Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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in das Geheimnis des Kirschkuchens einweihte, stimmte er in das Lachen ein.

      Es wurde ein wunderschöner Nachmittag, angefüllt mit Spielen und Herumtoben, und als es langsam dunkel wurde, mußte Nikki schweren Herzens zustimmen, daß Sandra wieder aufbrach. Oliver Behringer ging ins Haus, um die Jacke der Besucherin von der Garderobe zu holen. Nikki und Sandra saßen derweil noch draußen. Das Madel sah die Frau nachdenklich an. Sandra, die den Blick bemerkte, schaute fragend zurück.

      »Darf ich dich mal etwas fragen?« wollte Nikki wissen.

      »Aber natürlich«, antwortete die Frau.

      Nikki kletterte auf ihren Schoß und legte ihre Arme um Sandras Hals.

      »Ich hab’ dir doch das Foto von der Mami gezeigt«, sagte sie. »Weißt du, ich hab’ sie schrecklich lieb, aber ich hätt’ auch gern’ eine neue Mami. So eine, die immer für mich da ist. Die mit mir spielt und Hausaufgaben macht. Dann bräuchte ich auch net immer zu anderen Leuten laufen.«

      Sandra Hofmayr spürte bei diesen Worten einen dicken Kloß in ihrem Hals. Vergeblich bemühte sie sich, ihn hinunterzuschlucken. Nikki schaute sie beinahe zärtlich an.

      »Kannst du net meine neue Mami sein?« fragte sie bittend.

      Sandra schloß sie ganz fest in ihre Arme, während ein heißer Tränenstrom sich seine Bahn suchte.

      *

      Oliver Behringer war lautlos hinzugekommen. Er hatte die Worte seiner Tochter mitangehört. Gehört, wie sie von der toten Mutter sprach, die sie nie kennengelernt hatte und die sie dennoch liebhatte. Wie sehr liebte er diesen kleinen Engel dafür.

      Sandra hob ihren Kopf, und er sah die Tränen, die sie geweint hatte. Nikki war ganz erschrokken.

      »Hab’ ich was Falsches gesagt?«

      Nikki sah ängstlich zwischen ihrem Vater und Sandra hin und her.

      Die junge Frau schüttelte den Kopf.

      »Nein, Spatz, deine Frage war goldrichtig«, sagte Oliver und nahm Sandras Hand.

      »Könntest du dir vorstellen, Nikkis Mama zu sein?« fragte er, während er sie hochzog. »Und meine Frau?«

      Seine Stimme hatte dabei einen rauhen Klang.

      Nikki schaute mit großen Augen auf die Erwachsenen, die sich liebevoll ansahen. Sandra versuchte das Zittern zu unterdrücken, das sie durchfuhr, und mit der Hand zeichnete sie die Konturen seines Gesichtes nach.

      »Ja«, antwortete sie. »Das könnte ich mir sehr gut vorstellen.«

      Dann bot sie ihm ihre Lippen zum Kuß dar.

      »Hurra!« rief Nikki. »Endlich bekomme ich eine Familie.«

      Die beiden Verliebten bückten sich und hoben sie gemeinsam hoch. So standen sie ganz eng beisammen, als wollten sie sich nie wieder trennen.

      Niemand von ihnen ahnte, daß diese Szene von einem Fenster aus beobachtet wurde. Ilona Gruber stand in ihrem Zimmer und schaute hinaus. Das Licht hatte sie gelöscht, so daß niemand von außen ahnen konnte, daß sich dort jemand aufhielt. Oliver Behringer nahm ohnehin an, daß die Kinderfrau gar nicht im Haus sei.

      Auch ohne ein Wort zu verstehen, wußte Ilona das Geschehen im Park zu deuten. Schon als sie die Ankunft der Frau am Nachmittag miterlebte, wußte sie, daß ihre Felle im Begriff waren, davonzuschwimmen.

      Doch sollte sie wirklich so leicht die Flinte ins Korn werfen und aufgeben? Wütend suchte sie nach einem Ausweg, einer Möglichkeit, dieser anderen Frau Oliver wieder abzujagen.

      Als diese unerwartete Rivalin längst wieder gegangen war, stand Ilona Gruber immer noch in ihrem Zimmer am Fenster und starrte in die Dunkelheit hinaus.

      *

      Für Sandra begann die neue Woche fröhlicher und beschwingter als alle anderen vorher. Das verdankte sie einem kleinen silbernen Bilderrahmen, den sie an dem Armaturenbrett ihres Wagens befestigt hatte. Darin war ein Foto, das Vater und Tochter Behringer zeigte. Beide lächelten sie strahlend an, als hätten sie bei der Aufnahme schon gewußt, für wen dieses Foto einmal sein würde.

