Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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      Sebastian Trenker hockte sich neben sie. Mit leichten Schlägen auf die Wange versuchte er, das Madel in die Wirklichkeit zurückzuholen.

      »Ruf den Notarzt!« sagte er zu Florian, der schon sein Handy gezückt hatte.

      Endlich hatten seine Bemühungen Erfolg. Marlis blinzelte mit den Augen. Als sie wieder bei Besinnung war, wollte sie sich aufrichten. Der Geistliche drückte sie sanft zurück.

      »Bleib liegen«, befahl er. »Du hast bestimmt eine Gehirnerschütterung bei dem Sturz erlitten. Tut dir etwas weh?«

      »Nur der Kopf«, antwortete Marlis.

      Sebastian sah zu Conny hoch, die dabeistand und fassungslos auf Marlis schaute.

      »Lauf zum Wagen«, sagte er zu ihr. »Hinten drin liegt eine Decke.«

      Marlis sah Conny erstaunt an. Diesen Gesichtsausdruck kannte sie gar nicht bei ihr. Verständnislos schaute sie hinterher, als das Madel die Beine in die Hand nahm und zum Wagen des Geistlichen lief.

      »Der Notarzt ist unterwegs«, rief Florian. »Ich ruf jetzt meinen Vater an. Wie geht’s ihr?«

      »Bis auf den Kopf ganz gut.«

      Michael Vilsharder war froh zu hören, daß sie Marlis einigermaßen heil gefunden hatten.

      »Du mußt ihren Vater verständigen«, sagte Florian. »Du weißt schon…«

      Der Seniorchef vom Reiterhof hatte verstanden. Marlis’ Vater war sehr erstaunt gewesen, als seine Tochter ihm mitteilte, daß sie in ihrem Urlaub in dem Ferienhotel arbeiten wolle. Nun sollte natürlich nicht herauskommen, was wirklich dahintersteckte.

      Conny hatte die Decke gebracht. Sie kniete sich neben die Verletzte und deckte sie zu. Marlis beobachtete jeden ihrer Handgriffe. Sie wußte nicht, was sie von der Sache halten sollte. Noch erstaunter war sie, als sie bemerkte, daß dicke Tränen über Connys Wangen rannen. Hilflos sah sie von Sebastian zu Florian und wieder zurück. Der Pfarrer versorgte die Wunde und zwinkerte ihr aufmunternd zu.

      In der Ferne war die Sirene des Notarztwagens zu hören. Conny nahm ihre Hand.

      »Ich fahr’ mit ins Krankenhaus«, bestimmte sie entschieden.

      Sie schaute Marlis an.

      »Ich hab’ mich dir gegenüber scheußlich benommen«, sagte sie. »Was immer war – ich möcht’ mich bei dir entschuldigen.«

      »Du? Du willst dich bei mir entschuldigen?« fragte Marlis ungläubig.

      Conny drückte ihre Hand.

      »Ja, und wenn du’s willst, dann bring’ ich dir das Reiten bei.«

      Marlis strahlte sie an. Sie strahlte immer noch, als sie auf der Trage im Notarztwagen lag und Conny neben ihr saß.

      *

      »Schön, daß die Geschichte noch so ein gutes Ende genommen hat«, sagte Pfarrer Trenker, als er mit seinem Bruder darüber sprach.

      »Jetzt kann ich auch verstehen, warum der alte Vilsharder die Anzeige zurückgezogen hat«, meinte Max.

      »Wirst denn noch was unternehmen in der Angelegenheit?«

      Der Gendarm schüttelte den Kopf.

      »Dazu gibt’s keine Veranlassung«, erklärte er. »Außerdem ist das Madel gestraft genug.«

      »Aber die Marlis hat auch Glück gehabt. Außer der kleinen Platzwunde und einer Gehirnerschütterung hat sie den Reitunfall überstanden. Es hätt’ schlimmer kommen können.«

      Sophie Tappert steckte ihren Kopf durch die Tür.

      »Ich geh’ dann jetzt, Hochwürden. Bis heut’ abend.«

      »Viel Spaß, und grüßen S’ die Frau Breitlanger.«

      Sophies Freundin, Hertha Breitlanger, wartete schon an der Bushaltestelle. Die beiden Damen hatten sich diesen Sonntag nachmittag ausgesucht, um an den Achsteinsee zu fahren. Zum einen, weil man dort schön spazierengehen konnte, zum anderen war für heute ein Kurkonzert im Seepark vorgesehen. Außerdem gab es eine ganze Auswahl von Cafés und Eisdielen, in denen man köstliche Torten und leckere Eisbecher bekam.

