Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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von sich hören, und als Oliver in die Stadt fuhr und den Laden aufsuchte, stand er vor verschlossener Tür. Kopfschüttelnd fuhr er wieder zurück. Er verstand es nicht. Sandra hatte doch erzählt, daß sie gerade am Dienstag immer im Geschäft sei, weil ihre Aushilfe da nicht arbeiten könne. Aber zu Hause schien sie auch nicht zu sein. Dort nahm niemand den Hörer ab.

      Trotzdem fuhr er nicht zurück nach Waldeck, sondern lenkte den Wagen nach St. Johann. Als er vor dem Haus anhielt, sah er Sandras Wagen vor der Garage stehen. Oliver atmete auf. Stürmisch drückte er den Klingelknopf, erst einmal, dann zweimal. Schließlich hielt er seinen Finger fest darauf, entschlossen, nicht wieder loszulassen, bis jemand öffnete.

      Sandras Augen waren vom Weinen gerötet. Oliver war entsetzt, als er sie sah.

      »Was ist geschehen?« fragte er. »Willst’ mich net hineinlassen?«

      Sandra trat einen Schritt beiseite und ließ ihn eintreten. Sie führte ihn in das Wohnzimmer, in dem es dunkel war. Sandra hatte die Jalousie heruntergelassen, als wolle sie sich vor dem Licht der Sonne verbergen.

      »Willst du mir net sagen, was los ist?« forderte Oliver Behringer die junge Frau auf. »Seit gestern versuchen wir dich zu erreichen. Die größten Sorgen haben wir uns gemacht. Nikki ist ganz durcheinander, weil sie glaubt, daß du sie net mehr liebhast.«

      Sandra schluchzte auf.

      »Ach, Nikki!« entfuhr es ihr.

      Oliver nahm sie in die Arme.

      »Was ist denn los?« fragte er leise. »Willst’ es mir net sagen? Ich hab’ dich doch lieb. Und wenn du meine Frau bist, dann wollen wir doch net nur die Freude teilen, sondern auch das Leid.«

      Sie sah ihn aus tränenverschleierten Augen an.

      »Willst mich denn überhaupt heiraten?« fragte sie.

      »Aber natürlich. Was ist das überhaupt für eine dumme Frage?«

      »Ja, aber liebst du denn net immer noch deine Frau?«

      »Doch, natürlich liebe ich sie. Aber das ändert ja nichts daran, daß ich dich ebenfalls liebe. Das ist doch etwas ganz anderes.«

      Er schaute sie forschend an.

      »Sag mal, wie kommst du überhaupt auf diesen Unsinn?« wollte er wissen.

      »Diese Ilona war gestern bei mir im Laden…«

      »Was?« fragte Oliver ungläubig. »Hat die dir diesen Floh ins Ohr gesetzt?«

      Sandra nickte und erzählte, was die Frau zu ihr gesagt hatte. Oliver Behringer schäumte vor Wut.

      »Die fliegt noch heute!« rief er empört.

      Er hielt Sandra ganz fest in seinen Armen und sah sie eindringlich an.

      »Hör zu«, sagte er. »Ich liebe Andrea und werde sie immer lieben, aber auf eine andere Art als dich. Es stimmt, daß ich geglaubt habe, mich niemals wieder einem anderen Menschen zuwenden zu können. Der Verlust war zu groß, und meine Arbeit schien mir mein einziger Trost zu sein. Dennoch bin ich Realist genug, um mich net in die Vergangenheit zu flüchten. Als wir beide uns begegnet sind, war es, als würde ich neu geboren. Ich habe ein Gefühl wiederentdeckt, von dem ich glaubte, daß ich es längst net mehr besäße. Das Gefühl, einen Menschen zu lieben. Vergiß, was Ilona dir auch immer gesagt hat. Sie hat unrecht, ich brauche dich – wir beide, Nikki und ich, brauchen dich, und darum wirst du jetzt gleich mitkommen.«

      »Ja, aber wohin denn?«

      Oliver lachte.

      »Zu dem Mann, dem wir unser Glück zu verdanken haben«, erwiderte er. »Ich will beim Pfarrer Trenker das Aufgebot bestellen.«

      Lachend warf sie sich in seine Arme, und als Oliver sie liebevoll küßte, waren Sandras Tränen vergessen.

      *

      Über der Hohen Riest ging eben die Sonne auf, als Sebastian den schmalen Pfad emporkletterte. Wie immer, wenn er in den Bergen unterwegs war, trug er seine wetterfeste Wanderkleidung, und wie immer hatte er einen wohlgefüllten Rucksack über dem Rücken hängen. Über dem Höllenbruch machte der Geistliche seine erste Rast. Herrlich duftete der Kaffee aus der Thermoskanne, und köstlich schmeckten Brot und Schinken, den Sebastian mit einem Taschenmesser über den Daumen schnitt.

