Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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er eine Stimme gehört, eine laute Stimme, und kurz darauf einen Schuß. Natürlich wußte er nicht, wer da gerufen und geschossen hatte, aber er schätzte die Situation so ein, daß, nicht weit von seiner Hütte, auf einen Menschen geschossen worden war, denn gleich darauf erklang auch ein Schmerzensschrei. So hatte er sich das Gewehr seiner Tochter gegriffen und war losgelaufen. Im letzten Moment konnte er dann dem Todesschützen die Waffe aus der Hand schießen.

      Das Gewehr des Wilderers lag auf dem Tisch. Deutlich sah man, wo die Kugel es getroffen hatte, außerdem waren Blutspuren daran. Der Unbekannte mußte also verletzt sein.

      Joseph Breithammer schaute unsicher von Max zu Sebastian und wieder zurück.

      »Glauben S’ mir«, sagte er beschwörend. »So war’s, und net anders.«

      Die beiden Brüder schauten sich an. Max nickte.

      »Ich glaub’s dir gerne, Breithammer«, meinte er. »So, wie’s ausschaut, hast du dem Christian Ruland das Leben gerettet – wenn er durchkommt.«

      Sebastian legte dem Alten die Hand auf die Schulter.

      »Du brauchst wirklich keine Angst zu haben«, munterte er ihn auf. »So wie du gehandelt hast, war es reine Notwehr.«

      Der alte Breithammer atmete erleichtert auf. Die Brüder standen auf.

      »Langsam wird’s hell«, sagte Max. »Ich werd’ mir noch mal den Tatort ansehen. Vielleicht finden sich noch ein paar Spuren.«

      »Und ich fahr’ in die Stadt ins Krankenhaus«, erklärte Pfarrer Trenker.

      Draußen im Wald stand immer noch der Wagen des Arztes. Toni Wiesinger war zusammen mit Kathrin im Krankenwagen mitgefahren. Den Schlüssel hatte er Sebastian überlassen, der die beiden aus der Kreisstadt abholen sollte.

      *

      Unablässig ging das Madel den Flur auf und ab. Dann blieb sie wieder vor der Glastür stehen. Darauf stand: Operationsbereich. Zutritt verboten! Darunter der Name des Stationsarztes.

      Kathrin starrte auf die schwarzen, aufgeklebten Buchstaben, ohne sie wirklich zu lesen. Sie kannte die Worte auswendig. Dr. Wiesinger kam um die Ecke, in der Hand zwei Plastikbecher mit Kaffee, den er aus dem Automaten geholt hatte, der auf dem Nebenflur stand. Der Arzt deutete auf die Reihe Stühle an der Wand.

      »Kommen S’, Kathrin, Sie müssen sich setzen«, forderte er sie auf.

      Der Kaffee schmeckte scheußlich, aber er war so stark, daß er zumindest wachhielt.

      »Wird er durchkommen?« fragte Kathrin den Dorfarzt zum wiederholten Male.

      Dr. Wiesinger versuchte ihr Mut zu machen und Zuversicht auszustrahlen.

      »Wir müssen das beste hoffen«, sagte er. »Die Kollegen, die sich jetzt um Christian kümmern, werden alles tun, um ihn zu retten. Die Wunde ist zwar net ungefährlich, aber wenn die Kugel keine Organe verletzt hat, dann hat er eine gute Chance.«

      Kathrin trank das dunkelbraune Gebräu in kleinen Schlucken. Sie spürte, wie diese Warterei an ihren Nerven zerrte. Kurz vor fünf Uhr kam Pfarrer Trenker hinzu.

      »Noch kein Ergebnis?« fragte er.

      Kathrin schaute ihn nur aus tränennassen Augen an, Dr. Wiesinger schüttelte den Kopf.

      »Sie operieren noch«, erklärte er.

      Endlich öffnete sich die Tür, und der Stationsarzt kam heraus. Er begrüßte Sebastian, den er von früheren Besuchen des Geistlichen im Krankenhaus her kannte.

      »Er lebt«, sagte Dr. Wendler nur. »Er lebt und wird überleben.«

      Kathrin, die beim Erscheinen des Arztes aufgesprungen war, spürte, wie ihr einen kurzen Augenblick schwindlig wurde. Wie durch einen Wattebausch nahm sie die Worte des Stationschefs wahr.

      »Wir haben die Kugel entfernt, Organe sind nicht verletzt. Die Blutung war zuerst sehr stark, wurde aber dann rechtzeitig gestoppt. Herr Ruland ist jetzt auf der Intensivstation.«

      »Kann ich… darf ich zu ihm?«

      Der Arzt blickte auf das erschöpfte Madel, dann sah er Pfarrer Trenker an, der ihm zunickte.

