Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.»Die Schwester hat erzählt, daß du die ganze Nacht an meinem Bett gesessen bist. Danke, du wunderbare Frau.«
Vorsichtig küßte sie seinen Mund.
»Ich hatte solche Angst«, gestand sie.
Mit kurzen Worten schilderte sie, was nach dem Schuß auf den Förster weiter geschehen war.
»Dann hat dein Vater mir also das Leben gerettet«, sagte Christian. »Ich glaub’, daß er net so schlecht ist, wie über ihn gesagt wird. Aber das Gerede wird sowieso aufhören, wenn ihr erstmal im Forsthaus wohnt.«
Kathrin sah ihn ungläubig an.
»Wir – im Forsthaus?«
»Freilich. Wenn du meine Frau bist, wirst du wohl zu mir ziehen. Oder soll ich etwa mit in der Hütte wohnen?«
Er lachte, verzog aber schmerzhaft das Gesicht.
»Nicht jetzt«, sagte Kathrin und legte ihren Finger auf seine Lippen. »Zum Lachen haben wir noch unser ganzes Leben.«
Dann küßte sie ihn liebevoll.
*
Sebastian saß in der Kirche und schaute nachdenklich auf das Kreuz über dem Altar. Er hatte ein Dankgebet gesprochen, denn seit gestern war Christian Ruland wieder im Forsthaus. Das Drama um den neuen Förster hatte ein glückliches Ende gefunden.
Beinahe, jedenfalls. Trotz aller Bemühungen war es der Polizei noch nicht gelungen, den Wilderer und Todesschützen dingfest zu machen.
»Die Nachforschung hat ergeben, daß es mehr als siebenhundert Kombis gibt«, hatte Max Trenker seinem Bruder erklärt. »Da braucht’s fast eine Sonderkommission, um die Halter alle zu überprüfen.«
Der Geistliche war froh und dankbar, daß Christian Ruland wieder genesen war, aber genauso sehr bedauerte er, daß der Mann noch nicht gefaßt werden konnte. Er war sicher, daß der Täter früher oder später wieder zuschlagen würde – war erst einmal Gras über die Geschichte gewachsen.
Aber das eröffnete auch eine neue Chance, dem Kerl endgültig das Handwerk zu legen. Der Schuß auf den jungen Förster hatte für einiges Aufsehen in St. Johann gesorgt. Die Dörfler waren sich einig, daß der Täter bestraft werden müsse. Und sie würden mithelfen, wenn es darum ging, ihn zu stellen. Vielleicht war es nur noch eine Frage der Zeit, bis man ihn gefunden hatte.
Dieses Zeichen von Solidarität freute Sebastian natürlich, und er war ungeheuer stolz auf seine Gemeinde. Er konnte sich gar nicht vorstellen, jemals woanders zu sein. St. Johann war seine Heimat, die er liebte, so wie die Menschen, die hier wohnten.
Der Geistliche stand auf und ging ins Pfarrhaus hinüber. Dort warteten schon Wanderkleidung und Rucksack auf ihn, damit er seinem Spitznamen gerecht wurde…
Das schrille Klingeln an der Haustür riß Sandra Haller aus ihren schönsten Träumen. Unwillig richtete sie sich auf und warf einen Blick auf den Wecker neben ihrem Bett. Sie schlüpfte in ihren Morgenmantel und lief hinaus auf den Flur, weil es schon wieder klingelte. Diesmal noch länger.
»Ruhe!« tönte es aus Ninas Zimmer. »Heute ist Samstag, und ich will endlich mal ausschlafen.«
Sandra konnte die Freundin gut verstehen. Es war gestern abend ziemlich spät geworden. Auf ihrem Weg zur Tür kam die junge Studentin an der Küche vorbei. Darin stapelte sich der Abwasch – der traurige Rest der gestrigen Fete.
»Ich komm’ ja schon«, rief sie, als es zum drittenmal laut schrillte und öffnete die Haustür.
Draußen stand der Briefträger.
»Einen wunderschönen guten Morgen«, wünschte er. »Ich habe hier ein Einschreiben für Frau Sandra Haller.«
Dabei hielt er den Brief in die Höhe.
Das junge Madel gähnte verstohlen.