      Die Haushälterin aus dem Pfarrhaus schaute ein wenig spöttisch, als sie den Regenschirm bemerkte, den ihre Freundin mit einem Lederriemen am Handgelenk trug.

      »Bei dem Wetter?« fragte sie. »Bist du so pessimistisch?«

      »Nur vorsichtig«, gab Hertha zurück. »Schließlich war ich erst gestern zur Dauerwelle. Die will ich mir net gleich durch einen Regenguß ruinieren lassen.«

      Mit dem Bus fuhren sie fast bis an den See heran. Die Haltestelle war in der Nähe eines großen Parkplatzes, auf den kaum noch ein Auto paßte, so groß war der Andrang.

      Sophie Tappert warf einen Blick auf die Uhr.

      »Noch eine Viertelstunde bis zum Konzertbeginn«, sagte sie. »Wir haben noch reichlich Zeit.«

      Pünktlich erreichten sie den Park. Ein breiter Weg führte zu der Freilichtbühne mit der Konzertmuschel. Die Musiker hatten schon die Plätze eingenommen und machten ihre Tonproben. Auch Sophie Tappert und ihre Freundin fanden zwei leere Stühle, nicht ganz vorn, aber das war den Damen auch ganz recht. Von ihren Plätzen aus hatten sie einen guten Blick auf die Bühne und das Geschehen dort.

      Bei strahlendem Sonnenschein legte das Orchester mit einer furiosen Polka von Johann Strauß los. Das Publikum ging begeistert mit, und es gab frenetischen Applaus. Ein bunter Reigen bekannter und beliebter Melodien wurde gespielt, die die Zuhörer mitsummten oder durch Klatschen begleiteten.

      Sophie Tappert schaute auf Herthas Regenschirm, während über ihnen ein strahlend blauer Himmel stand.

      »Hast ihn doch umsonst mitgeschleppt«, neckte sie die Freundin.

      »Wart’s ab«, gab Hertha Breitlanger zurück. »Du wirst froh sein, falls es doch ein Wetter gibt.«

      Sebastians Haushälterin schaute noch einmal zum Himmel hinauf und schüttelte den Kopf. Völlig unmöglich, dachte sie und genoß weiterhin die musikalische Darbietung.

      Allerdings sollte sich Herthas dunkle Ahnung noch vor dem Ende des Konzerts als wahr herausstellen. Das Orchester hatte gerade den Radetzky-Marsch intoniert, als es zwischen den Tönen verdächtig grummelte. Die Zuschauer bemerkten, daß es zunehmend dunkler und kühler wurde. Vor die Sonne hatte sich ein breites Band dunkler Wolken geschoben. Sophies Freundin spannte ihren Schirm auf.

      »Laß uns schnell in ein Café gehen«, rief sie. »Das Konzert ist eh gleich aus.«

      Sophie nickte und sprang ebenfalls auf. Im selben Moment klatschten die ersten Tropfen auf den Boden. Die Zuhörer hatten es plötzlich sehr eilig. Sie liefen durcheinander und suchten die umliegenden Cafés und Lokale auf, um sich vor dem Regen in Sicherheit zu bringen.

      *

      Nikki war seelig. Seit langer Zeit war es wieder einmal ein Sonntag, an dem sie ihren Papi ganz für sich alleine hatte. Sogar das Frühstück hatten sie ohne Ilona eingenommen, weil die gestern abend schon zu einer Freundin gefahren war, die in der Kreisstadt wohnte. Sie war erkrankt und hatte Nikkis Kinderfrau gebeten, sie zu besuchen.

      Der Kleinen konnte es nur recht sein, und als ihr Vater fragte, ob sie immer noch zum See hinauswolle, hatte Nikki begeistert zugestimmt.

      Zum Mittagessen waren sie in ein Lokal eingekehrt und hatten es sich dort schmecken lassen. Danach wollte Olivers Tochter unbedingt Tretboot fahren. Über eine Stunde fuhren sie auf dem Achsteinsee herum, zwischen anderen Booten, an Surfern vorbei und bis an den Rand, wo der See zum Schwimmen freigegeben war. Vom Seepark her vernahm man Bruchstücke des Konzerts, wenn der Wind gerade richtig stand. Es herrschte ein reger Betrieb an diesem herrlichen Sonnentag.

      Allerdings verdunkelte sich der Himmel am frühen Nachmittag. Oliver und Nikki hatten es gerade eben noch geschafft, wieder am Bootsverleih anzulegen,


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