Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.immer vorzüglich, und der Nachtisch – eine süße Weinschaumcreme – krönte das Menue. Sophie Tappert hatte sich wieder einmal übertroffen. Die beiden Männer gingen hinaus in den Garten, während die Perle des Pfarrhaushaltes sich daran machte, alles wieder in Ordnung zu bringen.
Sebastian und sein Bruder setzten sich in den Schatten einer uralten Linde und sprachen darüber, was sie in den beiden Angelegenheiten unternehmen konnten. Allerdings gab es da so viele Möglichkeiten nicht.
»Können wir nur hoffen, daß uns der Zufall weiterhilft«, meinte der Gendarm.
Der Pfarrer hob die Hand.
»Du weißt, ich glaube net an Zufälle«, widersprach er. »Es hat alles seinen Grund. Nichts geschieht zufällig, auch wenn es manchmal so aussieht.«
*
Conny Beerlach und Florian Vilsharder hatten es sich im Stall bequem gemacht. Seit beinahe einer Woche hielten sie hier Wache, und der Sohn des Hofbesitzers glaubte schon nicht mehr daran, daß die unheimliche Attentäterin sich noch einmal sehen lassen würde.
Nicht so Conny. Das Madel war überzeugt davon, daß Marlis Angerer nicht aufgab. Sie hätte Florian und den anderen sagen können, wer hinter dem Anschlag auf Fender steckte, und auch, daß sie den Grund dafür wußte. Bisher hatte sie nur erwähnt, daß sie die Unbekannte zweimal zufällig im Stall überrascht hatte. Aber sie wollte Marlis in flagranti erwischen, denn ohne einen wirklichen Beweis würde das Madel alles abstreiten.
Florian gähnte verhalten. Es war erst kurz vor zwölf. Da die Überfälle vor dieser Zeit stattgefunden hatten, nahm er an, daß die Frau jetzt nicht mehr käme. Dennoch wollte er wenigstens noch eine Stunde warten. Seit einigen Monaten gab es immer wieder Meldungen in den Zeitungen, nach denen irgendwelche bösen Menschen sich einen Spaß daraus machten, nächstens Pferde in ihren Ställen oder auf Weiden regelrecht zu überfallen und zu quälen. Ganz ausschließen wollte Florian Vilsharder diese Möglichkeit nicht, obwohl er einfach nicht glauben konnte, daß hier ein potentieller Pferdemörder sein Unwesen trieb.
Also, eine Stunde noch, dann wollten sie schlafengehen.
Um sich nicht zu verraten, unterhielten die beiden sich nur im Flüsterton. Doch allmählich schlief die Unterhaltung ein, und sie hatten Mühe, sich wachzuhalten. Lediglich der Gedanke, Marlis könne jeden Moment hier auftauchen, hinderte Conny daran, die Augen zu schließen. Und sie war davon überzeugt, daß dies über kurz oder lang geschehen würde.
Conny hatte es immer öfter darauf angelegt, der anderen zu zeigen, daß sie sich nicht von deren Drohungen einschüchtern ließ. Sie war so oft wie möglich mit Rob im Dorf gewesen und hatte sich zusammen mit ihm sehen lassen.
Jetzt mußte sie nur noch Geduld haben.
Die wurde zwar auf eine harte Probe gestellt, aber auch belohnt. Conny schreckte hoch, als sie das Knarren der Stalltür vernahm. Sie warf einen Blick auf Florian, der das Geräusch ebenfalls gehört haben mußte, denn er legte seinen Zeigefinger auf die Lippen und bedeutete ihr so, leise zu sein. Mit einer schnellen Bewegung schaltete er den Handscheinwerfer aus, der zwischen ihnen auf dem Boden stand.
Irgendwo vor ihnen war ein schmaler Lichtstreifen, der sich geisterhaft durch den Pferdestall bewegte. In Richtung auf Fenders Box.
Conny hielt gespannt den Atem an. Ihr Herz klopfte wie wild. Florian legte seine Hand auf ihren Arm, um zu verhindern, daß sie schon losstürmte. Erst auf sein Zeichen hin sprangen sie aus ihrem Versteck. Gleichzeitig blendete der Pferdewirt den Scheinwerfer auf.
*
Der Lichtkegel traf auf eine Gestalt in einem dunklen Anorak. Die Kapuze verdeckte den Kopf darunter. Die Gestalt stand vor Fenders Box, mit dem Rücken zu Conny und Florian. Als sie ein Geräusch hinter sich vernahm, fuhr sie herum. Sie erkannte die Gefahr und wandte sich zur Flucht.
Zu spät.
