Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada


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zu­sam­men …«

      Ich wun­der­te mich, was hin­ter die­sem »auch so« wohl steck­te, aber Mag­da war nicht er­rö­tet.

      Sie fuhr fort: »So­weit ken­ne ich die Men­schen doch, dass ich sa­gen kann: Herr Hein­ze ist ein in­ner­lich voll­kom­men sau­be­rer, an­stän­di­ger Mann, auf den ich mich jetzt blind­lings ver­las­se. Und wenn du mich für ver­trau­ens­se­lig hältst, Er­win, so ge­nügt dir viel­leicht der Be­weis aus un­se­ren Bü­chern: Wir ha­ben un­se­ren Um­satz in die­sem Herbst um das An­dert­halb­fa­che ge­stei­gert. Das wäre doch wohl kaum der Fall, wenn Herr Hein­ze uns die Kun­den weg­ge­schnappt hät­te!« Sie sah mich mit tri­um­phie­ren­den, freu­deglän­zen­den Au­gen an.

      Ich sag­te ei­sig: »Die Zah­len al­lein be­wei­sen auch noch nichts. Du sagst, die Ern­te war gut, und das Wet­ter war ei­nem frü­hen Drusch be­stimmt güns­tig, da kann der Um­satz für eine kur­ze Zeit sehr wohl stei­gen und ei­nem da­bei doch Kun­den ver­lo­ren­ge­hen … Üb­ri­gens, ich er­in­ne­re mich gar nicht, war die­ser Hein­ze nicht ver­hei­ra­tet?«

      »Doch!« nick­te Mag­da. »Aber er ist seit ei­nem Jahr ge­schie­den.«

      »Soso«, ant­wor­te­te ich mög­lichst gleich­gül­tig. »Also ge­schie­den. – Na­tür­lich schul­dig ge­schie­den?«

      »Wie du auch fra­gen kannst!«, rief Mag­da bei­na­he zor­nig. »Ich habe dir doch ge­sagt: Er ist ein ganz sau­be­rer Mann. Na­tür­lich lag die Schuld auf der an­de­ren Sei­te!«

      »Na­tür­lich …«, wie­der­hol­te ich ein we­nig spöt­tisch. »Ent­schul­di­ge nur, du bist ja di­rekt be­geis­tert von die­sem Mann, Mag­da!«

      Ei­nen Au­gen­blick zö­ger­te sie, dann ant­wor­te­te sie mit fes­ter Stim­me: »Das bin ich auch, Er­win!«

      Wir sa­hen uns eine lan­ge Zeit stumm an. Viel Un­ge­sag­tes lag in der Luft. Selbst Ober­wacht­meis­ter Fritsch hat­te was ge­merkt, er hat­te sich auf sei­nem Stuhl vor­ge­lehnt, die Ell­bo­gen auf die Knie ge­stützt, und be­trach­te­te uns bei­de ge­spannt. Üb­ri­gens war die üb­li­che Sprech­stun­den­zeit längst über­schrit­ten.

      62

      »Hast du die Schei­dung schon ein­ge­lei­tet?«, frag­te ich schließ­lich mit lei­ser Stim­me.

      »Ja«, ant­wor­te­te sie eben­so lei­se. »Ges­tern …«

      Wie­der trat tie­fe Stil­le zwi­schen uns ein. Plötz­lich sa­hen wir uns bei­de nach dem Ober­wacht­meis­ter Fritsch um, der mit ei­nem Ruck von sei­nem Stuhl auf­ge­stan­den war und mit sei­nen Schlüs­seln klap­per­te.

      »Na ja«, sag­te er fast ver­le­gen, »ei­gent­lich ist die Sprech­zeit rum, aber mei­net­we­gen – noch zehn Mi­nu­ten.« Und er ging zum Fens­ter, wo er uns os­ten­ta­tiv den Rücken kehr­te.

      »Er­win«, flüs­ter­te Mag­da has­tig, »ich habe lan­ge mit mir ge­kämpft, es kam mir so schlecht vor, dich in die­ser Lage im Stich zu las­sen. Aber dann, als ich vom Me­di­zi­nal­rat hör­te, dass dei­ne Sa­che gut steht, dass du viel­leicht schon in Kür­ze ent­las­sen wirst …«

      Sie sah mich fle­hend an, aber ich schwieg. Ich half ihr mit kei­nem Wort, in mir herrsch­te ein ver­zwei­fel­ter, wil­der Zorn über die­se Ver­rä­te­rin.

