Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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nur zu seinem Vorteil! Schau, Anna! Quintus’ Mutter sagt auch, daß die Männer oftmals wie kleine Buben sind. Dann muß man sie zu ihrem Glück zwingen. Der Quintus ist ja auch mit mir herauf auf die Berghütte gekommen.«

      »Das ist etwas anderes! Er liebt die Berge! Singen will er nicht!«

      »Warten wir es ab!«

      Nach dem Frühstück beschloß Yvonne, daß sie gerne zum ›Erkerchen‹ wandern und dort den Tag verbringen würde. Anna packte Proviant für die beiden ein, eine Thermoskanne mit süßem Tee, Flaschen mit Wasser, Brot, Wurst, Käse und Schokolade als Nervennahrung und Energiequelle.

      Die anderen Hüttengäste waren schon alle fort, als sich die beiden Verliebten auf den Weg machten.

      Sie gingen langsam. Nicht, weil Quintus Schwierigkeiten mit dem Knie hatte, sondern weil sie es einfach genossen, die schöne Natur um sie herum zu bewundern.

      Das ›Erkerchen‹, so wurde ein kleiner Felsvorsprung mit einem Geländer genannt, auf dem eine Bank stand. Sie ließen sich nieder und stärkten sich erst einmal. Dann schauten sie mit den Ferngläsern hinauf zu den Gipfeln.

      »Schau, Yvonne, da drüben sind die Bergkameraden, die mich gestern abend eingeladen haben, mitzukommen.«

      Mit dem Fernglas beobachtete Quintus jeden Schritt.

      »Der Aufstieg, den sie nehmen, hat keinen hohen Schwierigkeitsgrad. Das hätte ich vielleicht auch schaffen können.«

      Yvonnes Herz machte vor Freude einen Sprung. Spontan drückte sie Quintus einen Kuß auf die Wange.

      »Ich sagte es dir ja immer. Die Gipfel sind nicht so unerreichbar für dich, wie du denkst. Innerhalb einer guten Seilschaft kommst du auch mal wieder da hinauf, da bin ich mir ganz sicher. Wie heißt es so schön: Glaube kann Berge versetzen!«

      Quintus lachte. »Ich will die Berge nicht versetzen. Ich bin froh, daß sie da sind.«

      »Quintus, kann ich mal mit dir über dich reden?«

      Erstaunt schaute Quintus seine Yvonne an. Warum fragte sie ihn?

      »Weißt, Quintus, ich habe lange über alles nachgedacht. Ich weiß, daß der Unfall für dich ein Schock war. Dabei war es doch nur ein harmloser Unfall. Es hätte viel schlimmer ausgehen können. Aber für dich ging die Welt zu Ende! Weil du nicht mehr als Aktiver bei der Bergwacht im Rettungsteam arbeiten konntest, hast du alles begraben. Das Leben hat viele Schichten, die Familie, die Freunde, der Beruf, die Hobbys. Alles ist doch eigentlich für dich so geblieben wie es war, bis auf die Verschiebung in deiner Arbeit. Warum hast du dich gegen alles und jedes verschlossen?«

      Quintus wollte etwas einwenden, aber Yvonne sprach weiter:

      »Ich mache dir keine Vorwürfe. Du kannst bis zu einem gewissen Grad nichts dafür. Das liegt eben in der Natur, daß Männer mit Rückschlägen anders umgehen als wir Frauen. Entweder sie verbeißen sich hinein und wollen mit dem Kopf durch die Wand. Oder sie lassen sich gehen. Auf allen Ebenen tun sie dann nichts mehr. Ich denke, daß Männer da viel verletzlicher sind als Frauen. Deshalb mache ich dir keinen Vorwurf. Ich habe nur gleich gesehen, daß du zur letzten Sorte gehörst, Quintus. Du hattest mit deinem bisherigen Leben abgeschlossen in allen Bereichen. Warum nimmst du nicht mehr Kontakt zu deinen Freunden auf? Deine Mutter hat mir nur angedeutet, daß du früher immer zum Stammtisch gegangen bist. Du bist in Vereinen gewesen. Überall hast du die Mitgliedschaft gekündigt. Warum, Quintus?«

      »So, die Mutter hat mit dir gesprochen.«

      »Ja, das hat sie, weil ich sie gefragt habe. Wenn wir reden, dann erzählst du niemals etwas aus der Zeit vor dem Unfall, bis auf die Ausnahme mit der Kollegin aus der Hauptverwaltung der Bergwacht. Du erzählst nichts von deiner Schule, aus der Zeit, als du ein junger Bursche warst, von deinen Freunden. Daß du nicht von der Zukunft sprichst, dafür habe ich noch Verständnis. Du mußt dir erst wieder eine berufliche Zukunft aufbauen. Aber sonst herrscht Schweigen!«

      Yvonne schaute Quintus tief in seine ernsten Augen.