Vier Hände griffen nach ihr und hielten sie fest, auch wenn sie sich mit Händen und Füßen wehrte. Schließlich gab sie auf und blieb reglos am Boden liegen.
»Na, dann wollen wir mal sehen, wer das ist«, sagte Florian Vilsharder und griff nach der Kapuze.
Marlis Angerers Gesicht lief vor Scham rot an.
»Sie ist es«, rief Conny. »Genau, wie ich es mir gedacht hab’.«
Florian sah sie erstaunt an.
»Du wußtest, wer dahintersteckt?« fragte er.
»Ja. Aber das erklär’ ich Ihnen später«, antwortete das Madel und zog eine Schachtel Likörpralinen hervor, die aus Marlis’ Manteltasche schaute. »Jetzt sollten wir erst mal die Polizei rufen.«
Marlis Angerer zitterte am ganzen Körper. Tränen stiegen ihr in die Augen.
»Net die Polizei«, flüsterte sie. »Bitte net.«
Conny Beerlach blickte sie geringschätzig an.
»Was glaubst denn sonst?« fuhr sie die junge Angerer an. »Für dieses Verbrechen kommst hinter Gitter. Das versprech ich dir!«
Marlis heulte ungehemmt los. Sie warf einen hilflosen Blick auf Florian.
Der Pferdewirt wußte zwar nicht, was zwischen den beiden Madeln war, aber er machte sich so seine Gedanken.
»Na, na«, wiegelte er ab, »jetzt woll’n wir net gleich das Schlimmste annehmen. Ich denk’, das beste wird sein, wenn wir meinen Vater wecken. Der kann dann entscheiden, was weiter geschieht.«
Conny warf der anderen einen bösen Blick zu, fügte sich aber.
»Passen S’ nur auf, daß sie net doch noch entwischt«, sagte sie, bevor sie zum Telefon hinüberging. »Der trau’ ich alles zu.«
Marlis duckte sich unter diesen Worten, und der Tränenstrom wollte überhaupt nicht versiegen.
*
Sandra Hofmayr war nicht mehr dieselbe. Seit dem Tag, an dem sie die Bekanntschaft der kleinen Nikki gemacht hatte, ging ihr das Kind nicht mehr aus dem Sinn. Überall, wo sie auf ihren Touren vorbeikam, hielt sie mehr nach der Kleinen Ausschau als nach Antiquitäten.
Gleich am Montag hatte sie die alte Schulfreundin aufgesucht und von Nikki erzählt. Sie bat die Anwältin in den Waisenhäusern, auch der ferneren Umgebung, nachzuforschen, ob man dort ein Kind kannte, auf das die Beschreibung paßte, und das vielleicht sogar wirklich Nikki Behringer hieß. Wobei Sandra nicht sicher war, ob das Madel da nicht geschwindelt hatte. Auch der Vorname mußte nicht der richtige sein, eher die Koseform eines anderen. Nikki war jedenfalls kein amtlicher Name.
Die Nachforschungen von Sandras Bekannten förderten jedoch nichts zutage. Nikki war und blieb verschwunden, als wäre sie nur ein Traum gewesen. So schwer es ihr auch fiel, Sandra Hofmayr würde die Kleine wohl vergessen müssen.
Aber das wollte ihr gar nicht gelingen. Immer wieder ertappte sie sich dabei, daß sie an das Madel dachte, sich sorgte, wie es Nikki wohl erging, wo sie schlief und ob sie genug zu essen hatte.
Ununterbrochen ging es so, auch jetzt, wo sie in der Kirche saß. Von den Worten des Geistlichen bekam sie kaum etwas mit. Plötzlich hatte sie eine Idee. Vielleicht konnte ein Gespräch mit Pfarrer Trenker ihr weiterhelfen. Bestimmt kannte er die Heime und Waisenhäuser. Als Seelsorger war er ja nicht nur für seine Gemeinde in St. Johann zuständig, sein Aufgabengebiet war viel größer.
Je mehr sie darüber nachdachte, um so fester wurde ihr Entschluß, gleich nach der Abendmesse Pfarrer Trenker um ein Gespräch zu bitten.
»Aber sehr gerne«, nickte Sebastian, als die Antiquitätenhändlerin ihn ansprach.
Die anderen Gläubigen hatten die Kirche bereits verlassen, und Alois Kammeier, der Mesner von St. Johann, war damit beschäftigt, die Gesangbücher wieder einzusammeln und die abgebrannten Kerzen zu ersetzen.
»Kommen S’, Frau Hofmayr, setzen wir uns doch gleich hierher«, deutete der Geistliche auf die erste Bankreihe.
»Ich weiß