      Tief unter ihm lag sein St. Johann, gerade eben erst aus dem Schlaf erwachend. Pfarrer Trenker wußte es gut behütet.

      Er überdachte noch einmal die Geschichte um die kleine Nikki, die sich etwas ausgedacht hatte, um sich bei anderen Leuten etwas Glück zu borgen. Beinahe hatte es ausgesehen, als ob in letzter Sekunde das Glück dreier Menschen durch eine Intrige zerstört werden sollte, doch ein gütiges Schicksal hatte helfend eingegriffen. Unter den zornigen Anschuldigungen ihres Arbeitgebers hatte Ilona Gruber zugeben müssen, Sandra belogen zu haben. Sie hatte durch die neue Telefonnummer, die sie im hauseigenen Verzeichnis las, Namen und Adresse der Antiquitätenhändlerin herausgefunden und dabei ihren Plan gesponnen. Nun, da sie einsehen mußte, daß die böse Saat doch keinen rechten Ertrag brachte, hatte sie ihre Koffer gepackt und die Villa Behringer verlassen.

      Sebastian wußte, daß Nikki ihrer Kinderfrau keine Träne nachweinte. Dazu hatte sie auch gar keinen Grund, denn ein ganz besonderes Ereignis stand ins Haus. Schon in wenigen Tagen sollte die Hochzeit von Sandra Hofmayr und Oliver Behringer stattfinden, und damit Nikkis sehnlichster Wunsch in Erfüllung gehen. Endlich würde sie eine richtige Familie haben.

      Pfarrer Trenker warf einen Blick zum Himmel.

      »Das haben wir gut hingekriegt, net wahr?« sagte er.

Das geduldige Herz

      Der letzte Ton der Mondschein-Sonate verklang. Thomas Burger verharrte einen winzigen Moment, um dann mit einem strahlenden Lächeln aufzustehen und den Applaus des Publikums, das bis zum Schluß andächtig gelauscht hatte, entgegenzunehmen. Dankend nahm er den Blumenstrauß in Empfang, den eine Verehrerin ihm auf die Bühne hinaufreichte. Der junge Konzertpianist verbeugte sich und bezog mit einer Handbewegung die Mitglieder des Symphonieorchesters ein, das ihn begleitet hatte.

      Dieser Konzertabend war der glanzvolle Abschluß einer Tournee, die den Künstler durch mehrere Städte Europas geführt hatte.

      Noch zweimal holte der tosende Beifall Thomas auf die Bühne zurück, bevor er endlich, müde und erschöpft, Frack und Fliege ablegen konnte. Alberto Moreno, Thomas’ Agent, reichte ihm ein Glas Champagner.

      »Du warst, wie immer, großartig«, sagte der Italiener. »In allen Kulturbeilagen der Tageszeitungen werden sie von dir berichten. Du bist auf dem Höhepunkt deiner Karriere. Jedes Konzerthaus reißt sich um dich. Ich habe Anfragen aus New York, Chicago und Rio. Du kannst jede Gage verlangen.«

      »Im Moment verlange ich nur meine Ruhe«, entgegnete der Dreißigjährige. »Für die nächste Zeit will ich keinen Konzertsaal mehr sehen. Die Tournee war anstrengend, und ich möchte nur noch Urlaub haben.«

      »Natürlich«, gab Alberto mit einem Nicken zurück. »Das kann ich verstehen. Aber, wir dürfen auch nicht zuviel Zeit bis zum nächsten Engagement verstreichen lassen. Jetzt wollen die Leute dich spielen hören.«

      Thomas legte ihm den Arm auf die Schulter. Alberto Moreno hätte sein Vater sein können, und so ähnlich war auch die Freundschaft, die die beiden Männer verband. Der junge Pianist wußte, was er dem »alten Hasen« im Musikgeschäft verdankte.

      »Du kannst mir noch soviel Zucker aufs Brot streuen«, lachte er. »Überreden wirst’ mich net.«

      »Mama mia! Hör’, um Himmels willen, mit diesem fürchterlichen Dialekt auf.«

      Alberto verdrehte die Augen.

      »Du redest ja wie ein Bauer.«

      »Was glaubst’ denn wohl«, erwiderte Thomas. »Ich komm ja aus einer Bauernfamilie. Mei’ Großvater war einer, der Vater ebenso, und mei’ Bruder hat den Hof übernommen. Bauer sein, ist ein ehrenwerter Beruf.«

      »Das


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