      »Wir wol­len es al­les so ein­rich­ten, wie du es wünschst, Er­win«, fuhr Mag­da noch has­ti­ger fort. »Willst du das Ge­schäft wie­der über­neh­men, gut. Wir sind auch be­reit, ganz von hier fort­zu­zie­hen, Hein­rich, ich mei­ne Herr Hein­ze, will dir dann auch sein Ge­schäft ab­tre­ten. Sieh mich doch nicht so an, Er­win, es hilft doch nichts! Wir wa­ren uns doch in­ner­lich längst ganz fremd ge­wor­den, den­ke doch zu­rück an die­se schreck­li­chen Zei­ten, wo wir uns im­mer nur strit­ten! Es ist doch bes­ser, wir tren­nen uns …?«

      Ich schwieg noch im­mer; also da­her die­ses neue Ko­stüm, die­se fri­sche Far­be, der war­me zit­tern­de Un­ter­ton der Stim­me! Ein neu­er Mann – und schon gurrt das ver­lieb­te Täub­chen! Den Mann ins Kitt­chen ge­bracht – und nun kommt der an­de­re mit der »in­ne­ren Sau­ber­keit«, der Hochan­stän­di­ge, dem sie blind­lings ver­traut! Ich sah auf­merk­sam auf ih­ren wei­ßen, schon ein we­nig fett wer­den­den Hals; der Kehl­kopf be­weg­te sich, die Gute ver­schluck­te, von den ei­ge­nen Wor­ten ge­rührt, wie man so sagt, ihre Trä­nen. Ich hät­te die­sen Hals so ger­ne mit mei­nen Hän­den um­spannt, und ich hät­te ihn, das schwö­re ich, trotz al­ler Frit­sches nicht wie­der los­ge­las­sen! Aber ich hü­te­te mich wohl, nur we­ni­ge Tage trenn­ten mich noch von der Frei­heit. Sie woll­te ich nicht al­lein tref­fen, da blieb die­ser an­de­re, der Hochan­stän­di­ge, der die Scham­lo­sig­keit be­saß, ei­nem kran­ken Mann die Frau zu steh­len!

      Sie sah mich noch im­mer an, und als sie nun wie­der zu spre­chen an­fing, war der Ton ih­rer Stim­me käl­ter ge­wor­den, sie bat mich nicht mehr. Um ih­ren Mund lag ein Zug von Ent­schlos­sen­heit, selbst Här­te. »Du siehst mich im­mer nur an und sagst kein Wort«, be­gann sie wie­der. »Ich sehe es wohl, in dei­nen Au­gen droht et­was Schreck­li­ches. Aber das kann mich nicht be­ir­ren, nichts kann mich mehr be­ir­ren. Ein­mal in mei­nem Le­ben will ich Glück­lich­sein ken­nen­ler­nen. Ich habe dir so vie­le Jah­re ge­op­fert, dei­ner Schwä­che, dei­nem Ei­gen­sinn, dei­nem un­sin­ni­gen Dün­kel und Men­schen­hass und dem vor al­lem, was du dei­ne Lie­be nennst! Das ist eine selt­sa­me Art von Lie­be, die ich nur zu spü­ren be­kam, wenn du For­de­run­gen hat­test – aber nie durf­te ich wel­che ha­ben! Nein, da­von habe ich ge­nug …«

      Sie hät­te wohl noch wei­ter so ge­re­det, aber auch ich hat­te ge­nug, von die­sen Ti­ra­den näm­lich. Nach­dem das Kö­dern durch Süße miss­lun­gen war, soll­te ich nun durch den Hass zer­malmt wer­den. Ich beug­te mich weit über den Tisch und spie ihr mit­ten ins Ge­sicht. »Ehe­bre­che­rin …!«, rief ich.

      Bei die­sem lau­ten Aus­ruf dreh­te sich der Ober­wacht­meis­ter Fritsch am Fens­ter rasch um und starr­te einen Au­gen­blick maß­los ver­blüfft auf dies Bild, das sich ihm bot: ich, über den Tisch ge­lehnt, der Mag­da mit ver­ächt­li­chem und dro­hen­dem Blick an­sah, und mei­ne ehe­ma­li­ge Frau, die kei­ne Be­we­gung mach­te, den über die to­ten­blei­che Wan­ge lau­fen­den Spei­chel ab­zu­wi­schen, son­dern die mei­nen Blick un­ver­wandt er­wi­der­te, aus der tiefs­ten Tie­fe ih­rer brau­nen Au­gen her­aus. Und wäh­rend wir uns so an­sa­hen, war mir, als drän­ge ich mit mei­nem Blick tief in die­se Frau ein, ver­sän­ke den Bruch­teil ei­ner Se­kun­de in ihr, er­spür­te einen Men­schen, den ich nie ge­kannt …

      Dann war das vor­bei, denn der Ober­wacht­meis­ter Fritsch hat­te mich bei den Schul­tern ge­packt und schüt­tel­te mich wü­tend. »Sie un­ver­schäm­ter Fle­gel!«, schrie er. »Wie kön­nen Sie sich so et­was er­lau­ben? Dem Me­di­zi­nal­rat wer­de ich Sie an­zei­gen! Das ist eine an­stän­di­ge Frau, ver­ste­hen Sie?« Und er schüt­tel­te mich wie­der mit all sei­nen Kräf­ten, dass mein Kopf halt­los hin und her flog.

      »Las­sen Sie den Mann los, Herr Wacht­meis­ter!«, sag­te Mag­da mit tiefer, völ­lig er­schöpf­ter Stim­me. »Er hat voll­kom­men recht: Ich bin eine Ehe­bre­che­rin.« Ei­nen Au­gen­blick hielt sie ein, als über­le­ge sie et­was. Dann wand­te sie sich mir zu, ihr Auge leuch­te­te wie­der, wie­der hat­te ihre Stim­me Klang. »Und ich bin froh dar­über, dass ich es tat!«, sag­te sie mir ins Ge­sicht.

      Dann ging sie lang­sam aus dem


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