»Das bin ich«, nickte sie.
»Bitte, hier unterschreiben.«
Der Mann hielt ihr einen Zettel hin, und seinen Kugelschreiber.
Immer noch halb verschlafen unterschrieb die Studentin und nahm den Umschlag in Empfang. Sie steckte ihn achtlos in die Tasche ihres Morgenmantels.
Der Briefträber wünschte noch einen guten Tag und ging die Treppe hinunter. Sandra hörte hinter sich eine Tür klappen. Nina Kreuzer kam aus ihrem Zimmer.
»Was ist denn los?« fragte die schwarzhaarige Mitbewohnerin. »Solch ein Höllenlärm am frühen Morgen!«
Sandra unterdrückte ein erneutes Gähnen und winkte ab.
»War bloß der Postbote«, sagte sie. »Einschreiben. Ich geh’ erstmal unter die Dusche, und dann wird aufgeräumt.«
Nina warf einen Blick in die Küche und verdrehte die Augen.
»Na, ich koch’ erst ’mal Kaffee«, meinte sie und nickte dann auf die Tür neben ihrem Zimmer. »Die Kleine hat offenbar nichts gehört, was?«
Sie meinte Anja Burger, die dritte Mieterin ihrer Wohnung in der Nürnberger Altstadt. Vor einem Jahr hatten sie sich kennengelernt. Es war kurz vor Semesterbeginn, und die jungen Studentinnen waren auf Zimmersuche gewesen. Die kleineren Wohnungen und günstigen Zimmer waren alle schon vergeben, und so hatten sie sich zu dritt hier eingemietet. Und es hatte auf Anhieb mit ihnen geklappt. Die jungen Frauen verstanden sich prächtig. Nicht nur, daß sie sich gegenseitig beim Lernen halfen, sie gingen auch sonst durch dick und dünn.
Als Sandra wieder aus der Dusche kam, duftete es schon verlockend nach frisch gekochtem Kaffee.
»Ich gehe Brötchen holen«, rief sie Nina zu, die eben ins Bad huschte.
»Und ich werde gleich Anja aus den Federn schmeißen«, gab diese zurück.
Sandra schmunzelte.
»Aber sanft!« mahnte sie und schnappte sich den Einkaufskorb.
Fröhlich summend lief sie die Treppe hinunter und trat auf die Straße. Es war zwar erst kurz vor acht, aber trotz der frühen Stunde waren schon zahlreiche Leute unterwegs. Kein Wunder bei dem Wetter! Jetzt, Ende März, konnte man schon den nahenden Frühling erahnen. Die Sonne schien am wolkenlosen Himmel, und der Wetterbericht versprach ein warmes Wochenende mit frühlingshaften Temperaturen. Sandra war sicher, die beiden Freundinnen, nach einem ausgiebigen Frühstück – und dem dringend notwendigen Abwasch – zu einem Einkaufsbummel überreden zu können. Samstag war auch gleichzeitig Markttag, und auf dem Wochenmarkt vor dem Rathaus würden bestimmt schon die ersten, jungen Frühlingsgemüse angeboten werden.
Der Bäcker war gleich um die Ecke, und die Studentin kam schon nach wenigen Minuten wieder zu Hause an. Inzwischen war auch Anja aufgestanden. Die Wohnung besaß einen Balkon, zwar nicht groß, aber ausreichend für drei Personen. Nina und Anja hatten, angesichts des schönen Wetters, hier gedeckt. Nun saßen die drei Mädel gemütlich in der Sonne und ließen es sich schmecken.
Sandras Vorschlag zu einem Stadtbummel wurde einstimmig angenommen, und mit Feuereifer machten sie sich daran, die Küche wieder auf Vordermann zu bringen. Eine Stunde später waren sie fertig und liefen die Treppe hinunter.
»Sagt mal, was war denn das für ein Lärm heute morgen?« wollte Anja wissen, als sie aus der Haustür traten.
»Hast du es doch gehört?« meinte Nina. »Wir dachten, du würdest noch schlafen.«
»Bei dem Krach? Was war denn los?«
»Der Brief!« entfuhr es Sandra.
Anja sah die beiden entgeistert an.
»Welcher Brief?«
Sie wurde ungeduldig.
»Der Postbote