Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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lasse mich sehr gern von dir schubsen!«

      »Gut, lieber Quintus! Dann fangen wir doch gleich damit an! Erzähle mir alles! Die Träume, die du als Kind hattest, deine Erfolge, deine Niederlagen. Erzähle mir von schönen Stunden und von weniger schönen Zeiten. Ich liebe dich und möchte alles mit dir teilen, auch deine Erinnerungen.«

      Quintus lächelte sie an.

      »Laß mir einen Augenblick Zeit. Wir wollen jetzt einfach hier sitzen und die Aussicht genießen. Diese Aussicht ist Balsam für meine Seele.«

      Quintus legte den Arm um Yvonne. Sie kuschelte sich eng an ihn. So saßen sie eine ganze Weile eng beieinander und ließen die Augen schweifen.

      Dann begann Quintus zu erzählen:

      »Schon als Kind, als ganz kleiner Bub, habe ich in den Bergen immer Freunde gesehen. Auf manche Menschen wirken die Berge bedrohlich. Das konnte ich nie verstehen. Für mich waren sie immer große starke Freunde. Freunde, die fest verankert waren, seit ewigen Zeiten. Als Bub wünschte ich mir oft, sie könnten erzählen. Ich mochte das Fach Geschichte in der Schule sehr. Dann stellte ich mir immer vor, daß diese Berge alles gesehen haben. Alle Zeiten, alle Geschehnisse sind in ihnen gespeichert. Man kann wissenschaftlich genau ihr Alter bestimmen. Doch mir war das nie genug. Als Bub mußte mir die Mutter immer ein bestimmtes Märchen erzählen. Da kam eine Fee und ein Mann hatte ein paar Wünsche frei. Ich hätte nur einen gehabt. Ich hätte mir gewünscht, daß die Berge erzählen könnten.«

      »Welche Geschichten?«

      Quintus schaute Yvonne zärtlich an.

      »Zum Beispiel denke ich, daß vor uns viele liebende Paare in den Bergen waren. Die Berge wurden Zeuge ihrer Liebe. Sie heirateten, bekamen Kinder, erlebten Sommer und Winter, Reichtum und Armut, Glück und Unglück, Krieg und Frieden. Sie verbrachten ihr Leben hier in den Bergen. Nichts ist von ihnen geblieben, sagte ich mir lange Zeit. Damit erkannte ich, daß es eine Gemeinsamkeit gibt. All diese Menschen damals, und sei es schon vor tausend oder zweitausend Jahren, die Leute heute und die Generationen, die nach uns kommen, sind miteinander verbunden. Alle trugen, tragen und werden auch in Zukunft die Liebe zu den Bergen in ihrem Herzen tragen.«

      »Das hast du schön gesagt, Quintus!«

      »Die Berge sind ein Ort der Stille und Einkehr. Man ist der Schöpfung hier so nah wie sonst nirgends, denke ich.«

      »Ja! Das spürt man in seinem Herzen. Man wird ganz ruhig. Alles, was so wichtig scheint, ist plötzlich nebensächlich und unbedeutend.«

      »Genauso ist es! Auf die Berge kann man sich verlassen. Sie verändern sich nicht, solange der Mensch nicht eingreift. Tut er es doch, dann bestrafen sie jeden Frevel. Sie sind gute Lehrmeister.«

      »Wie meinst du das, Quintus?«

      »Ich kann dir nur sagen, daß ich viel von den Bergen gelernt habe. Ich war immer ein Hansdampf in allen Gassen, ziemlich übermütig und forsch. Immer und überall hatte ich das Sagen. In den Bergen lernte ich, mich unterzuordnen. Ich mußte die Natur und ihre Gesetze anerkennen. Die Berge waren stärker. Ich erinnere mich noch, wie ich angeseilt mit meinem Vater das erste Mal ein Gletscherfeld mit tiefen Gletscherspalten überwunden habe. Ich lernte, jeden Schritt, jeden Griff, alles was ich tat, mit Überlegung zu machen.«

      Quintus lachte.

      »Das war nicht leicht. Du liebst die Berge und kannst es verstehen, wenn ich sage, daß die Berge, die klare Luft, die weite Sicht den Menschen in eine Art Rausch versetzen.«

      »Ja, das Gefühl kenne ich, Quintus. Das kenne ich nur zu gut. Wenn man es einmal erlebt hat, dann zieht es einen immer und immer wieder in die Berge.«

