten: die Fa­mi­lie als No­th­be­helf für den Staat, ist sein Werk: und in die­sem Sin­ne muß­te sich auch das Kunst­ziel des Staa­tes zu dem ei­ner häus­li­chen Kunst er­nied­ri­gen. Da­her ist es ge­kom­men, daß die Lie­bes­lei­den­schaft, als das ein­zi­ge dem Wei­be völ­lig zu­gäng­li­che Be­reich, all­mäh­lich uns­re Kunst bis in’s In­ners­te be­stimmt hat. Ins­glei­chen, daß die Er­zie­hung des Hau­ses sich gleich­sam als die ein­zig na­tür­li­che ge­ber­det und die des Staa­tes nur als einen frag­wür­di­gen Ein­griff in ihre Rech­te dul­det: dies Al­les mit Recht, so­weit eben vom mo­der­nen Staat da­bei die Rede ist. – Das We­sen des Wei­bes bleibt sich da­bei gleich, aber ihre Macht ist je nach der Stel­lung des Staa­tes zu ih­nen eine ver­schie­de­ne. Sie ha­ben auch wirk­lich die Kraft, die Lücken des Staa­tes ei­ni­ger­ma­ßen zu com­pen­si­ren – im­mer ih­rem We­sen ge­treu, das ich mit dem Schlaf ver­gli­chen habe. Im grie­chi­schen Al­ter­thum nah­men sie die Stel­lung ein, die ih­nen der höchs­te Staats­wil­le zu­wies: dar­um sind sie ver­herr­licht wor­den wie nie­mals wie­der. Die Göt­tin­nen der grie­chi­schen My­tho­lo­gie sind ihre Spie­gel­bil­der: die Py­thia und die Si­byl­le, eben­so wie die sol­da­ti­sche Dio­ti­ma sind die Pries­te­rin­nen, aus de­nen gött­li­che Weis­heit re­det. Jetzt ver­steht man, wes­halb die stol­ze Re­si­gna­ti­on der Spar­ta­ne­rin bei der Nach­richt vom Schlach­ten­to­de des Soh­nes kei­ne Fa­bel sein kann. Das Weib fühl­te sich dem Staa­te ge­gen­über in der rich­ti­gen Stel­lung: dar­um hat­te es mehr Wür­de, als je wie­der das Weib ge­habt hat. Pla­to, der durch Auf­he­bung der Fa­mi­lie und der Ehe jene Stel­lung des Wei­bes noch ver­schärft, emp­fin­det jetzt so­viel Ehr­furcht­vor ih­nen, daß er wun­der­ba­rer Wei­se ver­führt wird, durch nach­träg­li­che Er­klä­rung ih­rer Gleich­stel­lung mit den Män­nern ihre ih­nen zu­kom­men­de Rang­ord­nung wie­der auf­zu­he­ben: der höchs­te Tri­umph des an­ti­ken Wei­bes, auch den Wei­ses­ten ver­führt zu ha­ben!

      So lan­ge der Staat noch in ei­nem em­bryo­ni­schen Zu­stan­de ist, über­wiegt das Weib als Mut­ter und be­stimmt den Grad und die Er­schei­nun­gen der Cul­tur: in glei­cher Wei­se wie das Weib den zer­rüt­te­ten Staat zu er­gän­zen be­stimmt ist. Was Ta­ci­tus von den deut­schen Frau­en sagt: i­nes­se quin eti­am sanc­tum ali­quid et pro­vi­dum pu­tant nec aut con­si­lia ea­rum as­pe­ran­tur aut re­spon­sa negIeg­unt, das gilt über­haupt bei al­len noch nicht zum wirk­li­chen Staat ge­kom­me­nen Völ­kern. Man fühlt in sol­chen Zu­stän­den nur stär­ker, was im­mer wie­der in je­der Zeit sich ein­mal be­merk­bar macht, daß die In­stink­te des Wei­bes als die Schutz­wehr der zu­künf­ti­gen Ge­ne­ra­ti­on un­be­zwing­lich sind und daß in die­sen die Na­tur, in ih­rer Sor­ge für die Er­hal­tung des Ge­schlechts, ver­nehm­lich re­det. Wie weit die­se ah­nen­de Kraft reicht, wird, wie es scheint, durch die grö­ße­re oder ge­rin­ge­re Con­so­li­da­ti­on des Staa­tes be­stimm­ten un­ge­ord­ne­ten und mehr will­kür­li­chen Zu­stän­den, wo die Lau­ne oder die Lei­den­schaft des ein­zel­nen Man­nes gan­ze Stäm­me mit sich fort­reißt, tritt das Weib dann plötz­lich als war­nen­de Pro­phe­tin auf. Aber auch in Grie­chen­land gab es eine nie schlum­mern­de Sor­ge: daß näm­lich der furcht­bar über­la­de­ne po­li­ti­sche Trieb die klei­nen Staats­we­sen in Staub und Ato­me zer­split­te­re, be­vor sie ihre Zie­le ir­gend­wie


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