      »Also gut«, entschied er. »Ich geh’ davon aus, daß Sie seine Verlobte, und damit seine nächste Angehörige sind. Eine Schwester wird Sie zu ihm bringen.«

      Während sich eine herbeigerufene Schwester Kathrins annahm, verabschiedeten sich Sebastian und Dr. Wiesinger von dem Stationsarzt und verließen das Krankenhaus. Die Fahrt zurück nach St. Johann verlief, bis auf ein paar kurze Worte, eher schweigend. Pfarrer Trenker überdachte die Ereignisse der Nacht. Ganz besonders den Bericht, den Joseph Breithammer abgegeben hatte. Wenn der Todesschütze tatsächlich verwundet war, dann hatte man doch eine weitere Spur. Die Suche mußte sich auf einen Mann konzentrieren, der eine verwundete Hand hatte und einen dunkelblauen Kombi fuhr. Gewiß keine leichte Aufgabe, aber vielleicht kam einmal Kommissar Zufall zu Hilfe.

      *

      Der Raum war abgedunkelt. Christians Bett, es war das einzige in dem Krankenzimmer, stand an der Wand gegenüber der Tür. Daneben stand ein »Galgen«, an dem der Tropf hing. Ängstlich schaute das Madel auf die vielen Schläuche, die von einem Gerät zu dem Kranken führten. Etwas piepste leise, und auf einer kleinen Anzeige fuhr ein grüner Strich in wellenartigen Bewegungen auf und ab.

      Die freundliche Nachtschwester schob einen Stuhl an das Bett. Kathrin setzte sich. Bleich und reglos lag Christian vor ihr. Nur die schwachen, kaum wahrnehmbaren Atemzüge zeigten an, daß überhaupt noch Leben in ihm war. Vorsichtig tastete sie nach seiner Hand. Dann senkte sie den Kopf und ließ ihren Tränen freien Lauf.

      Sie wußte nicht, wie lange sie so gesessen hatte. Längst war die Nachtschweter von der Kollegin für den Tagesdienst abgelöst worden. Kathrin lehnte das Angebot für ein Frühstück dankend ab. Keinen Bissen hätte sie herunterbekommen, angesichts des geliebten Mannes, der auf Leben und Tod lag.

      »Wann wird er aufwachen?« fragte sie angstvoll, als Schwester Lisa wieder einmal nach ihr schaute, eine resolute Frau, ein paar Jahre älter als Kathrin Breithammer.

      Die Krankenschwester überprüfte Puls und Blutdruck bei dem Patienten und schloß eine neue Flasche an den Tropf an.

      »Es ist soweit alles in Ordnung«, sagte sie. »Es kann nicht mehr lange dauern. Aber es ist nur gut, wenn Herr Ruland schläft. Da kann er am besten wieder zu Kräften kommen.«

      Sie schaute die junge Frau an.

      »Wollen S’ wirklich net etwas essen und trinken?«

      Kathrin zuckte die Schulter.

      »Ich weiß net, ob ich überhaupt etwas herunterbekommen würd’.«

      »Ach was«, schüttelte Lisa den Kopf. »Sie müssen bei Kräften bleiben. Was nützt es Ihrem Verlobten, wenn er aufwacht, und Sie ohnmächtig sind? Kommen S’ mit. Wir gehen ins Schwesternzimmer. Und wenn S’ nur einen Bissen essen, das ist immer noch besser als gar nichts.«

      Kathrin ließ es geschehen, daß die Schwester sie mit sich nahm. Und wirklich verspürte sie plötzlich einen Heißhunger. Dankbar aß sie das Brötchen. Der heiße Kaffee weckte ihre Lebensgeister, und sogar ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als Schwester Lisa einen Scherz machte.

      »Danke«, sagte das junge Madel, als es fertig war. »Sie hatten recht. Es wurde höchste Zeit, daß ich etwas zu essen bekam.«

      »Dann laufen S’ mal schnell«, rief eine andere Schwester von der Tür her. »Ihr Verlobter ist eben aufgewacht.«

      »Ist das wirklich wahr?«

      Kathrin lief zum Krankenzimmer hinüber. Beinahe scheu öffnete sie die Tür. Christian lag in seinem Bett und sah sie erwartungsvoll an. Er lächelte, als er sie erkannte.

      »Ich würd’ dich gern’ in die Arme nehmen«, sagte er, »ich fürchte nur, das wird ein bissel schwierig.«

      Er hob den Arm, an dem


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