      Gut gelaunt schloß Sandra ihren Laden auf und machte sich daran, die Buchführung auf den neuesten Stand zu bringen. Selten kamen Kunden am Morgen, eher schon um die Mittagszeit. Um so erstaunter war die Antiquitätenhändlerin, als kurz nach der Ladenöffnung eine junge Frau das Geschäft betrat.

      »Guten Morgen«, begrüßte sie die Kundin freundlich. »Was kann ich für Sie tun?«

      Die Frau musterte sie mit einem merkwürdigen Blick, den Sandra nicht zu deuten wußte.

      »Die Frage ist, was ich für Sie tun kann, Frau Hofmayr«, gab die andere zurück.

      »Wie soll ich das verstehen, Frau…?«

      »Mein Name ist Ilona Gruber. Ich denk’, Sie haben ihn schon einmal gehört.«

      Das hatte Sandra wirklich, als beiläufig von Nikkis Kinderfrau die Rede gewesen war. Allerdings hatte sie ihn schon bald wieder vergessen. Jetzt stellte sie fest, daß die Frau ihr unsympathisch war.

      »Also, Frau Gruber, was können S’ für mich tun?« fragte sie.

      »Ich könnt’ Sie davor bewahren, in Ihr Unglück zu laufen.«

      Sandra meinte, ihr Herzschlag setze aus.

      »Was meinen S’ damit, können S’ sich net deutlicher ausdrücken?«

      »Aber ja, natürlich«, erwiderte Ilona. »Schauen S’, ich hab’ gestern mitbekommen, wie Sie in der Villa waren. Glauben S’ mir, ich mein’s gut mit Ihnen, wenn ich Ihnen sag’, daß es sinnlos ist, sich in Oliver Behringer zu verlieben. Der Mann lebt in der Vergangenheit. Für ihn zählen nur seine tote Frau und die Firma.«

      Ilona machte eine wohlüberlegte Pause, um ihre Worte wirken zu lassen. Sie sah die Unsicherheit in den Augen der anderen.

      »Oliver liebt nur seine Frau«, säte sie ihre böse Saat weiter aus. »Es ist wie ein Traum, in dem er gefangen ist. Und wenn ich es gleich klarstellen soll – niemand sonst, außer mir, hat es je geschafft, ihn aus diesen Träumen zu reißen.«

      Mit diesen Worten ließ sie Sandra Hofmayr stehen und ging. Erst das Läuten der Ladenglocke löste die Erstarrung, die die junge Frau gepackt hatte.

      Wie sollte sie diesen letzten Satz verstehen? Nur diese Ilona Gruber habe ihn aus seinen Träumen gerissen! Das konnte doch nur bedeuten, daß…

      Aber Oliver hatte ihr doch geschworen, daß sie seit Andreas Tod die einzige sei, die er jemals wieder geküßt habe…

      Sandra war völlig durcheinander. Hastig schloß sie den Laden ab. Sie brauchte Zeit. Zeit, um darüber nachzudenken, was dieser Besuch eben bedeutete.

      Das Klingeln des Telefons überhörte sie. Statt dessen saß sie in ihrem winzigen Büro, und langsam bohrten sich die nagenden Pfeile der Ungewißheit und der Eifersucht in sie hinein.

      Sollte sie sich so in diesem Mann getäuscht haben?

      *

      »Ich versteh’ net, warum sie net abnimmt«, sagte Oliver zu seiner Tochter, die ihn ganz enttäuscht ansah.

      Es war wie verhext. Seit dem Vormittag hatte er vergeblich versucht, Sandra anzurufen. Am anderen Ende der Leitung nahm niemand ab. Jetzt wollte Nikki ihr unbedingt noch gute Nacht sagen, doch auch zu Hause schien sie nicht zu sein.

      Außerdem war Oliver in Eile. Ein wichtiges Essen mit einem Geschäftspartner mußte er unbedingt wahrnehmen, obwohl er sich viel lieber in seinen Wagen gesetzt hätte und nach St. Johann gefahren wäre.

      Ilona Gruber, die das hektische Treiben mit einem süffisanten Lächeln beobachtete, frohlockte. Die Saat, die sie gelegt hatte, war offenbar aufgegangen. Die Rivalin ignorierte das Telefonklingeln.

      »Geh ins Bett, Spatz«, sagte Oliver Behringer zu seiner Tochter. »Morgen


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