      »Immer ist die Sehnsucht danach im Herzen, jeden Tag.«

      »Bist du deshalb zur Bergwacht, daß du den Bergen jeden Tag nah sein kannst?«

      »Ja, deswegen und weil ich weiß, wie gefährlich es ist, dem Rausch der Schönheit zu unterliegen. Viele werden dann leichtsinnig. Das geschieht einfach. Das sind meistens keine Einheimischen. Leute, die hier in den Bergen aufgewachsen sind, die haben den nötigen Respekt. Den anderen wollte ich helfen. Ich habe auch eine Ausbildung zum Bergführer gemacht. In meiner Freizeit habe ich oft Seilschaften angeführt. Wenn es irgendwie ging, haben wir mindestens eine Nacht in den Bergen ein Biwak aufgeschlagen. Ich wollte meine Liebe zu den Bergen vielen Menschen vermitteln.«

      »Das ist dir bestimmt gelungen, Quintus! Und es wird auch weitergehen.«

      Yvonne streichelte Quintus die Wange. Er nahm ihre Hand und führte sie zärtlich an seine Lippen.

      »Es ist so schön, mit dir hier zu sein. Ich weiß, daß du mich verstehst. Ich konnte noch niemals mit jemanden so sprechen. Deshalb war das für mich so schlimm, als mir der Unfall passierte.«

      »Das verstehe ich doch! Du sollst dem nicht nachtrauern. Sei zuversichtlich! Nach jedem Gewittersturz über dem Gebirge reißen die Wolken auf, und die Sonne bricht durch. Du weißt das genauso gut wie ich. Mir erscheinen die Berge danach immer noch schöner als zuvor, wenn sich die Sonnenstrahlen in Tausenden und aber Tausenden Regentropfen spiegeln, die noch am Fels hängen.«

      »Ja, es ist jedesmal wieder wie ein Wunder.«

      »So wird es auch in deinem Leben ein Wunder geben, Quintus. Schau, Liebster, du hast gerade in deinem Leben einen Wettersturz erlebt. Doch es hat aufgehört zu regnen. Die Wolken sind teilweise schon aufgerissen. Die ersten Sonnenstrahlen brechen daraus hervor. Über dem tiefen Tal deines Lebens, wie du es empfindest, beginnt sich ein wunderschöner Regenbogen zu spannen.

      »Du hast mich da herausgeholt, Yvonne!«

      Yonne lächelte ihn zärtlich an.

      »Ich bringe dich auch wieder hinauf zum Gipfel.«

      »Welchen willst du mir zuerst zeigen? Diesen oder jenen?«

      Quintus deutete in die Richtungen vom ›Engelssteig‹ und ›Höllentor‹.

      »Vielleicht wird es ein ganz anderer Gipfel sein«, lächelte Yvonne geheimnisvoll.

      »Mir ist alles recht, wenn der Aufstieg mich nur aus dieser Amtsstube führt.«

      »Ich werde mein möglichstes tun, Quintus!« sagte Yvonne und dachte dabei an ihre Pläne.

      Quintus und Yvonne blieben bis zum späten Nachmittag auf dem ›Erkerchen‹. Im rötlichen Licht der Abendsonne gingen sie zurück zur Berghütte. Es war so ein schöner und harmonischer Tag gewesen. Die gemeinsame Liebe zu den Bergen hatte ihre Herzen noch ein Stück näher zusammengeführt.

      *

      Yvonne parkte ihr kleines Auto hinter einer schwarzen Luxuslimousine. Das große Tor zum Anwesen der Familie von Teufen-Thurmann flößte ihr Respekt ein. Sie läutete. Der Türöffner summte und das eiserne Tor sprang auf. An der Haustür der Villa erschien ein freundlicher Mann, der ihr zuwinkte. Auf dem Weg zur Haustür warf Yvonne flüchtige Blicke auf den gepflegten Park mit seinen schönen alten Bäumen.

      »Du bist also die Yvonne! Die junge mutige Frau! Komm rein!«

      Tassilo führte Yvonne in einen großen Raum, der mehr einem kleinen Konzertsaal ähnelte als einem Wohnzimmer. Um einen großen Konzertflügel, der in der Mitte des Zimmers stand, verteilten sich verschiedene Sitzgruppen.

      Sie nahmen Platz. Ein Butler brachte Getränke und Häppchen mit Delikatessen.

      »Vielen Dank, daß Sie sich Zeit für mich nehmen, Herr von Teufen-Thurmann!«

      »Tassilo! In Künstlerkreisen ist das alles sehr locker! Wir sind eine große Familie. Und als Freundin von Quintus gehörst du ja auch dazu.«

      Er schenkte ihr einen Sherry ein.

      »Die Mappe, die du zusammengestellt hast, ist wirklich gut. Die Unterlagen können wir gut für die Werbung gebrauchen. Es ist wichtig, daß ein neuer Künstler gleich in der Presse bekannt gemacht wird. Mir ist Quintus bekannt. Doch ich muß gestehen, daß ich nicht wußte, daß er so vielseitig ist. Er ist


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