      »Quintus, ich liebe dich! Ich möchte alles wissen. Warum erzählst du mir nichts?«

      Er nahm sie in die Arme.

      »Yvonne, ich liebe dich auch!«

      Sie küßten sich.

      »Ich habe nicht gewußt, daß dich das alles interessiert. Außerdem habe ich alles verdrängt. Vor dem Unfall war ich ein glücklicher Mensch. Kein Gipfel war zu hoch, keine Aufgabe zu schwer. Was ich auch anpackte, gelang mir. Dann war alles anders, von einem Tag auf den anderen. Ich wußte nur, daß sich alles ändern würde. Deshalb habe ich vielleicht mit allem gebrochen, was vorher war. Ich wußte doch nicht, daß ich wieder einmal rauf auf zur Berghütte konnte. Ich ging lange Zeit an Krücken, hatte Schmerzen, konnte nicht schlafen. Alle besuchten mich und redeten auf mich ein, wie man einem kranken Gaul zuredet. Sie waren voller Mitleid. Es war schrecklich. Dabei konnte ich in ihren Augen lesen, wie froh sie waren, daß sie das Schicksal nicht getroffen hatte.«

      Quintus seufzte.

      »Einige machten mir berufliche Vorschläge, was ich tun könnte und versuchten mich da hineinzupressen. Ich kam mir vor wie ein unmündiges Kind. Am schlimmsten waren die Fachärzte im Krankenhaus. Sie sagten mir schlimme Dinge. Als ich nach der Operation aufwachte, war ich noch voller Lebensfreude. Doch sie sagten mir, mit welchen Komplikationen ich rechnen müsse. Da brach für mich eine Welt zusammen.«

      »Du Armer! Du hast das völlig mißverstanden. Das tun die Ärzte immer. Sie müssen sich juristisch absichern. Sie können auch nicht in die Zukunft sehen. Wenn man von den größtmöglichen Komplikationen ausgeht, dann ist alles, was nicht eintritt, ein Erfolg. Schau doch, alles ist gut geworden.«

      Sie lächelte ihn an.

      »Was geblieben ist, sind ein paar Narben. Ein paar dünne helle Linien, die mit der Zeit auch noch verblassen. Du kannst laufen, wandern. Du fährst Auto. Du hast keine Beschwerden. Vergiß es einfach. Denke nicht mehr daran.«

      Quintus zog Yvonne zärtlich an sich.

      »Was würde ich ohne dich machen?«

      »Das kann ich mir gut vorstellen. Du würdest wahrscheinlich noch immer deine Mutter nerven und auf eurem Hof rumhumpeln.«

      »Möglich ist das schon!«

      »Dein Knie ist fast funktionstüchtig. Wenn du nicht gerade Aktiver bei der Bergwacht gewesen wärest, dann wäre alles gut. Doch durch die Verschiebung deiner beruflichen Laufbahn hast du einen Knacks bekommen. Das Problem ist jetzt nicht mehr dein Knie, sondern sitzt da!«

      Yvonne tippte mit dem Finger auf Quintus Stirn.

      »Dort oben, da hast du einen Knacks bekommen! Doch damit ist jetzt Schluß. Hörst du! Ich will, daß du mir aus deinem Leben erzählst, so wie es vorher war. Ich will, daß du deine alten Gewohnheiten wieder aufnimmst.«

      »Das klingt richtig herausfordernd!«

      »Das soll auch so klingen, Quintus! Wenn du nicht wieder damit anfängst, dann wird dir der Verzicht ein Leben lang nachhängen. Verstehst du, was ich meine?«

      Yvonne nahm seine Hand.

      »Liebster Quintus! Ich verstehe dich ja! Es ist nur falsch! Es ist unmöglich, das Schicksal zu bestrafen, indem du dich dem Leben verweigerst. Du bestrafst dich nur selbst.«

      Quintus richtete den Blick hinüber auf die Gipfel der Berge und sagte leise:

      »Yvonne, du kennst mich besser als ich mich selbst. Wahrscheinlich hast du recht. Ich kann mir nicht verzeihen, daß ich die Gefahr nicht vorhergesehen habe und auch nicht schnell genug und richtig reagiert habe. Vielleicht will ich mich wirklich selbst bestrafen. Ich werde darüber nachdenken. Das verspreche ich dir.«

      »Das ist schon viel, Quintus! Doch Nachdenken ist nur der erste Schritt. Du mußt handeln! Habe keine Angst! Ich werde bei dir sein, Quintus!«

      »Das weiß ich, Yvonne! Ich liebe dich! Ohne dich hätte ich das alles nicht geschafft.«


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